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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
nüß in ein und andern stücken fast angestossen/ also daß er hin und wieder von eini-
gen leyden müssen. Es hat aber folgends ein anderer frommer prediger Mart.
Statius
aus solchen scriptis Praetorianis diese materien sehr fein unter dem nah-
men geistliche schatzkammer der gläubigen extrahiret/ u. in einen annehmlichen
erbaulichen methodum gebracht/ auch mit ziemlicher sorgfalt die vornehmste loca
worinnen der gute Praetorius etwa zu weit gegangen/ ausgelassen/ und also eine vor
fromme seelen erbauliche tröstliche arbeit verrichtet; Daher ich auch sothanes
opusculun Statii den jenigen welche ich darzu tüchtig finde/ zu ihrer erbauung off-
ters recommendire/ und ziemlichen nutzen daraus zu haben nicht in abrede bin.
Auß solchem wercklein Statii scheinet fast dieses gantze opusculum extrahiret seyn.
So handlet auch der fromme Cramerus in diesen scriptis eben dieselbe materien/
aber mit nochmehr behutsamkeit als Praetorius oder Statius. Aus welcher ur-
sach ich auch selbige arbeit habe durch wieder aufflag/ guten leuten wollen mehr be-
kant machen. Daß also aus diesem erhellet/ daß ich auch in dieser absonderlichen
absicht daß den leuten vornehmlich nicht durch das gesetz sondern das Evangelium
geholffen werden müsse/ mit ihme einstimme. Also was die absonderliche grund-
lehren anlanget/ so darinnen getrieben werden/ pflichte ich solche allen von hertzen
bey. Als 1. daß uns die seligkeit hier bereits in dem reich der gnaden thätlich ge-
schencket werde/ und wir also hier in diesem leben selig seyn können und sollen/
ehe noch in jenen leben die seligkeit geoffenbahret werde in der herrlichkeit. 2. Daß
wir unsere seligk. einig u. allein aus dem glauben haben/ so wohl was das erste em-
pfangen deroselben anlangt/ als das behalten. 3. Daß hingegen die wercke als früch-
ten des glaubens allerdings nicht mit dem glauben zuvermischen seyen/ noch densel-
ben einigerley massen etwas unserer seligkeit zu geschrieben werden möge. 4. Daß
wir solche seligkeit empfangen in unserer tauff/ wie Pauli wort uns so deutlich davon
Tit. 3. berichten. 5. Daß die tauffe nicht allein sehe auff die vorige und vergange-
ne sondern auch künfftige sünden/ und also auff das gantze leben: also daß die sünde/
so ich heut begangen/ bereits in der tauff ver geben/ das ist/ der grund gelegt worden/
auff welche solche vergebung beruhet. 6. Daß auch die busse nichts anders seye/
als eine wiederkehr zu der ersten tauff gnade/ das jenige wiederum in glauben an-
zunehmen/ was uns so bald erstlich in der tauff war geschencket und überreichet/ von
uns aber etwa durch unglauben und boßheit wiederum verlohren worden. 7. Daß
der unglaube das haupt- und einige laster sey/ aus welchem alle andere laster ent-
stehen. Wie unser selige Lutherus so offt gezeiget/ daß eigentlich von dem letz-
ten zu reden/ der unglaube allein würcklich verdamme/ in deme alle andere laster
nicht würden verdammen/ wo der mensch davon durch glauben sich bekehret hätte.
8. Daß die reue der sünden dasjenige nicht seye/ so uns die vergebung der sünden
zu wege bringe/ sondern daß solche ehre allein dem glauben gebühre/ so viel mehr/
daß aus der grösse der reue unsre seligkeit allerdings nicht komme. Wiewohl sie

das

Das ſechſte Capitel.
nuͤß in ein und andern ſtuͤcken faſt angeſtoſſen/ alſo daß er hin und wieder von eini-
gen leyden muͤſſen. Es hat aber folgends ein anderer frommer prediger Mart.
Statius
aus ſolchen ſcriptis Prætorianis dieſe materien ſehr fein unter dem nah-
men geiſtliche ſchatzkam̃er der glaͤubigen extrahiret/ u. in einen annehmlichen
erbaulichen methodum gebracht/ auch mit ziemlicher ſorgfalt die vornehmſte loca
worinnen der gute Prætorius etwa zu weit gegangen/ ausgelaſſen/ und alſo eine vor
fromme ſeelen erbauliche troͤſtliche arbeit verrichtet; Daher ich auch ſothanes
opuſculũ Statii den jenigen welche ich darzu tuͤchtig finde/ zu ihrer erbauung off-
ters recommendire/ und ziemlichen nutzen daraus zu haben nicht in abrede bin.
Auß ſolchem wercklein Statii ſcheinet faſt dieſes gantze opuſculum extrahiret ſeyn.
So handlet auch der fromme Cramerus in dieſen ſcriptis eben dieſelbe materien/
aber mit nochmehr behutſamkeit als Prætorius oder Statius. Aus welcher ur-
ſach ich auch ſelbige arbeit habe durch wieder aufflag/ guten leuten wollen mehr be-
kant machen. Daß alſo aus dieſem erhellet/ daß ich auch in dieſer abſonderlichen
abſicht daß den leuten vornehmlich nicht durch das geſetz ſondern das Evangelium
geholffen werden muͤſſe/ mit ihme einſtimme. Alſo was die abſonderliche grund-
lehren anlanget/ ſo darinnen getrieben werden/ pflichte ich ſolche allen von hertzen
bey. Als 1. daß uns die ſeligkeit hier bereits in dem reich der gnaden thaͤtlich ge-
ſchencket werde/ und wir alſo hier in dieſem leben ſelig ſeyn koͤnnen und ſollen/
ehe noch in jenen leben die ſeligkeit geoffenbahret werde in der herrlichkeit. 2. Daß
wir unſere ſeligk. einig u. allein aus dem glauben haben/ ſo wohl was das erſte em-
pfangen deroſelbẽ anlangt/ als das behalten. 3. Daß hingegen die wercke als fruͤch-
ten des glaubens allerdings nicht mit dem glauben zuvermiſchen ſeyen/ noch denſel-
ben einigerley maſſen etwas unſerer ſeligkeit zu geſchrieben werden moͤge. 4. Daß
wir ſolche ſeligkeit empfangen in unſerer tauff/ wie Pauli wort uns ſo deutlich davon
Tit. 3. berichten. 5. Daß die tauffe nicht allein ſehe auff die vorige und vergange-
ne ſondern auch kuͤnfftige ſuͤnden/ und alſo auff das gantze leben: alſo daß die ſuͤnde/
ſo ich heut begangen/ bereits in der tauff ver geben/ das iſt/ der grund gelegt worden/
auff welche ſolche vergebung beruhet. 6. Daß auch die buſſe nichts anders ſeye/
als eine wiederkehr zu der erſten tauff gnade/ das jenige wiederum in glauben an-
zunehmen/ was uns ſo bald erſtlich in der tauff war geſchencket und uͤberreichet/ von
uns aber etwa durch unglauben und boßheit wiederum verlohren worden. 7. Daß
der unglaube das haupt- und einige laſter ſey/ aus welchem alle andere laſter ent-
ſtehen. Wie unſer ſelige Lutherus ſo offt gezeiget/ daß eigentlich von dem letz-
ten zu reden/ der unglaube allein wuͤrcklich verdamme/ in deme alle andere laſter
nicht wuͤrden verdammen/ wo der menſch davon durch glauben ſich bekehret haͤtte.
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zu wege bringe/ ſondern daß ſolche ehre allein dem glauben gebuͤhre/ ſo viel mehr/
daß aus der groͤſſe der reue unſre ſeligkeit allerdings nicht komme. Wiewohl ſie

das
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[134/0152] Das ſechſte Capitel. nuͤß in ein und andern ſtuͤcken faſt angeſtoſſen/ alſo daß er hin und wieder von eini- gen leyden muͤſſen. Es hat aber folgends ein anderer frommer prediger Mart. Statius aus ſolchen ſcriptis Prætorianis dieſe materien ſehr fein unter dem nah- men geiſtliche ſchatzkam̃er der glaͤubigen extrahiret/ u. in einen annehmlichen erbaulichen methodum gebracht/ auch mit ziemlicher ſorgfalt die vornehmſte loca worinnen der gute Prætorius etwa zu weit gegangen/ ausgelaſſen/ und alſo eine vor fromme ſeelen erbauliche troͤſtliche arbeit verrichtet; Daher ich auch ſothanes opuſculũ Statii den jenigen welche ich darzu tuͤchtig finde/ zu ihrer erbauung off- ters recommendire/ und ziemlichen nutzen daraus zu haben nicht in abrede bin. Auß ſolchem wercklein Statii ſcheinet faſt dieſes gantze opuſculum extrahiret ſeyn. So handlet auch der fromme Cramerus in dieſen ſcriptis eben dieſelbe materien/ aber mit nochmehr behutſamkeit als Prætorius oder Statius. Aus welcher ur- ſach ich auch ſelbige arbeit habe durch wieder aufflag/ guten leuten wollen mehr be- kant machen. Daß alſo aus dieſem erhellet/ daß ich auch in dieſer abſonderlichen abſicht daß den leuten vornehmlich nicht durch das geſetz ſondern das Evangelium geholffen werden muͤſſe/ mit ihme einſtimme. Alſo was die abſonderliche grund- lehren anlanget/ ſo darinnen getrieben werden/ pflichte ich ſolche allen von hertzen bey. Als 1. daß uns die ſeligkeit hier bereits in dem reich der gnaden thaͤtlich ge- ſchencket werde/ und wir alſo hier in dieſem leben ſelig ſeyn koͤnnen und ſollen/ ehe noch in jenen leben die ſeligkeit geoffenbahret werde in der herrlichkeit. 2. Daß wir unſere ſeligk. einig u. allein aus dem glauben haben/ ſo wohl was das erſte em- pfangen deroſelbẽ anlangt/ als das behalten. 3. Daß hingegen die wercke als fruͤch- ten des glaubens allerdings nicht mit dem glauben zuvermiſchen ſeyen/ noch denſel- ben einigerley maſſen etwas unſerer ſeligkeit zu geſchrieben werden moͤge. 4. Daß wir ſolche ſeligkeit empfangen in unſerer tauff/ wie Pauli wort uns ſo deutlich davon Tit. 3. berichten. 5. Daß die tauffe nicht allein ſehe auff die vorige und vergange- ne ſondern auch kuͤnfftige ſuͤnden/ und alſo auff das gantze leben: alſo daß die ſuͤnde/ ſo ich heut begangen/ bereits in der tauff ver geben/ das iſt/ der grund gelegt worden/ auff welche ſolche vergebung beruhet. 6. Daß auch die buſſe nichts anders ſeye/ als eine wiederkehr zu der erſten tauff gnade/ das jenige wiederum in glauben an- zunehmen/ was uns ſo bald erſtlich in der tauff war geſchencket und uͤberreichet/ von uns aber etwa durch unglauben und boßheit wiederum verlohren worden. 7. Daß der unglaube das haupt- und einige laſter ſey/ aus welchem alle andere laſter ent- ſtehen. Wie unſer ſelige Lutherus ſo offt gezeiget/ daß eigentlich von dem letz- ten zu reden/ der unglaube allein wuͤrcklich verdamme/ in deme alle andere laſter nicht wuͤrden verdammen/ wo der menſch davon durch glauben ſich bekehret haͤtte. 8. Daß die reue der ſuͤnden dasjenige nicht ſeye/ ſo uns die vergebung der ſuͤnden zu wege bringe/ ſondern daß ſolche ehre allein dem glauben gebuͤhre/ ſo viel mehr/ daß aus der groͤſſe der reue unſre ſeligkeit allerdings nicht komme. Wiewohl ſie das

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/152>, abgerufen am 22.11.2024.