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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
bens: Welches wahrhafftig so bekant ins gemein nicht ist/ als das wort und auch
aus demselben unsre Libri Symbolici mit sich bringen. An widerwärtigen fehlets
freylich nicht. Und wie könte derjenige/ dessen reich abbruch geschihet/ dabey still
sitzen oder darzu schweigen? Er kan ja nicht anders als rumoren/ wo man ihm sei-
nen pallast angreiffet/ und alle seine werckzeuge wapnen gegen solche seine feinde.
Wie nun wir uns solches nicht befremden lassen dörffen/ als die wir wissen/ daß es
nicht anders seyn könne/ also ist nun diesesdas betrüblichste/ wo wir zu weilen sehen
müssen/ daß der teuffel so listig/ zu weilen auch einige sonst gute gemüther/ so
gar die amts halben das gute befördern solten/ vermittels allerhand calumnien so
er wissentlich auszubreiten weißt/ einnimmt/ daß sie sich unwissend und aus irrenden
eiffer dem guten widersetzen/ so sie nicht thun würden/ wo sie sich gnugsam von der
sachen bewandnüß unterrichtenliessen/ damit aber gleichwohl einige schuld vor Gott
auff sich laden dergleichen wir bey dem wenigen guten/ welches wir in einen schwachen
anfang allhier haben/ gnugsam erfahren/ wie nicht nur die böse sich mit einen rechten
wütenden grimm widersetzen/ sondern auch solche leute hin u. wieder sich durch die von
jenen ausgesprengten lästerungen einnehmen lassen/ von welchen sonsten zu hoffen
wäre/ das sie daß wahrhafftig erkante gute nicht boßhafftig anfeinden würden. Wie
wir aber der bösen zorn mit gedult zu tragen haben/ also haben wir auch mit sanfft-
muth anderer praeoccupiter unwillen und widrigkeit zutragen/ vor beide aber den
HERRN flehentlich zu bitten/ daß derselbe seine kräfftige gnade ihnen zu erken-
nen geben wolle/ was sie thun/ damit sie sich nicht gefährlicher als sie gedencken/ an-
stossen möchten. Es schriebe mir jüngsthin ein vornehmer berühmter Theolog.
und Gen. Superint. aus gelegenheit meines vor einem halben jahr publicirten
sendschreibens: Er habe in seinen durch GOttes güte nun 27. jährigen geistl.
verrichtungen keine gifftigere leute angemercket/ die dem wahren Christen-
thum so zu wider gewesen/ als die seines ordens gewesst.
Er wünschte/ daß
ich meines orts nicht dergleichen erfahren müsste. Mein gewissen gibt mir vor
GOTT zeugnüß/ daß ich in meinen amt nicht anders suche/ als daß das wahre
Christenthum/ so unter dem gemeinen heuchelwesen und einbildung des operis o-
perati
fast nicht mehr zu erkennen ist/ bey meiner gemeinde und durch anderer treu-
en dienst auch aller orten vermittels göttlichen segens auffgerichtet werde; Da-
hin trachte ich durch die lehre/ in dero ich den articul der rechtfertigung allein aus
dem glauben ernstlich treibe/ aber allzeit den glauben also beschreibe/ daß niemand
seine fleischliche einbildung vor einen göttlichen glauben halten/ und sich daraus sei-
ne seligkeit versprechen möge. Solches thut sichern hertzen sehr wehe/ wo ihnen das
sansste küssen/ auff dem sie ihr ewiges heil gern verschlaffen wolten/ unter dem kopff
vorgezogen wird/ wie sie dann die überzeugung ihrer hertzen nicht leugnen können/
sondern dardurch unruhig werden. Wolte GOTT es würde solches wort den
meisten ein geruch des lebens zun leben/ wohin es bey allen gemeinet/ und nicht bey so

vielen

Das ſechſte Capitel.
bens: Welches wahrhafftig ſo bekant ins gemein nicht iſt/ als das wort und auch
aus demſelben unſre Libri Symbolici mit ſich bringen. An widerwaͤrtigen fehlets
freylich nicht. Und wie koͤnte derjenige/ deſſen reich abbruch geſchihet/ dabey ſtill
ſitzen oder darzu ſchweigen? Er kan ja nicht anders als rumoren/ wo man ihm ſei-
nen pallaſt angreiffet/ und alle ſeine werckzeuge wapnen gegen ſolche ſeine feinde.
Wie nun wir uns ſolches nicht befremden laſſen doͤrffen/ als die wir wiſſen/ daß es
nicht anders ſeyn koͤnne/ alſo iſt nun dieſesdas betruͤblichſte/ wo wir zu weilen ſehen
muͤſſen/ daß der teuffel ſo liſtig/ zu weilen auch einige ſonſt gute gemuͤther/ ſo
gar die amts halben das gute befoͤrdern ſolten/ vermittels allerhand calumnien ſo
er wiſſentlich auszubreiten weißt/ einnimmt/ daß ſie ſich unwiſſend und aus irrenden
eiffer dem guten widerſetzen/ ſo ſie nicht thun wuͤrden/ wo ſie ſich gnugſam von der
ſachen bewandnuͤß unterrichtenlieſſen/ damit aber gleichwohl einige ſchuld vor Gott
auff ſich laden dergleichen wir bey dem wenigẽ guten/ welches wir in einen ſchwachẽ
anfang allhier haben/ gnugſam erfahꝛen/ wie nicht nur die boͤſe ſich mit einen rechten
wuͤtenden grim̃ widerſetzen/ ſondern auch ſolche leute hin u. wieder ſich durch die von
jenen ausgeſprengten laͤſterungen einnehmen laſſen/ von welchen ſonſten zu hoffen
waͤre/ das ſie daß wahꝛhafftig erkante gute nicht boßhafftig anfeinden wuͤrden. Wie
wir aber der boͤſen zorn mit gedult zu tragen haben/ alſo haben wir auch mit ſanfft-
muth anderer præoccupiter unwillen und widrigkeit zutragen/ vor beide aber den
HERRN flehentlich zu bitten/ daß derſelbe ſeine kraͤfftige gnade ihnen zu erken-
nen geben wolle/ was ſie thun/ damit ſie ſich nicht gefaͤhrlicher als ſie gedencken/ an-
ſtoſſen moͤchten. Es ſchriebe mir juͤngſthin ein vornehmer beruͤhmter Theolog.
und Gen. Superint. aus gelegenheit meines vor einem halben jahr publicirten
ſendſchreibens: Er habe in ſeinen durch GOttes guͤte nun 27. jaͤhrigen geiſtl.
verrichtungen keine gifftigere leute angemercket/ die dem wahren Chriſten-
thum ſo zu wider geweſen/ als die ſeines ordens geweſſt.
Er wuͤnſchte/ daß
ich meines orts nicht dergleichen erfahren muͤſſte. Mein gewiſſen gibt mir vor
GOTT zeugnuͤß/ daß ich in meinen amt nicht anders ſuche/ als daß das wahre
Chriſtenthum/ ſo unter dem gemeinen heuchelweſen und einbildung des operis o-
perati
faſt nicht mehr zu erkennen iſt/ bey meiner gemeinde und durch anderer treu-
en dienſt auch aller orten vermittels goͤttlichen ſegens auffgerichtet werde; Da-
hin trachte ich durch die lehre/ in dero ich den articul der rechtfertigung allein aus
dem glauben ernſtlich treibe/ aber allzeit den glauben alſo beſchreibe/ daß niemand
ſeine fleiſchliche einbildung vor einen goͤttlichen glauben halten/ und ſich daraus ſei-
ne ſeligkeit verſprechen moͤge. Solches thut ſichern hertzen ſehr wehe/ wo ihnen das
ſanſſte kuͤſſen/ auff dem ſie ihr ewiges heil gern verſchlaffen wolten/ unter dem kopff
vorgezogen wird/ wie ſie dann die uͤberzeugung ihrer hertzen nicht leugnen koͤnnen/
ſondern dardurch unruhig werden. Wolte GOTT es wuͤrde ſolches wort den
meiſten ein geruch des lebens zun leben/ wohin es bey allen gemeinet/ und nicht bey ſo

vielen
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[214/0232] Das ſechſte Capitel. bens: Welches wahrhafftig ſo bekant ins gemein nicht iſt/ als das wort und auch aus demſelben unſre Libri Symbolici mit ſich bringen. An widerwaͤrtigen fehlets freylich nicht. Und wie koͤnte derjenige/ deſſen reich abbruch geſchihet/ dabey ſtill ſitzen oder darzu ſchweigen? Er kan ja nicht anders als rumoren/ wo man ihm ſei- nen pallaſt angreiffet/ und alle ſeine werckzeuge wapnen gegen ſolche ſeine feinde. Wie nun wir uns ſolches nicht befremden laſſen doͤrffen/ als die wir wiſſen/ daß es nicht anders ſeyn koͤnne/ alſo iſt nun dieſesdas betruͤblichſte/ wo wir zu weilen ſehen muͤſſen/ daß der teuffel ſo liſtig/ zu weilen auch einige ſonſt gute gemuͤther/ ſo gar die amts halben das gute befoͤrdern ſolten/ vermittels allerhand calumnien ſo er wiſſentlich auszubreiten weißt/ einnimmt/ daß ſie ſich unwiſſend und aus irrenden eiffer dem guten widerſetzen/ ſo ſie nicht thun wuͤrden/ wo ſie ſich gnugſam von der ſachen bewandnuͤß unterrichtenlieſſen/ damit aber gleichwohl einige ſchuld vor Gott auff ſich laden dergleichen wir bey dem wenigẽ guten/ welches wir in einen ſchwachẽ anfang allhier haben/ gnugſam erfahꝛen/ wie nicht nur die boͤſe ſich mit einen rechten wuͤtenden grim̃ widerſetzen/ ſondern auch ſolche leute hin u. wieder ſich durch die von jenen ausgeſprengten laͤſterungen einnehmen laſſen/ von welchen ſonſten zu hoffen waͤre/ das ſie daß wahꝛhafftig erkante gute nicht boßhafftig anfeinden wuͤrden. Wie wir aber der boͤſen zorn mit gedult zu tragen haben/ alſo haben wir auch mit ſanfft- muth anderer præoccupiter unwillen und widrigkeit zutragen/ vor beide aber den HERRN flehentlich zu bitten/ daß derſelbe ſeine kraͤfftige gnade ihnen zu erken- nen geben wolle/ was ſie thun/ damit ſie ſich nicht gefaͤhrlicher als ſie gedencken/ an- ſtoſſen moͤchten. Es ſchriebe mir juͤngſthin ein vornehmer beruͤhmter Theolog. und Gen. Superint. aus gelegenheit meines vor einem halben jahr publicirten ſendſchreibens: Er habe in ſeinen durch GOttes guͤte nun 27. jaͤhrigen geiſtl. verrichtungen keine gifftigere leute angemercket/ die dem wahren Chriſten- thum ſo zu wider geweſen/ als die ſeines ordens geweſſt. Er wuͤnſchte/ daß ich meines orts nicht dergleichen erfahren muͤſſte. Mein gewiſſen gibt mir vor GOTT zeugnuͤß/ daß ich in meinen amt nicht anders ſuche/ als daß das wahre Chriſtenthum/ ſo unter dem gemeinen heuchelweſen und einbildung des operis o- perati faſt nicht mehr zu erkennen iſt/ bey meiner gemeinde und durch anderer treu- en dienſt auch aller orten vermittels goͤttlichen ſegens auffgerichtet werde; Da- hin trachte ich durch die lehre/ in dero ich den articul der rechtfertigung allein aus dem glauben ernſtlich treibe/ aber allzeit den glauben alſo beſchreibe/ daß niemand ſeine fleiſchliche einbildung vor einen goͤttlichen glauben halten/ und ſich daraus ſei- ne ſeligkeit verſprechen moͤge. Solches thut ſichern hertzen ſehr wehe/ wo ihnen das ſanſſte kuͤſſen/ auff dem ſie ihr ewiges heil gern verſchlaffen wolten/ unter dem kopff vorgezogen wird/ wie ſie dann die uͤberzeugung ihrer hertzen nicht leugnen koͤnnen/ ſondern dardurch unruhig werden. Wolte GOTT es wuͤrde ſolches wort den meiſten ein geruch des lebens zun leben/ wohin es bey allen gemeinet/ und nicht bey ſo vielen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/232>, abgerufen am 21.11.2024.