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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVII.
SECTIO XXVII.

Mein collegium pietatis. Kriegsmannes Sym-
phonesis.
Darmstatrisches ausschreiben. Starcke bewe-
gung in den hertzen zu dieser zeit. Schlesische
kirche.

ZUm allerfördersten bedancke mich hertzlich vor den Christlichen neujahrs-
wunsch. Der HErr der zeit und ewigkeit verleyhe uns allerseits seine
kräfftige gnad/ der hinfließenden tage und jahre uns also in seiner forcht und
glaubigen gehorsam zu gebrauchen/ daß die immer herzunahende ewigkeit uns oh-
ne ende erfreuen möge; dazu lasse er mit jeglicher erneurung der zeit/ das füncklein
der ewigkeit/ unsere seele/ erneuert/ und mehr und mehr von aller anklebenden be-
fleckung dieser zeitligkeit gereiniget werden. Meine hie haltende haußübung/ oder
also nennendes collegium pietatis/ so in dem bekanten send-schreiben beschrie-
ben/ hat bisher noch die vorige fata, das es von einigen gottseligen gerühmet/ und
auch anderwertlichen gewünschet/ von den jenigen/ welche es besuchen mit zimlicher
erbauung gebrauchet/ aber von widrig gesinneten noch stätig angefochten wird.
Offentlich hat noch niemand darwider geschrieben/ aber die viele hin und hergehen-
de erzehlungen/ verläumdungen/ und daraus entstehende ungleiche judicia sind
nicht hieher zu setzen. Es ist sich zuverwundern/ das der böse feind noch so unver-
schämt seyn mag/ eine solche sache dermassen zu verlästern und allerhand davon aus-
zusprengen/ was doch ob schon nichts in publico loco, jedoch in gegenwart aller
derer/ die dabey beliebet zu seyn gehalten wird: Massen dann so wohl Gräfliche
stands-personen/ als Käyserliche Königliche/ Chur- und Fürstliche/ Gräfliche
Ministri und Räthe/ wie nicht weniger Professores, Superintendenten und an-
dere fremde Prediger solches offters frequentiret, und selbst den augenschein ein-
genommen haben/ dahero zeugnüß geben können/ was sie gehöret und gesehen.
Dessen wir uns allhie im geringsten nicht scheuen/ alß die wir vor ein geringes
achten/ in der welt unsers thuns halben offenbahr zu werden/ die wir doch deswe-
gen auch vor GOtt offenbahr werden sollen. Es ist einmahl die liebe der Christen
liberal und von unserm Heyland selbst angedeutete eigenschafft/ solche er fordert ei-
ne mehrere zusammenthuung/ als wir leyder insgemein unter uns sehen. Dann
weil wir einander nicht mehr lieben sollen/ als menschen/ also muß unsere liebe auch
nicht nur bestehen in den jenigen officiis, welche zu dieses menschlichen lebens noth-
durfft gehören/ sondern nach dem wir auch als Christen in einer gemeinschafft der
heiligen stehen/ welche wir in dem Apostolischen glauben bekennen/ so solle unsere

lie-
ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVII.
SECTIO XXVII.

Mein collegium pietatis. Kriegsmannes Sym-
phoneſis.
Darmſtatriſches ausſchreiben. Starcke bewe-
gung in den hertzen zu dieſer zeit. Schleſiſche
kirche.

ZUm allerfoͤrderſten bedancke mich hertzlich vor den Chriſtlichen neujahrs-
wunſch. Der HErr der zeit und ewigkeit verleyhe uns allerſeits ſeine
kraͤfftige gnad/ der hinfließenden tage und jahre uns alſo in ſeiner forcht und
glaubigen gehorſam zu gebrauchen/ daß die immer herzunahende ewigkeit uns oh-
ne ende erfreuen moͤge; dazu laſſe er mit jeglicher erneurung der zeit/ das fuͤncklein
der ewigkeit/ unſere ſeele/ erneuert/ und mehr und mehr von aller anklebenden be-
fleckung dieſer zeitligkeit gereiniget werden. Meine hie haltende haußuͤbung/ oder
alſo nennendes collegium pietatis/ ſo in dem bekanten ſend-ſchreiben beſchrie-
ben/ hat bisher noch die vorige fata, das es von einigen gottſeligen geruͤhmet/ und
auch anderwertlichen gewuͤnſchet/ von den jenigen/ welche es beſuchen mit zimlicher
erbauung gebrauchet/ aber von widrig geſinneten noch ſtaͤtig angefochten wird.
Offentlich hat noch niemand darwider geſchrieben/ aber die viele hin und hergehen-
de erzehlungen/ verlaͤumdungen/ und daraus entſtehende ungleiche judicia ſind
nicht hieher zu ſetzen. Es iſt ſich zuverwundern/ das der boͤſe feind noch ſo unver-
ſchaͤmt ſeyn mag/ eine ſolche ſache dermaſſen zu verlaͤſtern und allerhand davon aus-
zuſprengen/ was doch ob ſchon nichts in publico loco, jedoch in gegenwart aller
derer/ die dabey beliebet zu ſeyn gehalten wird: Maſſen dann ſo wohl Graͤfliche
ſtands-perſonen/ als Kaͤyſerliche Koͤnigliche/ Chur- und Fuͤrſtliche/ Graͤfliche
Miniſtri und Raͤthe/ wie nicht weniger Profeſſores, Superintendenten und an-
dere fremde Prediger ſolches offters frequentiret, und ſelbſt den augenſchein ein-
genommen haben/ dahero zeugnuͤß geben koͤnnen/ was ſie gehoͤret und geſehen.
Deſſen wir uns allhie im geringſten nicht ſcheuen/ alß die wir vor ein geringes
achten/ in der welt unſers thuns halben offenbahr zu werden/ die wir doch deswe-
gen auch vor GOtt offenbahr werden ſollen. Es iſt einmahl die liebe der Chriſten
liberal und von unſerm Heyland ſelbſt angedeutete eigenſchafft/ ſolche er fordert ei-
ne mehrere zuſammenthuung/ als wir leyder insgemein unter uns ſehen. Dann
weil wir einander nicht mehr lieben ſollen/ als menſchen/ alſo muß unſere liebe auch
nicht nur beſtehen in den jenigen officiis, welche zu dieſes menſchlichen lebens noth-
durfft gehoͤren/ ſondern nach dem wir auch als Chriſten in einer gemeinſchafft der
heiligen ſtehen/ welche wir in dem Apoſtoliſchen glauben bekennen/ ſo ſolle unſere

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[223/0241] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVII. SECTIO XXVII. Mein collegium pietatis. Kriegsmannes Sym- phoneſis. Darmſtatriſches ausſchreiben. Starcke bewe- gung in den hertzen zu dieſer zeit. Schleſiſche kirche. ZUm allerfoͤrderſten bedancke mich hertzlich vor den Chriſtlichen neujahrs- wunſch. Der HErr der zeit und ewigkeit verleyhe uns allerſeits ſeine kraͤfftige gnad/ der hinfließenden tage und jahre uns alſo in ſeiner forcht und glaubigen gehorſam zu gebrauchen/ daß die immer herzunahende ewigkeit uns oh- ne ende erfreuen moͤge; dazu laſſe er mit jeglicher erneurung der zeit/ das fuͤncklein der ewigkeit/ unſere ſeele/ erneuert/ und mehr und mehr von aller anklebenden be- fleckung dieſer zeitligkeit gereiniget werden. Meine hie haltende haußuͤbung/ oder alſo nennendes collegium pietatis/ ſo in dem bekanten ſend-ſchreiben beſchrie- ben/ hat bisher noch die vorige fata, das es von einigen gottſeligen geruͤhmet/ und auch anderwertlichen gewuͤnſchet/ von den jenigen/ welche es beſuchen mit zimlicher erbauung gebrauchet/ aber von widrig geſinneten noch ſtaͤtig angefochten wird. Offentlich hat noch niemand darwider geſchrieben/ aber die viele hin und hergehen- de erzehlungen/ verlaͤumdungen/ und daraus entſtehende ungleiche judicia ſind nicht hieher zu ſetzen. Es iſt ſich zuverwundern/ das der boͤſe feind noch ſo unver- ſchaͤmt ſeyn mag/ eine ſolche ſache dermaſſen zu verlaͤſtern und allerhand davon aus- zuſprengen/ was doch ob ſchon nichts in publico loco, jedoch in gegenwart aller derer/ die dabey beliebet zu ſeyn gehalten wird: Maſſen dann ſo wohl Graͤfliche ſtands-perſonen/ als Kaͤyſerliche Koͤnigliche/ Chur- und Fuͤrſtliche/ Graͤfliche Miniſtri und Raͤthe/ wie nicht weniger Profeſſores, Superintendenten und an- dere fremde Prediger ſolches offters frequentiret, und ſelbſt den augenſchein ein- genommen haben/ dahero zeugnuͤß geben koͤnnen/ was ſie gehoͤret und geſehen. Deſſen wir uns allhie im geringſten nicht ſcheuen/ alß die wir vor ein geringes achten/ in der welt unſers thuns halben offenbahr zu werden/ die wir doch deswe- gen auch vor GOtt offenbahr werden ſollen. Es iſt einmahl die liebe der Chriſten liberal und von unſerm Heyland ſelbſt angedeutete eigenſchafft/ ſolche er fordert ei- ne mehrere zuſammenthuung/ als wir leyder insgemein unter uns ſehen. Dann weil wir einander nicht mehr lieben ſollen/ als menſchen/ alſo muß unſere liebe auch nicht nur beſtehen in den jenigen officiis, welche zu dieſes menſchlichen lebens noth- durfft gehoͤren/ ſondern nach dem wir auch als Chriſten in einer gemeinſchafft der heiligen ſtehen/ welche wir in dem Apoſtoliſchen glauben bekennen/ ſo ſolle unſere lie-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/241>, abgerufen am 21.11.2024.