Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Capitel.
motiva sein möchte/ geschehen/ nicht aber bloß allein aus dem vertrauen auff
Christum/ und begierde diesem theuer verdienten Heyland widerum danckbar
zu werden/ solche seyen vor GOtt keine gute werck. Und habe ich durch Got-
tes gnade nechst der schrifft aus den theuern Luthero gelernet/ was da sey die werck
aus dem gesetz treiben/ oder den glauben in das hertz zu einer wurtzel des gu-
ten zusetzen/ deren jene nichts anders als erzwungen/ diese aber recht gute
werck seyn. So hoffe ich/ daß meine fleißige zuhörer/ und die mit bedacht
meine schrifften lesen/ klar finden werden/ daß dieser letzte methodus von mir
vornehmlich gebraucht werde; daß die glaubens-lehren alle unnützlich wären/
wo nicht zu vor die lebens-lehr in Christo getrieben werde/ ist eine unziehmli-
che verträhung meiner p. 30. 31. gebrauchten wort/ dero verstand doch so deut-
lich vor augen liget/ und in dem folgenden erkläret wird/ ich sage nicht/ alle
glaubens-lehr seye unnützlich vor der lebens-lehr: sondern ich zeige die rechte
grundlehr seye das verdienst CHristi/ wie es uns die vergebung der sünden
und das heil gebe/ und dann uns zur absterbung der sünden bringe. Gehet
dann damit nicht der articul von der gnade GOttes von der rechtfertigung/
und was an solchen articulen nothwendig hänget voran/ und folget darauf
die krafft desselben von der heiligung? Heisset dann dieses die glaubens-
lehr nachsetzen? Ehe aber diese articul recht gefasset werden/ und wo der
mensch denselbigen nicht bey sich platz gibt/ mit gläubiger ergreiffung der an-
erbotenen güter/ und annehmung derselben kräfftiger fernerer würckung/ so
mögen die übrige glaubenslehren/ ob ich dieses oder jenes von jeden articul
glaube/ oder nicht glaube/ mich noch bey weitem nicht selig machen. So se-
tze ich glauben und leben in rechter ordnung beysammen/ und unterscheide sie
doch auch geziehmlich. Endlich den Johann von Labadie betreffend/ kan ich
nicht anders von ihn urtheilen/ alß nach meinem gewissen/ daß ich eines theils
einiges gutes auch an meinem feind lobe/ wie wir ja andern Papisten/ auch
Reformirten und dergleichen dasjenige nicht nehmen/ was wir gutes an ihnen se-
hen/ ob wir wohl mit ihnen in der religion nichts zuschaffen haben: andern
theils von dingen/ dero völlige beschaffenheit mir nicht bekant ist/ ohne dazu-
habenden beruff/ nicht urtheile/ sondern Gott und denjenigen/ die mehrern
und gründlichern bericht von allem haben/ dasjenige überlasse/ was mich nicht
angehet. Labadie ist nie unserer kirchen glied gewesen/ so meine auch nicht/
das er deroselben einigen schaden zugefügt. Was über ihn zu klagen ist/
mögten sonderlich die Reformirte thun/ dero kirche von ihm nicht wenig un-
gelegenheit gehabt/ darvon ich aber allezeit darvor gehalten/ daß dasselbe uns
etwa eher vortheil alß nachtheil bringen möchte. Dieses ists also/ was mei-
nem Grgstl. Hochgl. Hr. auf sein freundliches verlangen von punct zu punct

antwor-

Das ſechſte Capitel.
motiva ſein moͤchte/ geſchehen/ nicht aber bloß allein aus dem vertrauen auff
Chriſtum/ und begierde dieſem theuer verdienten Heyland widerum danckbar
zu werden/ ſolche ſeyen vor GOtt keine gute werck. Und habe ich durch Got-
tes gnade nechſt der ſchrifft aus den theuern Luthero gelernet/ was da ſey die werck
aus dem geſetz treiben/ oder den glauben in das hertz zu einer wurtzel des gu-
ten zuſetzen/ deren jene nichts anders als erzwungen/ dieſe aber recht gute
werck ſeyn. So hoffe ich/ daß meine fleißige zuhoͤrer/ und die mit bedacht
meine ſchrifften leſen/ klar finden werden/ daß dieſer letzte methodus von mir
vornehmlich gebraucht werde; daß die glaubens-lehren alle unnuͤtzlich waͤren/
wo nicht zu vor die lebens-lehr in Chriſto getrieben werde/ iſt eine unziehmli-
che vertraͤhung meiner p. 30. 31. gebrauchten wort/ dero verſtand doch ſo deut-
lich vor augen liget/ und in dem folgenden erklaͤret wird/ ich ſage nicht/ alle
glaubens-lehr ſeye unnuͤtzlich vor der lebens-lehr: ſondern ich zeige die rechte
grundlehr ſeye das verdienſt CHriſti/ wie es uns die vergebung der ſuͤnden
und das heil gebe/ und dann uns zur abſterbung der ſuͤnden bringe. Gehet
dann damit nicht der articul von der gnade GOttes von der rechtfertigung/
und was an ſolchen articulen nothwendig haͤnget voran/ und folget darauf
die krafft deſſelben von der heiligung? Heiſſet dann dieſes die glaubens-
lehr nachſetzen? Ehe aber dieſe articul recht gefaſſet werden/ und wo der
menſch denſelbigen nicht bey ſich platz gibt/ mit glaͤubiger ergreiffung der an-
erbotenen guͤter/ und annehmung derſelben kraͤfftiger fernerer wuͤrckung/ ſo
moͤgen die uͤbrige glaubenslehren/ ob ich dieſes oder jenes von jeden articul
glaube/ oder nicht glaube/ mich noch bey weitem nicht ſelig machen. So ſe-
tze ich glauben und leben in rechter ordnung beyſammen/ und unterſcheide ſie
doch auch geziehmlich. Endlich den Johann von Labadie betreffend/ kan ich
nicht anders von ihn urtheilen/ alß nach meinem gewiſſen/ daß ich eines theils
einiges gutes auch an meinem feind lobe/ wie wir ja andern Papiſten/ auch
Reformirten und dergleichen dasjenige nicht nehmen/ was wir gutes an ihnen ſe-
hen/ ob wir wohl mit ihnen in der religion nichts zuſchaffen haben: andern
theils von dingen/ dero voͤllige beſchaffenheit mir nicht bekant iſt/ ohne dazu-
habenden beruff/ nicht urtheile/ ſondern Gott und denjenigen/ die mehrern
und gruͤndlichern bericht von allem haben/ dasjenige uͤberlaſſe/ was mich nicht
angehet. Labadie iſt nie unſerer kirchen glied geweſen/ ſo meine auch nicht/
das er deroſelben einigen ſchaden zugefuͤgt. Was uͤber ihn zu klagen iſt/
moͤgten ſonderlich die Reformirte thun/ dero kirche von ihm nicht wenig un-
gelegenheit gehabt/ darvon ich aber allezeit darvor gehalten/ daß daſſelbe uns
etwa eher vortheil alß nachtheil bringen moͤchte. Dieſes iſts alſo/ was mei-
nem Grgſtl. Hochgl. Hr. auf ſein freundliches verlangen von punct zu punct

antwor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0380" n="362"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">motiva</hi> &#x017F;ein mo&#x0364;chte/ ge&#x017F;chehen/ nicht aber bloß allein aus dem vertrauen auff<lb/>
Chri&#x017F;tum/ und begierde die&#x017F;em theuer verdienten Heyland widerum danckbar<lb/>
zu werden/ &#x017F;olche &#x017F;eyen vor GOtt keine gute werck. Und habe ich durch Got-<lb/>
tes gnade nech&#x017F;t der &#x017F;chrifft aus den theuern Luthero gelernet/ was da &#x017F;ey die werck<lb/>
aus dem ge&#x017F;etz treiben/ oder den glauben in das hertz zu einer wurtzel des gu-<lb/>
ten zu&#x017F;etzen/ deren jene nichts anders als erzwungen/ die&#x017F;e aber recht gute<lb/>
werck &#x017F;eyn. So hoffe ich/ daß meine fleißige zuho&#x0364;rer/ und die mit bedacht<lb/>
meine &#x017F;chrifften le&#x017F;en/ klar finden werden/ daß die&#x017F;er letzte <hi rendition="#aq">methodus</hi> von mir<lb/>
vornehmlich gebraucht werde; daß die glaubens-lehren alle unnu&#x0364;tzlich wa&#x0364;ren/<lb/>
wo nicht zu vor die lebens-lehr in Chri&#x017F;to getrieben werde/ i&#x017F;t eine unziehmli-<lb/>
che vertra&#x0364;hung meiner <hi rendition="#aq">p. 30. 31.</hi> gebrauchten wort/ dero ver&#x017F;tand doch &#x017F;o deut-<lb/>
lich vor augen liget/ und in dem folgenden erkla&#x0364;ret wird/ ich &#x017F;age nicht/ alle<lb/>
glaubens-lehr &#x017F;eye unnu&#x0364;tzlich vor der lebens-lehr: &#x017F;ondern ich zeige die rechte<lb/>
grundlehr &#x017F;eye das verdien&#x017F;t CHri&#x017F;ti/ wie es uns die vergebung der &#x017F;u&#x0364;nden<lb/>
und das heil gebe/ und dann uns zur ab&#x017F;terbung der &#x017F;u&#x0364;nden bringe. Gehet<lb/>
dann damit nicht der articul von der gnade GOttes von der rechtfertigung/<lb/>
und was an &#x017F;olchen articulen nothwendig ha&#x0364;nget voran/ und folget darauf<lb/>
die krafft de&#x017F;&#x017F;elben von der heiligung? Hei&#x017F;&#x017F;et dann die&#x017F;es die glaubens-<lb/>
lehr nach&#x017F;etzen? Ehe aber die&#x017F;e articul recht gefa&#x017F;&#x017F;et werden/ und wo der<lb/>
men&#x017F;ch den&#x017F;elbigen nicht bey &#x017F;ich platz gibt/ mit gla&#x0364;ubiger ergreiffung der an-<lb/>
erbotenen gu&#x0364;ter/ und annehmung der&#x017F;elben kra&#x0364;fftiger fernerer wu&#x0364;rckung/ &#x017F;o<lb/>
mo&#x0364;gen die u&#x0364;brige glaubenslehren/ ob ich die&#x017F;es oder jenes von jeden articul<lb/>
glaube/ oder nicht glaube/ mich noch bey weitem nicht &#x017F;elig machen. So &#x017F;e-<lb/>
tze ich glauben und leben in rechter ordnung bey&#x017F;ammen/ und unter&#x017F;cheide &#x017F;ie<lb/>
doch auch geziehmlich. Endlich den Johann von <hi rendition="#aq">Labadie</hi> betreffend/ kan ich<lb/>
nicht anders von ihn urtheilen/ alß nach meinem gewi&#x017F;&#x017F;en/ daß ich eines theils<lb/>
einiges gutes auch an meinem feind lobe/ wie wir ja andern Papi&#x017F;ten/ auch<lb/><hi rendition="#aq">Reformir</hi>ten und dergleichen dasjenige nicht nehmen/ was wir gutes an ihnen &#x017F;e-<lb/>
hen/ ob wir wohl mit ihnen in der religion nichts zu&#x017F;chaffen haben: andern<lb/>
theils von dingen/ dero vo&#x0364;llige be&#x017F;chaffenheit mir nicht bekant i&#x017F;t/ ohne dazu-<lb/>
habenden beruff/ nicht urtheile/ &#x017F;ondern Gott und denjenigen/ die mehrern<lb/>
und gru&#x0364;ndlichern bericht von allem haben/ dasjenige u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e/ was mich nicht<lb/>
angehet. <hi rendition="#aq">Labadie</hi> i&#x017F;t nie un&#x017F;erer kirchen glied gewe&#x017F;en/ &#x017F;o meine auch nicht/<lb/>
das er dero&#x017F;elben einigen &#x017F;chaden zugefu&#x0364;gt. Was u&#x0364;ber ihn zu klagen i&#x017F;t/<lb/>
mo&#x0364;gten &#x017F;onderlich die <hi rendition="#aq">Reformir</hi>te thun/ dero kirche von ihm nicht wenig un-<lb/>
gelegenheit gehabt/ darvon ich aber allezeit darvor gehalten/ daß da&#x017F;&#x017F;elbe uns<lb/>
etwa eher vortheil alß nachtheil bringen mo&#x0364;chte. Die&#x017F;es i&#x017F;ts al&#x017F;o/ was mei-<lb/>
nem Grg&#x017F;tl. Hochgl. Hr. auf &#x017F;ein freundliches verlangen von punct zu punct<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">antwor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0380] Das ſechſte Capitel. motiva ſein moͤchte/ geſchehen/ nicht aber bloß allein aus dem vertrauen auff Chriſtum/ und begierde dieſem theuer verdienten Heyland widerum danckbar zu werden/ ſolche ſeyen vor GOtt keine gute werck. Und habe ich durch Got- tes gnade nechſt der ſchrifft aus den theuern Luthero gelernet/ was da ſey die werck aus dem geſetz treiben/ oder den glauben in das hertz zu einer wurtzel des gu- ten zuſetzen/ deren jene nichts anders als erzwungen/ dieſe aber recht gute werck ſeyn. So hoffe ich/ daß meine fleißige zuhoͤrer/ und die mit bedacht meine ſchrifften leſen/ klar finden werden/ daß dieſer letzte methodus von mir vornehmlich gebraucht werde; daß die glaubens-lehren alle unnuͤtzlich waͤren/ wo nicht zu vor die lebens-lehr in Chriſto getrieben werde/ iſt eine unziehmli- che vertraͤhung meiner p. 30. 31. gebrauchten wort/ dero verſtand doch ſo deut- lich vor augen liget/ und in dem folgenden erklaͤret wird/ ich ſage nicht/ alle glaubens-lehr ſeye unnuͤtzlich vor der lebens-lehr: ſondern ich zeige die rechte grundlehr ſeye das verdienſt CHriſti/ wie es uns die vergebung der ſuͤnden und das heil gebe/ und dann uns zur abſterbung der ſuͤnden bringe. Gehet dann damit nicht der articul von der gnade GOttes von der rechtfertigung/ und was an ſolchen articulen nothwendig haͤnget voran/ und folget darauf die krafft deſſelben von der heiligung? Heiſſet dann dieſes die glaubens- lehr nachſetzen? Ehe aber dieſe articul recht gefaſſet werden/ und wo der menſch denſelbigen nicht bey ſich platz gibt/ mit glaͤubiger ergreiffung der an- erbotenen guͤter/ und annehmung derſelben kraͤfftiger fernerer wuͤrckung/ ſo moͤgen die uͤbrige glaubenslehren/ ob ich dieſes oder jenes von jeden articul glaube/ oder nicht glaube/ mich noch bey weitem nicht ſelig machen. So ſe- tze ich glauben und leben in rechter ordnung beyſammen/ und unterſcheide ſie doch auch geziehmlich. Endlich den Johann von Labadie betreffend/ kan ich nicht anders von ihn urtheilen/ alß nach meinem gewiſſen/ daß ich eines theils einiges gutes auch an meinem feind lobe/ wie wir ja andern Papiſten/ auch Reformirten und dergleichen dasjenige nicht nehmen/ was wir gutes an ihnen ſe- hen/ ob wir wohl mit ihnen in der religion nichts zuſchaffen haben: andern theils von dingen/ dero voͤllige beſchaffenheit mir nicht bekant iſt/ ohne dazu- habenden beruff/ nicht urtheile/ ſondern Gott und denjenigen/ die mehrern und gruͤndlichern bericht von allem haben/ dasjenige uͤberlaſſe/ was mich nicht angehet. Labadie iſt nie unſerer kirchen glied geweſen/ ſo meine auch nicht/ das er deroſelben einigen ſchaden zugefuͤgt. Was uͤber ihn zu klagen iſt/ moͤgten ſonderlich die Reformirte thun/ dero kirche von ihm nicht wenig un- gelegenheit gehabt/ darvon ich aber allezeit darvor gehalten/ daß daſſelbe uns etwa eher vortheil alß nachtheil bringen moͤchte. Dieſes iſts alſo/ was mei- nem Grgſtl. Hochgl. Hr. auf ſein freundliches verlangen von punct zu punct antwor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/380
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/380>, abgerufen am 22.11.2024.