Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X. fangende Gerichte Gottes unwissend in das werck setze. Mit solchem feuerder trübsal mögen die schlacken bey uns ausgebrandt/ was aber gutes gold ist herrlich geleutert/ das ist die maulchristen hingerissen/ oder durch den ab- fall aus unsere gemeinschafft ausgewiesen/ die wenige übrige rechtschaffene aber so viel herrlicher gestärckt/ und das gute des HErrn nachmahl zusehen erhalten werden. Dann ob ein König von Babel das Jerusalem einnimt/ so bleibet doch noch ein Jeremias/ Varuch/ Ebedmelech und andere dem HErrn bekante gläubige übrig/ die nach ihrem eusserlichen Menschen an dem eusserlichen trübsaal theil haben/ aber vielmehr nutzen als schaden davon erlan- gen/ und damit mag Babel vollends das maaß seiner sünden erfüllen/ daß der Tag des zorns dasselbige plötzlich überfalle/ mitten in dem so scheinenden glücklichsten lauff seiner siege wider das volck GOttes/ dessen übrige die ge- rechtigkeit ihres Gottes und seine güte preisen werden. Diese dinge/ wo wir etwas genauer alle umstände unserer zeit erwegen/ sind also bewandt/ daß wir auch so gar fast mit menschlichen augen ansehen/ wie sich alles zu solcher vollstreckung deß raths Gottes schicke/ und in kirchen und policey wesen gleich- sam die vorbereitung dazu geschehen/ da auch vernünfftige vieles dessen was geschehen mag bereits erkennen mögen. So vielmehr die jenige welche mit gläubigen augen in die Göttliche gerechtigkeit und gütigkeit einen blick thun. Jn einer solchen zeit stehen wir/ welches ins gemein damit über einkomt/ was ich sehe/ das derselbe auch erkennet/ und ich wünschte/ daß wirs alle also glaubten und erkännten/ damit wir nachmahl so viel sorgfältiger wären/ in solche zeit uns zuschicken/ zu wachen und zu beten/ daß wir wür- dig werden mögen zu entfliehen diesen allen/ was geschehen solle/ und zustehen vor des menschen sohne. Wie dann sich gewiß keine solche fleischliche sicher- heit ins gemein finden würde/ wo wir solche beschaffenheit unserer zeit recht erkenneten. Was aber die übersandte geschriebene gedancken über solche offenbahrung Johannis anlangt/ so ich auch Hr. NN. gezeigt/ er aber nicht viel zeit gefunden/ dieselbe zu durchlesen/ haben wir fast nicht wohl rathsam gefunden/ dieselbe durch den truck oder sonsten vielen zu communiciren/ so wohl aus andern ursachen/ als weil etwa an ein und andern particular an- wendungen nicht unbillicher zweiffel seyn/ und ein von auch gut gesinnten lesern daher gefaster scrupel alle dergleichen auch gewisseste dinge in mehrern zweif- fel setzen möchte: So dann auch/ welches ich nicht sorgen will/ von meinem geliebten freunde übel aufgenommen zu werden/ daß ich solches freundlich er- innere/ weil es scheinet/ daß demselben nicht die gabe gegeben seye seine ge- müths gedancken deutlich und verständlich/ auch vorsichtig genug/ wie es in solcher art schrifften/ die zu vieler leute aufferbauung solten publiciret werden/ gleich- Ccc 2
ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X. fangende Gerichte Gottes unwiſſend in das werck ſetze. Mit ſolchem feuerder truͤbſal moͤgen die ſchlacken bey uns ausgebrandt/ was aber gutes gold iſt herrlich geleutert/ das iſt die maulchriſten hingeriſſen/ oder durch den ab- fall aus unſere gemeinſchafft ausgewieſen/ die wenige uͤbrige rechtſchaffene aber ſo viel herrlicher geſtaͤrckt/ und das gute des HErrn nachmahl zuſehen erhalten werden. Dann ob ein Koͤnig von Babel das Jeruſalem einnimt/ ſo bleibet doch noch ein Jeremias/ Varuch/ Ebedmelech und andere dem HErrn bekante glaͤubige uͤbrig/ die nach ihrem euſſerlichen Menſchen an dem euſſerlichen truͤbſaal theil haben/ aber vielmehr nutzen als ſchaden davon erlan- gen/ und damit mag Babel vollends das maaß ſeiner ſuͤnden erfuͤllen/ daß der Tag des zorns daſſelbige ploͤtzlich uͤberfalle/ mitten in dem ſo ſcheinenden gluͤcklichſten lauff ſeiner ſiege wider das volck GOttes/ deſſen uͤbrige die ge- rechtigkeit ihres Gottes und ſeine guͤte preiſen werden. Dieſe dinge/ wo wir etwas genauer alle umſtaͤnde unſerer zeit erwegen/ ſind alſo bewandt/ daß wir auch ſo gar faſt mit menſchlichen augen anſehen/ wie ſich alles zu ſolcher vollſtreckung deß raths Gottes ſchicke/ und in kirchen und policey weſen gleich- ſam die vorbereitung dazu geſchehen/ da auch vernuͤnfftige vieles deſſen was geſchehen mag bereits erkennen moͤgen. So vielmehr die jenige welche mit glaͤubigen augen in die Goͤttliche gerechtigkeit und guͤtigkeit einen blick thun. Jn einer ſolchen zeit ſtehen wir/ welches ins gemein damit uͤber einkomt/ was ich ſehe/ das derſelbe auch erkennet/ und ich wuͤnſchte/ daß wirs alle alſo glaubten und erkaͤnnten/ damit wir nachmahl ſo viel ſorgfaͤltiger waͤren/ in ſolche zeit uns zuſchicken/ zu wachen und zu beten/ daß wir wuͤr- dig werden moͤgen zu entfliehen dieſen allen/ was geſchehen ſolle/ und zuſtehen vor des menſchen ſohne. Wie dann ſich gewiß keine ſolche fleiſchliche ſicher- heit ins gemein finden wuͤrde/ wo wir ſolche beſchaffenheit unſerer zeit recht erkenneten. Was aber die uͤberſandte geſchriebene gedancken uͤber ſolche offenbahrung Johannis anlangt/ ſo ich auch Hr. NN. gezeigt/ er aber nicht viel zeit gefunden/ dieſelbe zu durchleſen/ haben wir faſt nicht wohl rathſam gefunden/ dieſelbe durch den truck oder ſonſten vielen zu communiciren/ ſo wohl aus andern urſachen/ als weil etwa an ein und andern particular an- wendungen nicht unbillicher zweiffel ſeyn/ und ein von auch gut geſinnten leſern daher gefaſter ſcrupel alle dergleichen auch gewiſſeſte dinge in mehrern zweif- fel ſetzen moͤchte: So dann auch/ welches ich nicht ſorgen will/ von meinem geliebten freunde uͤbel aufgenommen zu werden/ daß ich ſolches freundlich er- innere/ weil es ſcheinet/ daß demſelben nicht die gabe gegeben ſeye ſeine ge- muͤths gedancken deutlich und verſtaͤndlich/ auch vorſichtig genug/ wie es in ſolcher art ſchrifften/ die zu vieler leute aufferbauung ſolten publiciret werden/ gleich- Ccc 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0405" n="387"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X.</hi></fw><lb/> fangende Gerichte Gottes unwiſſend in das werck ſetze. Mit ſolchem feuer<lb/> der truͤbſal moͤgen die ſchlacken bey uns ausgebrandt/ was aber gutes gold<lb/> iſt herrlich geleutert/ das iſt die maulchriſten hingeriſſen/ oder durch den ab-<lb/> fall aus unſere gemeinſchafft ausgewieſen/ die wenige uͤbrige rechtſchaffene<lb/> aber ſo viel herrlicher geſtaͤrckt/ und das gute des HErrn nachmahl zuſehen<lb/> erhalten werden. Dann ob ein Koͤnig von Babel das Jeruſalem einnimt/<lb/> ſo bleibet doch noch ein Jeremias/ Varuch/ Ebedmelech und andere dem<lb/> HErrn bekante glaͤubige uͤbrig/ die nach ihrem euſſerlichen Menſchen an dem<lb/> euſſerlichen truͤbſaal theil haben/ aber vielmehr nutzen als ſchaden davon erlan-<lb/> gen/ und damit mag Babel vollends das maaß ſeiner ſuͤnden erfuͤllen/ daß<lb/> der Tag des zorns daſſelbige ploͤtzlich uͤberfalle/ mitten in dem ſo ſcheinenden<lb/> gluͤcklichſten lauff ſeiner ſiege wider das volck GOttes/ deſſen uͤbrige die ge-<lb/> rechtigkeit ihres Gottes und ſeine guͤte preiſen werden. Dieſe dinge/ wo wir<lb/> etwas genauer alle umſtaͤnde unſerer zeit erwegen/ ſind alſo bewandt/ daß<lb/> wir auch ſo gar faſt mit menſchlichen augen anſehen/ wie ſich alles zu ſolcher<lb/> vollſtreckung deß raths Gottes ſchicke/ und in kirchen und policey weſen gleich-<lb/> ſam die vorbereitung dazu geſchehen/ da auch vernuͤnfftige vieles deſſen<lb/> was geſchehen mag bereits erkennen moͤgen. So vielmehr die jenige<lb/> welche mit glaͤubigen augen in die Goͤttliche gerechtigkeit und guͤtigkeit<lb/> einen blick thun. Jn einer ſolchen zeit ſtehen wir/ welches ins gemein damit<lb/> uͤber einkomt/ was ich ſehe/ das derſelbe auch erkennet/ und ich wuͤnſchte/ daß<lb/> wirs alle alſo glaubten und erkaͤnnten/ damit wir nachmahl ſo viel ſorgfaͤltiger<lb/> waͤren/ in ſolche zeit uns zuſchicken/ zu wachen und zu beten/ daß wir wuͤr-<lb/> dig werden moͤgen zu entfliehen dieſen allen/ was geſchehen ſolle/ und zuſtehen<lb/> vor des menſchen ſohne. Wie dann ſich gewiß keine ſolche fleiſchliche ſicher-<lb/> heit ins gemein finden wuͤrde/ wo wir ſolche beſchaffenheit unſerer zeit recht<lb/> erkenneten. Was aber die uͤberſandte geſchriebene gedancken uͤber ſolche<lb/> offenbahrung Johannis anlangt/ ſo ich auch Hr. <hi rendition="#aq">NN.</hi> gezeigt/ er aber nicht<lb/> viel zeit gefunden/ dieſelbe zu durchleſen/ haben wir faſt nicht wohl rathſam<lb/> gefunden/ dieſelbe durch den truck oder ſonſten vielen zu <hi rendition="#aq">communicir</hi>en/ ſo<lb/> wohl aus andern urſachen/ als weil etwa an ein und andern <hi rendition="#aq">particular</hi> an-<lb/> wendungen nicht unbillicher zweiffel ſeyn/ und ein von auch gut geſinnten leſern<lb/> daher gefaſter ſcrupel alle dergleichen auch gewiſſeſte dinge in mehrern zweif-<lb/> fel ſetzen moͤchte: So dann auch/ welches ich nicht ſorgen will/ von meinem<lb/> geliebten freunde uͤbel aufgenommen zu werden/ daß ich ſolches freundlich er-<lb/> innere/ weil es ſcheinet/ daß demſelben nicht die gabe gegeben ſeye ſeine ge-<lb/> muͤths gedancken deutlich und verſtaͤndlich/ auch vorſichtig genug/ wie es in<lb/> ſolcher art ſchrifften/ die zu vieler leute aufferbauung ſolten <hi rendition="#aq">publicir</hi>et werden/<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Ccc 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gleich-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [387/0405]
ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X.
fangende Gerichte Gottes unwiſſend in das werck ſetze. Mit ſolchem feuer
der truͤbſal moͤgen die ſchlacken bey uns ausgebrandt/ was aber gutes gold
iſt herrlich geleutert/ das iſt die maulchriſten hingeriſſen/ oder durch den ab-
fall aus unſere gemeinſchafft ausgewieſen/ die wenige uͤbrige rechtſchaffene
aber ſo viel herrlicher geſtaͤrckt/ und das gute des HErrn nachmahl zuſehen
erhalten werden. Dann ob ein Koͤnig von Babel das Jeruſalem einnimt/
ſo bleibet doch noch ein Jeremias/ Varuch/ Ebedmelech und andere dem
HErrn bekante glaͤubige uͤbrig/ die nach ihrem euſſerlichen Menſchen an dem
euſſerlichen truͤbſaal theil haben/ aber vielmehr nutzen als ſchaden davon erlan-
gen/ und damit mag Babel vollends das maaß ſeiner ſuͤnden erfuͤllen/ daß
der Tag des zorns daſſelbige ploͤtzlich uͤberfalle/ mitten in dem ſo ſcheinenden
gluͤcklichſten lauff ſeiner ſiege wider das volck GOttes/ deſſen uͤbrige die ge-
rechtigkeit ihres Gottes und ſeine guͤte preiſen werden. Dieſe dinge/ wo wir
etwas genauer alle umſtaͤnde unſerer zeit erwegen/ ſind alſo bewandt/ daß
wir auch ſo gar faſt mit menſchlichen augen anſehen/ wie ſich alles zu ſolcher
vollſtreckung deß raths Gottes ſchicke/ und in kirchen und policey weſen gleich-
ſam die vorbereitung dazu geſchehen/ da auch vernuͤnfftige vieles deſſen
was geſchehen mag bereits erkennen moͤgen. So vielmehr die jenige
welche mit glaͤubigen augen in die Goͤttliche gerechtigkeit und guͤtigkeit
einen blick thun. Jn einer ſolchen zeit ſtehen wir/ welches ins gemein damit
uͤber einkomt/ was ich ſehe/ das derſelbe auch erkennet/ und ich wuͤnſchte/ daß
wirs alle alſo glaubten und erkaͤnnten/ damit wir nachmahl ſo viel ſorgfaͤltiger
waͤren/ in ſolche zeit uns zuſchicken/ zu wachen und zu beten/ daß wir wuͤr-
dig werden moͤgen zu entfliehen dieſen allen/ was geſchehen ſolle/ und zuſtehen
vor des menſchen ſohne. Wie dann ſich gewiß keine ſolche fleiſchliche ſicher-
heit ins gemein finden wuͤrde/ wo wir ſolche beſchaffenheit unſerer zeit recht
erkenneten. Was aber die uͤberſandte geſchriebene gedancken uͤber ſolche
offenbahrung Johannis anlangt/ ſo ich auch Hr. NN. gezeigt/ er aber nicht
viel zeit gefunden/ dieſelbe zu durchleſen/ haben wir faſt nicht wohl rathſam
gefunden/ dieſelbe durch den truck oder ſonſten vielen zu communiciren/ ſo
wohl aus andern urſachen/ als weil etwa an ein und andern particular an-
wendungen nicht unbillicher zweiffel ſeyn/ und ein von auch gut geſinnten leſern
daher gefaſter ſcrupel alle dergleichen auch gewiſſeſte dinge in mehrern zweif-
fel ſetzen moͤchte: So dann auch/ welches ich nicht ſorgen will/ von meinem
geliebten freunde uͤbel aufgenommen zu werden/ daß ich ſolches freundlich er-
innere/ weil es ſcheinet/ daß demſelben nicht die gabe gegeben ſeye ſeine ge-
muͤths gedancken deutlich und verſtaͤndlich/ auch vorſichtig genug/ wie es in
ſolcher art ſchrifften/ die zu vieler leute aufferbauung ſolten publiciret werden/
gleich-
Ccc 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |