Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Capitel.
ber rathen wolte/ sich vor solcher zu hüten/ als mit willen aus vertrauen auf sich selbst/
darein zugehen. Es ist kaum zu glauben/ wie scheinbar die leute auß der verderb-
ten vernunfft/ alles was aus der Philosophie und vernunfft-lehr ihnen entge-
gen gehalten zu werden pfleget/ ab zu lehnen wissen/ daß mir alle tela und argu-
menta
gegen sie in dem ernstlichen kampff fast unbrauchbar worden sind: Da-
hero ich sorge/ ob andere auch hierinnen fertiger wären es gleich wohl ihnen sehr
schwer werde werden/ mit solcher art waffen etwas gegen sie außzurichten. Ob wol
wenn es einige vermögen/ darüber mich sehr freuen solte/ dergleichen zu sehen und
zu wissen: so viel mehr weil wenig mittel sonsten verhanden sind/ den armen leu-
then zu helffen/ nach dem sie das göttliche wort/ als sonsten daß einige kräfftige mit-
tel der göttlichen warheit/ verwerffen und verachten. Dieser atheismus theore-
ticus
ist endlich die betrübte frucht des practici, und eines der letzten gerichte des
erzürnten GOttes. Der HERR erbarme sich solcher armen blinden leuthe/ und
rüste einige tapffere Davides auß/ so diesen ungeheuren Goliath/ der dem zeug
Jsrael und dessen GOTT selbsten hohn spricht/ siegreich bestreiten mögen. Von
scriptis gegen sie ist sehr weniges zu finden. Der sel. D. Wagener zu Tübingen
hat eine weitläufftige Disp. geschrieben de atheismo, unser geliebte Spizelius hat
bekanter massen de atheismo, ejus radice und eradicatione viel gutes geschrie-
ben/ da zu der tapffere L. Reiser etwas angehänget. Huetii in Franckreich aus-
gegebene demonstrationes Evangelicae werden von einigen sehr gerühmet. So
gehören auch dahin die übrige scriptores de veritate religionis Christianae,
Spanheimius
hat auch in Holland etwas Frantzösisches davon drucken lassen etc.
Der HERR erhalte die seinigen auch in solcher schweren versuchung/ über welche
er etwa dieselbe auch verhengen wolte. 1681. 7. Ap.

SECTIO XXIX.

Wunsch die Theologie in ihrer ersten einfalt zu
sehen. Catechetische
examina: dero nothwendigkeit/
dergleichen hin und wieder einge-
führet.

WAs E. Hoch Wohl Ehrw. melden/ das in N. schrifft neoterica, und
fast bedencklich/ da vor 50. jahren vix vestigium zu finden/ mag etwa
auch wol von andern bemercket aber beseufftzet sein worden. Wie wäre
vielmehr zu wünschen/ unsere Theologiam näher der alten simplicitaet, ja der
lehr art des lieben Lutheri zu bringen/ als zu neuen controversien sonderlich un-
ter uns selbst gelegenheit zu geben? Wie ich dann an solche sache nicht ohne betrüb-

nüß

Das ſechſte Capitel.
ber rathen wolte/ ſich vor ſolcher zu huͤtẽ/ als mit willen aus vertrauen auf ſich ſelbſt/
darein zugehen. Es iſt kaum zu glauben/ wie ſcheinbar die leute auß der verderb-
ten vernunfft/ alles was aus der Philoſophie und vernunfft-lehr ihnen entge-
gen gehalten zu werden pfleget/ ab zu lehnen wiſſen/ daß mir alle tela und argu-
menta
gegen ſie in dem ernſtlichen kampff faſt unbrauchbar worden ſind: Da-
hero ich ſorge/ ob andere auch hierinnen fertiger waͤren es gleich wohl ihnen ſehr
ſchwer werde werden/ mit ſolcher art waffen etwas gegen ſie außzurichten. Ob wol
wenn es einige vermoͤgen/ daruͤber mich ſehr freuen ſolte/ dergleichen zu ſehen und
zu wiſſen: ſo viel mehr weil wenig mittel ſonſten verhanden ſind/ den armen leu-
then zu helffen/ nach dem ſie das goͤttliche wort/ als ſonſten daß einige kraͤfftige mit-
tel der goͤttlichen warheit/ verwerffen und verachten. Dieſer atheismus theore-
ticus
iſt endlich die betruͤbte frucht des practici, und eines der letzten gerichte des
erzuͤrnten GOttes. Der HERR erbarme ſich ſolcher armen blinden leuthe/ und
ruͤſte einige tapffere Davides auß/ ſo dieſen ungeheuren Goliath/ der dem zeug
Jſrael und deſſen GOTT ſelbſten hohn ſpricht/ ſiegreich beſtreiten moͤgen. Von
ſcriptis gegen ſie iſt ſehr weniges zu finden. Der ſel. D. Wagener zu Tuͤbingen
hat eine weitlaͤufftige Diſp. geſchrieben de atheismo, unſer geliebte Spizelius hat
bekanter maſſen de atheismo, ejus radice und eradicatione viel gutes geſchrie-
ben/ da zu der tapffere L. Reiſer etwas angehaͤnget. Huetii in Franckreich aus-
gegebene demonſtrationes Evangelicæ werden von einigen ſehr geruͤhmet. So
gehoͤren auch dahin die uͤbrige ſcriptores de veritate religionis Chriſtianæ,
Spanheimius
hat auch in Holland etwas Frantzoͤſiſches davon drucken laſſen ꝛc.
Der HERR erhalte die ſeinigen auch in ſolcher ſchweren verſuchung/ uͤber welche
er etwa dieſelbe auch verhengen wolte. 1681. 7. Ap.

SECTIO XXIX.

Wunſch die Theologie in ihrer erſten einfalt zu
ſehen. Catechetiſche
examina: dero nothwendigkeit/
dergleichen hin und wieder einge-
fuͤhret.

WAs E. Hoch Wohl Ehrw. melden/ das in N. ſchrifft neoterica, und
faſt bedencklich/ da vor 50. jahren vix veſtigium zu finden/ mag etwa
auch wol von andern bemercket aber beſeufftzet ſein worden. Wie waͤre
vielmehr zu wuͤnſchen/ unſere Theologiam naͤher der alten ſimplicitæt, ja der
lehr art des lieben Lutheri zu bringen/ als zu neuen controverſien ſonderlich un-
ter uns ſelbſt gelegenheit zu geben? Wie ich dann an ſolche ſache nicht ohne betruͤb-

nuͤß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0470" n="452"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/>
ber rathen wolte/ &#x017F;ich vor &#x017F;olcher zu hu&#x0364;te&#x0303;/ als mit willen aus vertrauen auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t/<lb/>
darein zugehen. Es i&#x017F;t kaum zu glauben/ wie &#x017F;cheinbar die leute auß der verderb-<lb/>
ten vernunfft/ alles was aus der <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophie</hi> und vernunfft-lehr ihnen entge-<lb/>
gen gehalten zu werden pfleget/ ab zu lehnen wi&#x017F;&#x017F;en/ daß mir alle <hi rendition="#aq">tela</hi> und <hi rendition="#aq">argu-<lb/>
menta</hi> gegen &#x017F;ie in dem ern&#x017F;tlichen kampff fa&#x017F;t unbrauchbar worden &#x017F;ind: Da-<lb/>
hero ich &#x017F;orge/ ob andere auch hierinnen fertiger wa&#x0364;ren es gleich wohl ihnen &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chwer werde werden/ mit &#x017F;olcher art waffen etwas gegen &#x017F;ie außzurichten. Ob wol<lb/>
wenn es einige vermo&#x0364;gen/ daru&#x0364;ber mich &#x017F;ehr freuen &#x017F;olte/ dergleichen zu &#x017F;ehen und<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o viel mehr weil wenig mittel &#x017F;on&#x017F;ten verhanden &#x017F;ind/ den armen leu-<lb/>
then zu helffen/ nach dem &#x017F;ie das go&#x0364;ttliche wort/ als &#x017F;on&#x017F;ten daß einige kra&#x0364;fftige mit-<lb/>
tel der go&#x0364;ttlichen warheit/ verwerffen und verachten. Die&#x017F;er <hi rendition="#aq">atheismus theore-<lb/>
ticus</hi> i&#x017F;t endlich die betru&#x0364;bte frucht des <hi rendition="#aq">practici,</hi> und eines der letzten gerichte des<lb/>
erzu&#x0364;rnten GOttes. Der HERR erbarme &#x017F;ich &#x017F;olcher armen blinden leuthe/ und<lb/>
ru&#x0364;&#x017F;te einige tapffere <hi rendition="#aq">Davides</hi> auß/ &#x017F;o die&#x017F;en ungeheuren Goliath/ der dem zeug<lb/>
J&#x017F;rael und de&#x017F;&#x017F;en GOTT &#x017F;elb&#x017F;ten hohn &#x017F;pricht/ &#x017F;iegreich be&#x017F;treiten mo&#x0364;gen. Von<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;criptis</hi> gegen &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;ehr weniges zu finden. Der &#x017F;el. <hi rendition="#aq">D.</hi> Wagener zu Tu&#x0364;bingen<lb/>
hat eine weitla&#x0364;ufftige <hi rendition="#aq">Di&#x017F;p.</hi> ge&#x017F;chrieben <hi rendition="#aq">de atheismo,</hi> un&#x017F;er geliebte <hi rendition="#aq">Spizelius</hi> hat<lb/>
bekanter ma&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">de atheismo, ejus radice</hi> und <hi rendition="#aq">eradicatione</hi> viel gutes ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben/ da zu der tapffere <hi rendition="#aq">L.</hi> Rei&#x017F;er etwas angeha&#x0364;nget. <hi rendition="#aq">Huetii</hi> in Franckreich aus-<lb/>
gegebene <hi rendition="#aq">demon&#x017F;trationes Evangelicæ</hi> werden von einigen &#x017F;ehr geru&#x0364;hmet. So<lb/>
geho&#x0364;ren auch dahin die u&#x0364;brige <hi rendition="#aq">&#x017F;criptores de veritate religionis Chri&#x017F;tianæ,<lb/>
Spanheimius</hi> hat auch in Holland etwas Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ches davon drucken la&#x017F;&#x017F;en &#xA75B;c.<lb/>
Der HERR erhalte die &#x017F;einigen auch in &#x017F;olcher &#x017F;chweren ver&#x017F;uchung/ u&#x0364;ber welche<lb/>
er etwa die&#x017F;elbe auch verhengen wolte. 1681. 7. Ap.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXIX.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">W</hi>un&#x017F;ch die</hi> <hi rendition="#aq">Theologie</hi> <hi rendition="#fr">in ihrer er&#x017F;ten einfalt zu<lb/>
&#x017F;ehen. Catecheti&#x017F;che</hi> <hi rendition="#aq">examina:</hi> <hi rendition="#fr">dero nothwendigkeit/<lb/>
dergleichen hin und wieder einge-<lb/>
fu&#x0364;hret.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>As E. Hoch Wohl Ehrw. melden/ das in N. &#x017F;chrifft <hi rendition="#aq">neoterica,</hi> und<lb/>
fa&#x017F;t bedencklich/ da vor 50. jahren <hi rendition="#aq">vix ve&#x017F;tigium</hi> zu finden/ mag etwa<lb/>
auch wol von andern bemercket aber be&#x017F;eufftzet &#x017F;ein worden. Wie wa&#x0364;re<lb/>
vielmehr zu wu&#x0364;n&#x017F;chen/ un&#x017F;ere <hi rendition="#aq">Theologiam</hi> na&#x0364;her der alten <hi rendition="#aq">&#x017F;implicitæt,</hi> ja der<lb/>
lehr art des lieben <hi rendition="#aq">Lutheri</hi> zu bringen/ als zu neuen <hi rendition="#aq">controver&#x017F;ien</hi> &#x017F;onderlich un-<lb/>
ter uns &#x017F;elb&#x017F;t gelegenheit zu geben? Wie ich dann an &#x017F;olche &#x017F;ache nicht ohne betru&#x0364;b-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nu&#x0364;ß</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0470] Das ſechſte Capitel. ber rathen wolte/ ſich vor ſolcher zu huͤtẽ/ als mit willen aus vertrauen auf ſich ſelbſt/ darein zugehen. Es iſt kaum zu glauben/ wie ſcheinbar die leute auß der verderb- ten vernunfft/ alles was aus der Philoſophie und vernunfft-lehr ihnen entge- gen gehalten zu werden pfleget/ ab zu lehnen wiſſen/ daß mir alle tela und argu- menta gegen ſie in dem ernſtlichen kampff faſt unbrauchbar worden ſind: Da- hero ich ſorge/ ob andere auch hierinnen fertiger waͤren es gleich wohl ihnen ſehr ſchwer werde werden/ mit ſolcher art waffen etwas gegen ſie außzurichten. Ob wol wenn es einige vermoͤgen/ daruͤber mich ſehr freuen ſolte/ dergleichen zu ſehen und zu wiſſen: ſo viel mehr weil wenig mittel ſonſten verhanden ſind/ den armen leu- then zu helffen/ nach dem ſie das goͤttliche wort/ als ſonſten daß einige kraͤfftige mit- tel der goͤttlichen warheit/ verwerffen und verachten. Dieſer atheismus theore- ticus iſt endlich die betruͤbte frucht des practici, und eines der letzten gerichte des erzuͤrnten GOttes. Der HERR erbarme ſich ſolcher armen blinden leuthe/ und ruͤſte einige tapffere Davides auß/ ſo dieſen ungeheuren Goliath/ der dem zeug Jſrael und deſſen GOTT ſelbſten hohn ſpricht/ ſiegreich beſtreiten moͤgen. Von ſcriptis gegen ſie iſt ſehr weniges zu finden. Der ſel. D. Wagener zu Tuͤbingen hat eine weitlaͤufftige Diſp. geſchrieben de atheismo, unſer geliebte Spizelius hat bekanter maſſen de atheismo, ejus radice und eradicatione viel gutes geſchrie- ben/ da zu der tapffere L. Reiſer etwas angehaͤnget. Huetii in Franckreich aus- gegebene demonſtrationes Evangelicæ werden von einigen ſehr geruͤhmet. So gehoͤren auch dahin die uͤbrige ſcriptores de veritate religionis Chriſtianæ, Spanheimius hat auch in Holland etwas Frantzoͤſiſches davon drucken laſſen ꝛc. Der HERR erhalte die ſeinigen auch in ſolcher ſchweren verſuchung/ uͤber welche er etwa dieſelbe auch verhengen wolte. 1681. 7. Ap. SECTIO XXIX. Wunſch die Theologie in ihrer erſten einfalt zu ſehen. Catechetiſche examina: dero nothwendigkeit/ dergleichen hin und wieder einge- fuͤhret. WAs E. Hoch Wohl Ehrw. melden/ das in N. ſchrifft neoterica, und faſt bedencklich/ da vor 50. jahren vix veſtigium zu finden/ mag etwa auch wol von andern bemercket aber beſeufftzet ſein worden. Wie waͤre vielmehr zu wuͤnſchen/ unſere Theologiam naͤher der alten ſimplicitæt, ja der lehr art des lieben Lutheri zu bringen/ als zu neuen controverſien ſonderlich un- ter uns ſelbſt gelegenheit zu geben? Wie ich dann an ſolche ſache nicht ohne betruͤb- nuͤß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/470
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/470>, abgerufen am 25.11.2024.