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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
vor jeder manns augen ausbrechende mißhelligkeiten mehrer unserer Theologo-
rum,
oder doch die heimliche (und ach daß sie gantz heimlich blieben/ und nicht in so
vielen stücken heraus blickten!) simultates derselben gesehen/ sondern auch war
genommen habe/ daß auch unter den jenigen/ zwischen welchen keine widrigkeit ist/
dennoch auch keine mehrere genaue freundschafft als unter brüdern seyn solte/ ge-
machet wird. Damit also jeglicher wüste/ was des andern arbeit/ vornehmen o-
der auch afflictiones wären/ um einander nach der pflicht der liebe/ mit raht/ trost/
gebet/ und auf jegliche mügliche weise an hand zu gehen. Vielleicht würden viele
zusammensetzende und in der furcht des HErrn vereinigte hände manchen stein in
seiner krafft heben und wegweltzen/ manchen feind überwinden können/ was jetzt
unmüglich fället/ da fast jeglicher so arbeiten muß/ ob wäre er gar allein ohne an-
derer mitt- und bey-hülffe/ ja offt GOtt noch davor höchlichst danck zu sagen hat/
wann er nur allein zu arbeiten gelassen/ und nicht darinnen von andern mißgönsti-
gen an statt der beförderung gehindert wird. Welches wohl der größte jammer
und verderben ist. Damit unterbleibet nicht nur viel gutes/ oder wird doch un-
kräfftig aus der schwachheit der jenigen/ die es unternehmen/ oder aus anderer wie-
derstand/ sondern manches gutes wird etwa aus mangel des beystands und beytre-
tens der übrigen erfahrner auff eine solche weise von gut meinenden angefangen/ daß
doch weniges ausgerichtet/ und einiges von ihnen selbs dabey gefehlet wird/ so nicht
geschehen würde seyn/ wo sie sich anderer treuer brüder raht und hülffe hätten getrö-
sten und gebrauchen dürffen. So stehets aller orten/ damit ja das gute nicht mit
rechtem nachdruck zu werck gerichtet werde/ worinnen ich zwar ein heilig gericht
GOttes erkenne/ aber uns doch nicht ohne schuld achte/ da wir auch diesem übel
nicht suchen nachdrücklich/ als viel an uns wäre/ zubegegnen. Es wäre zwar ein stat-
liches mittel der vereinigung/ wo jeweilige Synodi gehalten würden/ aber solche er-
warten wir vergeblich/ daher wüßte ich fast kein anders zu dieser unserer zeit practi-
cabel,
als die schrifftliche correspondenz, damit die jenige/ so einander in dem
HErrn genaue haben kennen lernen/ eine genauere brüderliche freundschafft (so
sonsten rechts wegen unter allen seyn solte) aufs wenigste unter sich stifften mögen/
die sich aber allgemach außbreiten kan/ wo die jenige/ so andere freunde wiederum
heben/ sie zugleich mit dem übrigen bekant machen. Ach der HErr zeige uns noch
ferner/ wie wir am besten/ den uns von ihm so ernstlich befohlnen zweck der einmü-
tigen und liebreichen zusammen setzung erhalten mögen. Und so wirs ja nicht un-
ter viele bringen können/ so lasset uns auffswenigste unter wenigen dasselbige thun/
was wir von allen verlangten. Wir habens je so vielmehr ursach/ als schwehrere
gerichte es seyn mögen/ die uns über haupten schweben/ und uns antreiben sollen/
keine zeit mit willen zu versäumen/ wo mir etwas zur besserung zu thun sehen. 1681.

SECT

Das ſechſte Capitel.
vor jeder manns augen ausbrechende mißhelligkeiten mehrer unſerer Theologo-
rum,
oder doch die heimliche (und ach daß ſie gantz heimlich blieben/ und nicht in ſo
vielen ſtuͤcken heraus blickten!) ſimultates derſelben geſehen/ ſondern auch war
genommen habe/ daß auch unter den jenigen/ zwiſchen welchen keine widrigkeit iſt/
dennoch auch keine mehrere genaue freundſchafft als unter bruͤdern ſeyn ſolte/ ge-
machet wird. Damit alſo jeglicher wuͤſte/ was des andern arbeit/ vornehmen o-
der auch afflictiones waͤren/ um einander nach der pflicht der liebe/ mit raht/ troſt/
gebet/ und auf jegliche muͤgliche weiſe an hand zu gehen. Vielleicht wuͤrden viele
zuſammenſetzende und in der furcht des HErrn vereinigte haͤnde manchen ſtein in
ſeiner krafft heben und wegweltzen/ manchen feind uͤberwinden koͤnnen/ was jetzt
unmuͤglich faͤllet/ da faſt jeglicher ſo arbeiten muß/ ob waͤre er gar allein ohne an-
derer mitt- und bey-huͤlffe/ ja offt GOtt noch davor hoͤchlichſt danck zu ſagen hat/
wann er nur allein zu arbeiten gelaſſen/ und nicht darinnen von andern mißgoͤnſti-
gen an ſtatt der befoͤrderung gehindert wird. Welches wohl der groͤßte jammer
und verderben iſt. Damit unterbleibet nicht nur viel gutes/ oder wird doch un-
kraͤfftig aus der ſchwachheit der jenigen/ die es unternehmen/ oder aus anderer wie-
derſtand/ ſondern manches gutes wird etwa aus mangel des beyſtands und beytre-
tens der uͤbrigen erfahrner auff eine ſolche weiſe von gut meinenden angefangen/ daß
doch weniges ausgerichtet/ und einiges von ihnen ſelbs dabey gefehlet wird/ ſo nicht
geſchehen wuͤrde ſeyn/ wo ſie ſich anderer treuer bruͤder raht und huͤlffe haͤtten getroͤ-
ſten und gebrauchen duͤrffen. So ſtehets aller orten/ damit ja das gute nicht mit
rechtem nachdruck zu werck gerichtet werde/ worinnen ich zwar ein heilig gericht
GOttes erkenne/ aber uns doch nicht ohne ſchuld achte/ da wir auch dieſem uͤbel
nicht ſuchen nachdruͤcklich/ als viel an uns waͤre/ zubegegnen. Es waͤre zwar ein ſtat-
liches mittel der vereinigung/ wo jeweilige Synodi gehalten wuͤrden/ aber ſolche er-
warten wir vergeblich/ daher wuͤßte ich faſt kein anders zu dieſer unſerer zeit practi-
cabel,
als die ſchrifftliche correſpondenz, damit die jenige/ ſo einander in dem
HErrn genaue haben kennen lernen/ eine genauere bruͤderliche freundſchafft (ſo
ſonſten rechts wegen unter allen ſeyn ſolte) aufs wenigſte unter ſich ſtifften moͤgen/
die ſich aber allgemach außbreiten kan/ wo die jenige/ ſo andere freunde wiederum
heben/ ſie zugleich mit dem uͤbrigen bekant machen. Ach der HErr zeige uns noch
ferner/ wie wir am beſten/ den uns von ihm ſo ernſtlich befohlnen zweck der einmuͤ-
tigen und liebreichen zuſammen ſetzung erhalten moͤgen. Und ſo wirs ja nicht un-
ter viele bringen koͤnnen/ ſo laſſet uns auffswenigſte unter wenigen daſſelbige thun/
was wir von allen verlangten. Wir habens je ſo vielmehr urſach/ als ſchwehrere
gerichte es ſeyn moͤgen/ die uns uͤber haupten ſchweben/ und uns antreiben ſollen/
keine zeit mit willen zu verſaͤumen/ wo mir etwas zur beſſerung zu thun ſehen. 1681.

SECT
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[520/0538] Das ſechſte Capitel. vor jeder manns augen ausbrechende mißhelligkeiten mehrer unſerer Theologo- rum, oder doch die heimliche (und ach daß ſie gantz heimlich blieben/ und nicht in ſo vielen ſtuͤcken heraus blickten!) ſimultates derſelben geſehen/ ſondern auch war genommen habe/ daß auch unter den jenigen/ zwiſchen welchen keine widrigkeit iſt/ dennoch auch keine mehrere genaue freundſchafft als unter bruͤdern ſeyn ſolte/ ge- machet wird. Damit alſo jeglicher wuͤſte/ was des andern arbeit/ vornehmen o- der auch afflictiones waͤren/ um einander nach der pflicht der liebe/ mit raht/ troſt/ gebet/ und auf jegliche muͤgliche weiſe an hand zu gehen. Vielleicht wuͤrden viele zuſammenſetzende und in der furcht des HErrn vereinigte haͤnde manchen ſtein in ſeiner krafft heben und wegweltzen/ manchen feind uͤberwinden koͤnnen/ was jetzt unmuͤglich faͤllet/ da faſt jeglicher ſo arbeiten muß/ ob waͤre er gar allein ohne an- derer mitt- und bey-huͤlffe/ ja offt GOtt noch davor hoͤchlichſt danck zu ſagen hat/ wann er nur allein zu arbeiten gelaſſen/ und nicht darinnen von andern mißgoͤnſti- gen an ſtatt der befoͤrderung gehindert wird. Welches wohl der groͤßte jammer und verderben iſt. Damit unterbleibet nicht nur viel gutes/ oder wird doch un- kraͤfftig aus der ſchwachheit der jenigen/ die es unternehmen/ oder aus anderer wie- derſtand/ ſondern manches gutes wird etwa aus mangel des beyſtands und beytre- tens der uͤbrigen erfahrner auff eine ſolche weiſe von gut meinenden angefangen/ daß doch weniges ausgerichtet/ und einiges von ihnen ſelbs dabey gefehlet wird/ ſo nicht geſchehen wuͤrde ſeyn/ wo ſie ſich anderer treuer bruͤder raht und huͤlffe haͤtten getroͤ- ſten und gebrauchen duͤrffen. So ſtehets aller orten/ damit ja das gute nicht mit rechtem nachdruck zu werck gerichtet werde/ worinnen ich zwar ein heilig gericht GOttes erkenne/ aber uns doch nicht ohne ſchuld achte/ da wir auch dieſem uͤbel nicht ſuchen nachdruͤcklich/ als viel an uns waͤre/ zubegegnen. Es waͤre zwar ein ſtat- liches mittel der vereinigung/ wo jeweilige Synodi gehalten wuͤrden/ aber ſolche er- warten wir vergeblich/ daher wuͤßte ich faſt kein anders zu dieſer unſerer zeit practi- cabel, als die ſchrifftliche correſpondenz, damit die jenige/ ſo einander in dem HErrn genaue haben kennen lernen/ eine genauere bruͤderliche freundſchafft (ſo ſonſten rechts wegen unter allen ſeyn ſolte) aufs wenigſte unter ſich ſtifften moͤgen/ die ſich aber allgemach außbreiten kan/ wo die jenige/ ſo andere freunde wiederum heben/ ſie zugleich mit dem uͤbrigen bekant machen. Ach der HErr zeige uns noch ferner/ wie wir am beſten/ den uns von ihm ſo ernſtlich befohlnen zweck der einmuͤ- tigen und liebreichen zuſammen ſetzung erhalten moͤgen. Und ſo wirs ja nicht un- ter viele bringen koͤnnen/ ſo laſſet uns auffswenigſte unter wenigen daſſelbige thun/ was wir von allen verlangten. Wir habens je ſo vielmehr urſach/ als ſchwehrere gerichte es ſeyn moͤgen/ die uns uͤber haupten ſchweben/ und uns antreiben ſollen/ keine zeit mit willen zu verſaͤumen/ wo mir etwas zur beſſerung zu thun ſehen. 1681. SECT

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/538>, abgerufen am 22.11.2024.