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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO I.
worinnen der irrthum bestehen müsste/ sich niemand hervorthun wolte/ welcher
solches zeigte/ biß das elende scriptum der sonderbahren GOttes gelehrheit
Horbii und Speneri durch heilige schickung GOTTes und zu unserer unschuld
rettung heraus kam. Es wurden solche seltzame fabelen von unserer lebens art/
thun und vornehmen/ spargirt auch mit solcher fertigkeit angenommen/ daß man
sich sonderlich über dieses/ weilen es manchmahlen relationen waren/ deren un-
grund sich in der erzehlung selbs offenbahrte/ verwundern musste. Jch und die
jenige wenige meine freunde so mit mir in solchen leyden stacken/ waren unserer sa-
che in unseren seelen versichert/ daß wir offentlich und absonderlich/ mündlich und
schrifftlich/ nichts anders lehreten/ als was die unfehlbahre Göttliche wahrheit
wäre/ so gar daß wir auch nicht in dem allergeringsten glaubens-puncten von der
gemeinen und in den Symbolischen büchern enthaltenen unserer Evangelischen kir-
chen lehre abwichen/ auch was wir sonsten thäten/ nicht nur blosser dings und lau-
ter zu GOttes ehren gemeinet/ sondern an sich gleichfals seinen wort gemäß und er-
baulich wäre/ ob wir wohl uns unserer menschlichen schwachheit dabeneben wohl
bewusst wahren/ daß wir leicht mit unvorsichtigkeit fehlen möchten; welches aber
kein solche feindliche widersetzung erforderte/ sondern eine brüderliche zu rechthelf-
fung eher meritiret hätte. Daher nebens deme/ daß wir/ wo gelegenheit von
GOTT selbs gezeiget würde/ unsere unschuld mündlich und schrifftlich darzuthun/
solche nicht versäumen wolten/ fanden wir das rathsamste/ uns durch alles solches
widersetzen von treibung des guten/ als viel uns der HERR gnade verleihen wol-
te/ nicht abhalten zulassen/ auff unsere hut desto vorsichtiger zu stehen/ dem HEr-
ren seine sache mit hertzlichen gebet zu empfehlen/ und dabey zu warten/ was seine
heilige providenz ferner verfügen oder verhengen wolte/ und in aller dero ord-
nung ihre wunderbahre weißheit zu erkennen und zu verehren. Da konten wir
vieles sehen und wahrnehmen/ was der Satan vor hätte/ wie die menschen sich zu
seinen werckzeugen gebrauchen liessen/ und wie hingegen GOTT sein
werck dabey hätte. Daß der Satan mit im spiel wäre/ und solchen lermen
anbliesse/ war be reits dieses ein unzweiffliches kennzeichen/ weil das meiste
durch lügen und calumnien/ die seine wercke sind/ geschahe: so offenbahrte sich
auch dessen intention/ weil sie zu unterdruckung des guten gerichtet war/ und ge-
sucht wurde/ daß die aufferbauung des nechsten nicht mit ernst und fleiß geschehe/
wie es nöthig wäre/ sondern alles in seiner schläffrigkeit u. sicherheit gelassen werden
möchte. Dessen ich desto mehr überzeuget wurde/ als ich Göttlichen segen erkan-
te/ den der HERR zu ein und andern dingen/ wider welche der Satan dermassen
tobte/ gegeben hatte daß unter schiedliche gute seelen bezeugen müssten/ daß das werck
des HERREN bey ihnen frucht gebracht hätte; Solche frucht aber zu hindern/
konte ich einmahl nicht finden/ daß es von jemand anders ursprünglich als von dem
Fürsten der finsternüß herkommen könte/ und wurde durch dessen widersetzung so

viel-

ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO I.
worinnen der irrthum beſtehen muͤſſte/ ſich niemand hervorthun wolte/ welcher
ſolches zeigte/ biß das elende ſcriptum der ſonderbahren GOttes gelehrheit
Horbii und Speneri durch heilige ſchickung GOTTes und zu unſerer unſchuld
rettung heraus kam. Es wurden ſolche ſeltzame fabelen von unſerer lebens art/
thun und vornehmen/ ſpargirt auch mit ſolcher fertigkeit angenommen/ daß man
ſich ſonderlich uͤber dieſes/ weilen es manchmahlen relationen waren/ deren un-
grund ſich in der erzehlung ſelbs offenbahrte/ verwundern muſſte. Jch und die
jenige wenige meine freunde ſo mit mir in ſolchen leyden ſtacken/ waren unſerer ſa-
che in unſeren ſeelen verſichert/ daß wir offentlich und abſonderlich/ muͤndlich und
ſchrifftlich/ nichts anders lehreten/ als was die unfehlbahre Goͤttliche wahrheit
waͤre/ ſo gar daß wir auch nicht in dem allergeringſten glaubens-puncten von der
gemeinen und in den Symboliſchen buͤchern enthaltenen unſerer Evangeliſchen kir-
chen lehre abwichen/ auch was wir ſonſten thaͤten/ nicht nur bloſſer dings und lau-
ter zu GOttes ehren gemeinet/ ſondern an ſich gleichfals ſeinen wort gemaͤß und er-
baulich waͤre/ ob wir wohl uns unſerer menſchlichen ſchwachheit dabeneben wohl
bewuſſt wahren/ daß wir leicht mit unvorſichtigkeit fehlen moͤchten; welches aber
kein ſolche feindliche widerſetzung erforderte/ ſondern eine bruͤderliche zu rechthelf-
fung eher meritiret haͤtte. Daher nebens deme/ daß wir/ wo gelegenheit von
GOTT ſelbs gezeiget wuͤrde/ unſere unſchuld muͤndlich und ſchrifftlich darzuthun/
ſolche nicht verſaͤumen wolten/ fanden wir das rathſamſte/ uns durch alles ſolches
widerſetzen von treibung des guten/ als viel uns der HERR gnade verleihen wol-
te/ nicht abhalten zulaſſen/ auff unſere hut deſto vorſichtiger zu ſtehen/ dem HEr-
ren ſeine ſache mit hertzlichen gebet zu empfehlen/ und dabey zu warten/ was ſeine
heilige providenz ferner verfuͤgen oder verhengen wolte/ und in aller dero ord-
nung ihre wunderbahre weißheit zu erkennen und zu verehren. Da konten wir
vieles ſehen und wahrnehmen/ was der Satan vor haͤtte/ wie die menſchen ſich zu
ſeinen werckzeugen gebrauchen lieſſen/ und wie hingegen GOTT ſein
werck dabey haͤtte. Daß der Satan mit im ſpiel waͤre/ und ſolchen lermen
anblieſſe/ war be reits dieſes ein unzweiffliches kennzeichen/ weil das meiſte
durch luͤgen und calumnien/ die ſeine wercke ſind/ geſchahe: ſo offenbahrte ſich
auch deſſen intention/ weil ſie zu unterdruckung des guten gerichtet war/ und ge-
ſucht wurde/ daß die aufferbauung des nechſten nicht mit ernſt und fleiß geſchehe/
wie es noͤthig waͤre/ ſondern alles in ſeiner ſchlaͤffrigkeit u. ſicherheit gelaſſen werden
moͤchte. Deſſen ich deſto mehr uͤberzeuget wurde/ als ich Goͤttlichen ſegen erkan-
te/ den der HERR zu ein und andern dingen/ wider welche der Satan dermaſſen
tobte/ gegeben hatte daß unter ſchiedliche gute ſeelen bezeugẽ muͤſſten/ daß das werck
des HERREN bey ihnen frucht gebracht haͤtte; Solche frucht aber zu hindern/
konte ich einmahl nicht finden/ daß es von jemand anders urſpruͤnglich als von dem
Fuͤrſten der finſternuͤß herkommen koͤnte/ und wurde durch deſſen widerſetzung ſo

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[527/0545] ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO I. worinnen der irrthum beſtehen muͤſſte/ ſich niemand hervorthun wolte/ welcher ſolches zeigte/ biß das elende ſcriptum der ſonderbahren GOttes gelehrheit Horbii und Speneri durch heilige ſchickung GOTTes und zu unſerer unſchuld rettung heraus kam. Es wurden ſolche ſeltzame fabelen von unſerer lebens art/ thun und vornehmen/ ſpargirt auch mit ſolcher fertigkeit angenommen/ daß man ſich ſonderlich uͤber dieſes/ weilen es manchmahlen relationen waren/ deren un- grund ſich in der erzehlung ſelbs offenbahrte/ verwundern muſſte. Jch und die jenige wenige meine freunde ſo mit mir in ſolchen leyden ſtacken/ waren unſerer ſa- che in unſeren ſeelen verſichert/ daß wir offentlich und abſonderlich/ muͤndlich und ſchrifftlich/ nichts anders lehreten/ als was die unfehlbahre Goͤttliche wahrheit waͤre/ ſo gar daß wir auch nicht in dem allergeringſten glaubens-puncten von der gemeinen und in den Symboliſchen buͤchern enthaltenen unſerer Evangeliſchen kir- chen lehre abwichen/ auch was wir ſonſten thaͤten/ nicht nur bloſſer dings und lau- ter zu GOttes ehren gemeinet/ ſondern an ſich gleichfals ſeinen wort gemaͤß und er- baulich waͤre/ ob wir wohl uns unſerer menſchlichen ſchwachheit dabeneben wohl bewuſſt wahren/ daß wir leicht mit unvorſichtigkeit fehlen moͤchten; welches aber kein ſolche feindliche widerſetzung erforderte/ ſondern eine bruͤderliche zu rechthelf- fung eher meritiret haͤtte. Daher nebens deme/ daß wir/ wo gelegenheit von GOTT ſelbs gezeiget wuͤrde/ unſere unſchuld muͤndlich und ſchrifftlich darzuthun/ ſolche nicht verſaͤumen wolten/ fanden wir das rathſamſte/ uns durch alles ſolches widerſetzen von treibung des guten/ als viel uns der HERR gnade verleihen wol- te/ nicht abhalten zulaſſen/ auff unſere hut deſto vorſichtiger zu ſtehen/ dem HEr- ren ſeine ſache mit hertzlichen gebet zu empfehlen/ und dabey zu warten/ was ſeine heilige providenz ferner verfuͤgen oder verhengen wolte/ und in aller dero ord- nung ihre wunderbahre weißheit zu erkennen und zu verehren. Da konten wir vieles ſehen und wahrnehmen/ was der Satan vor haͤtte/ wie die menſchen ſich zu ſeinen werckzeugen gebrauchen lieſſen/ und wie hingegen GOTT ſein werck dabey haͤtte. Daß der Satan mit im ſpiel waͤre/ und ſolchen lermen anblieſſe/ war be reits dieſes ein unzweiffliches kennzeichen/ weil das meiſte durch luͤgen und calumnien/ die ſeine wercke ſind/ geſchahe: ſo offenbahrte ſich auch deſſen intention/ weil ſie zu unterdruckung des guten gerichtet war/ und ge- ſucht wurde/ daß die aufferbauung des nechſten nicht mit ernſt und fleiß geſchehe/ wie es noͤthig waͤre/ ſondern alles in ſeiner ſchlaͤffrigkeit u. ſicherheit gelaſſen werden moͤchte. Deſſen ich deſto mehr uͤberzeuget wurde/ als ich Goͤttlichen ſegen erkan- te/ den der HERR zu ein und andern dingen/ wider welche der Satan dermaſſen tobte/ gegeben hatte daß unter ſchiedliche gute ſeelen bezeugẽ muͤſſten/ daß das werck des HERREN bey ihnen frucht gebracht haͤtte; Solche frucht aber zu hindern/ konte ich einmahl nicht finden/ daß es von jemand anders urſpruͤnglich als von dem Fuͤrſten der finſternuͤß herkommen koͤnte/ und wurde durch deſſen widerſetzung ſo viel-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/545>, abgerufen am 25.11.2024.