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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. XIV.
fast scheinen will/ meine hochgeehrte herren von jemand beleidiget oder be-
schimpffet zu dergleichen sich bewegen lassen/ so kan zwar von unbekandter sache
nichts eigendliches urtheilen/ wohl aber insgemein sagen/ das einzugefügtes unrecht
entweder von der wichtigkeit nicht ist (wo es nemlich uns nichts merckliches schadet/
oder an demjenigen dazu wir von Gott gesetzet sind/ hindert) daß man sich darüber
rege/ oder aber es lieget uns ein grosses daran. Wäre jenes/ so ist so Christi als der
vernünfftigen klugheit regeln gemäß/ dergleichen dinge zu verachten/ und uns zu gut
zudüncken/ als daß wir uns die sache starck annehmen/ gleich ob erkenneten wir uns
beleidiget: Wäre aber das andere so hielte davor/ das andere so nachdrücklichere
als weniger anstößige mittel zu ergreiffen wären/ sich gegen zufügendes unrecht zu
schützen. Diese art möchte wol sonsten auch gut meinende mehr stutzig machen/
und ihnen ungleiche gedancken bey bringen/ als denjenigen/ wider welchen sie ge-
meinet wären/ sonderlich wehe thun. Und begegnete uns nachmal aus veranlas-
sung dergleichen dinge etwa widriges/ wüste ich wenig trost in einem solchen leyden/
und achtete daß wir uns selbs solches damit gemachet hätten. Da hingegen die
fleißige übung der von Christo uns so hertzlich anbefohlenen sanfftmuth/ gedult und
demuth uns so wol in dem gemüth/ eine wahre und mit vielen schätzen nicht vertau-
schet zu werden würdige ruhe/ als auch in dem gemeinen leben dieses schaffet/ daß
wir entweder weniger anstösse von andern leyden dörffen/ oder doch davon keinen
schaden nehmen/ und in bloß unschuldigen leyden einen stattlichen trost haben: Da-
her solche reglen als ein der höchsten göttlichen weißheit zu achten sind. Wo also
MHHn. beklagte verfolgungen und widerwärtigkeiten aus veranlassung dergleichen
dinge entstanden solten seyen/ (davon mir alles nichts wissend/ sondern nur eine sorge
ist/ die ich leicht fallen lasse) würde es mir so viel leider seyen: in dem die sonsten in
andern stücken behaltene unschuld/ dennoch mit der gleichen beginnen sehr geschwä-
chet würde. Jch hoffe diese meine geistliche und gewiß aus liebe herkommende
erinnerung werde mit gleicher liebe angesehen und auffgenommen/ ja auch damit
entschuldiget werden/ da derselbe zu anfang seines geliebten schreibens meldet/ daß er
schmeicheleyen feind seye/ daß mir dadurch die freyheit genommen/ gleiche art mei-
nes gemüths in der that zu zeigen/ wozu ohne das das gewissen verbindet. Wozu
noch kommet/ daß ein anders seye an einen guten freund/ ein anders von demselben
schreiben: da in diesem allemal liebreiche entschuldigungen nöthig/ in jenem besser
ist/ sein hertz auffrichtig auszuschütten/ und wo man etwas in demselben/ das ihm
selbs hinderlich seyeu möchte/ warnimmet/ treulich erinnerung zuthun. Jch lasse
es vor dieses mal darbey bleiben/ ohn daß den himmlischen vater hertzlich anruffe/
denselben mit seinen H. Geist in allen stücken zur erkantnüß seines willens zu regie-
ren/ und mit aller art ersprießlichen seegens in gnaden zu erfüllen. 20. April 1683.

SECTIO
Cccc

ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. XIV.
faſt ſcheinen will/ meine hochgeehrte herren von jemand beleidiget oder be-
ſchimpffet zu dergleichen ſich bewegen laſſen/ ſo kan zwar von unbekandter ſache
nichts eigendliches urtheilen/ wohl aber insgemein ſagen/ das einzugefuͤgtes unrecht
entweder von der wichtigkeit nicht iſt (wo es nemlich uns nichts merckliches ſchadet/
oder an demjenigen dazu wir von Gott geſetzet ſind/ hindert) daß man ſich daruͤber
rege/ oder aber es lieget uns ein groſſes daran. Waͤre jenes/ ſo iſt ſo Chriſti als der
vernuͤnfftigen klugheit regeln gemaͤß/ dergleichen dinge zu verachten/ und uns zu gut
zuduͤncken/ als daß wir uns die ſache ſtarck annehmen/ gleich ob erkenneten wir uns
beleidiget: Waͤre aber das andere ſo hielte davor/ das andere ſo nachdruͤcklichere
als weniger anſtoͤßige mittel zu ergreiffen waͤren/ ſich gegen zufuͤgendes unrecht zu
ſchuͤtzen. Dieſe art moͤchte wol ſonſten auch gut meinende mehr ſtutzig machen/
und ihnen ungleiche gedancken bey bringen/ als denjenigen/ wider welchen ſie ge-
meinet waͤren/ ſonderlich wehe thun. Und begegnete uns nachmal aus veranlaſ-
ſung dergleichen dinge etwa widriges/ wuͤſte ich wenig troſt in einem ſolchen leyden/
und achtete daß wir uns ſelbs ſolches damit gemachet haͤtten. Da hingegen die
fleißige uͤbung der von Chriſto uns ſo hertzlich anbefohlenen ſanfftmuth/ gedult und
demuth uns ſo wol in dem gemuͤth/ eine wahre und mit vielen ſchaͤtzen nicht vertau-
ſchet zu werden wuͤrdige ruhe/ als auch in dem gemeinen leben dieſes ſchaffet/ daß
wir entweder weniger anſtoͤſſe von andern leyden doͤrffen/ oder doch davon keinen
ſchaden nehmen/ und in bloß unſchuldigen leyden einen ſtattlichen troſt haben: Da-
her ſolche reglen als ein der hoͤchſten goͤttlichen weißheit zu achten ſind. Wo alſo
MHHn. beklagte verfolgungen uñ widerwaͤrtigkeiten aus veranlaſſung dergleichen
dinge entſtanden ſolten ſeyen/ (davon mir alles nichts wiſſend/ ſondern nur eine ſorge
iſt/ die ich leicht fallen laſſe) wuͤrde es mir ſo viel leider ſeyen: in dem die ſonſten in
andern ſtuͤcken behaltene unſchuld/ dennoch mit der gleichen beginnen ſehr geſchwaͤ-
chet wuͤrde. Jch hoffe dieſe meine geiſtliche und gewiß aus liebe herkommende
erinnerung werde mit gleicher liebe angeſehen und auffgenommen/ ja auch damit
entſchuldiget werden/ da derſelbe zu anfang ſeines geliebten ſchreibens meldet/ daß er
ſchmeicheleyen feind ſeye/ daß mir dadurch die freyheit genommen/ gleiche art mei-
nes gemuͤths in der that zu zeigen/ wozu ohne das das gewiſſen verbindet. Wozu
noch kommet/ daß ein anders ſeye an einen guten freund/ ein anders von demſelben
ſchreiben: da in dieſem allemal liebreiche entſchuldigungen noͤthig/ in jenem beſſer
iſt/ ſein hertz auffrichtig auszuſchuͤtten/ und wo man etwas in demſelben/ das ihm
ſelbs hinderlich ſeyeu moͤchte/ warnimmet/ treulich erinnerung zuthun. Jch laſſe
es vor dieſes mal darbey bleiben/ ohn daß den himmliſchen vater hertzlich anruffe/
denſelben mit ſeinen H. Geiſt in allen ſtuͤcken zur erkantnuͤß ſeines willens zu regie-
ren/ und mit aller art erſprießlichen ſeegens in gnaden zu erfuͤllen. 20. April 1683.

SECTIO
Cccc
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[569/0587] ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECT. XIV. faſt ſcheinen will/ meine hochgeehrte herren von jemand beleidiget oder be- ſchimpffet zu dergleichen ſich bewegen laſſen/ ſo kan zwar von unbekandter ſache nichts eigendliches urtheilen/ wohl aber insgemein ſagen/ das einzugefuͤgtes unrecht entweder von der wichtigkeit nicht iſt (wo es nemlich uns nichts merckliches ſchadet/ oder an demjenigen dazu wir von Gott geſetzet ſind/ hindert) daß man ſich daruͤber rege/ oder aber es lieget uns ein groſſes daran. Waͤre jenes/ ſo iſt ſo Chriſti als der vernuͤnfftigen klugheit regeln gemaͤß/ dergleichen dinge zu verachten/ und uns zu gut zuduͤncken/ als daß wir uns die ſache ſtarck annehmen/ gleich ob erkenneten wir uns beleidiget: Waͤre aber das andere ſo hielte davor/ das andere ſo nachdruͤcklichere als weniger anſtoͤßige mittel zu ergreiffen waͤren/ ſich gegen zufuͤgendes unrecht zu ſchuͤtzen. Dieſe art moͤchte wol ſonſten auch gut meinende mehr ſtutzig machen/ und ihnen ungleiche gedancken bey bringen/ als denjenigen/ wider welchen ſie ge- meinet waͤren/ ſonderlich wehe thun. Und begegnete uns nachmal aus veranlaſ- ſung dergleichen dinge etwa widriges/ wuͤſte ich wenig troſt in einem ſolchen leyden/ und achtete daß wir uns ſelbs ſolches damit gemachet haͤtten. Da hingegen die fleißige uͤbung der von Chriſto uns ſo hertzlich anbefohlenen ſanfftmuth/ gedult und demuth uns ſo wol in dem gemuͤth/ eine wahre und mit vielen ſchaͤtzen nicht vertau- ſchet zu werden wuͤrdige ruhe/ als auch in dem gemeinen leben dieſes ſchaffet/ daß wir entweder weniger anſtoͤſſe von andern leyden doͤrffen/ oder doch davon keinen ſchaden nehmen/ und in bloß unſchuldigen leyden einen ſtattlichen troſt haben: Da- her ſolche reglen als ein der hoͤchſten goͤttlichen weißheit zu achten ſind. Wo alſo MHHn. beklagte verfolgungen uñ widerwaͤrtigkeiten aus veranlaſſung dergleichen dinge entſtanden ſolten ſeyen/ (davon mir alles nichts wiſſend/ ſondern nur eine ſorge iſt/ die ich leicht fallen laſſe) wuͤrde es mir ſo viel leider ſeyen: in dem die ſonſten in andern ſtuͤcken behaltene unſchuld/ dennoch mit der gleichen beginnen ſehr geſchwaͤ- chet wuͤrde. Jch hoffe dieſe meine geiſtliche und gewiß aus liebe herkommende erinnerung werde mit gleicher liebe angeſehen und auffgenommen/ ja auch damit entſchuldiget werden/ da derſelbe zu anfang ſeines geliebten ſchreibens meldet/ daß er ſchmeicheleyen feind ſeye/ daß mir dadurch die freyheit genommen/ gleiche art mei- nes gemuͤths in der that zu zeigen/ wozu ohne das das gewiſſen verbindet. Wozu noch kommet/ daß ein anders ſeye an einen guten freund/ ein anders von demſelben ſchreiben: da in dieſem allemal liebreiche entſchuldigungen noͤthig/ in jenem beſſer iſt/ ſein hertz auffrichtig auszuſchuͤtten/ und wo man etwas in demſelben/ das ihm ſelbs hinderlich ſeyeu moͤchte/ warnimmet/ treulich erinnerung zuthun. Jch laſſe es vor dieſes mal darbey bleiben/ ohn daß den himmliſchen vater hertzlich anruffe/ denſelben mit ſeinen H. Geiſt in allen ſtuͤcken zur erkantnuͤß ſeines willens zu regie- ren/ und mit aller art erſprießlichen ſeegens in gnaden zu erfuͤllen. 20. April 1683. SECTIO Cccc

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/587>, abgerufen am 22.11.2024.