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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
SECTIO XXIII.

Offentliche ablesung der gantzen H. Schrifft/ wie
nothwendig. Nutzen der wohl eingerichteten predigten
neben solcher ablesung.

ES ist an dem/ daß wie vorher einige/ also sonderlich letztmahls von dem
Septembri zwey brieffe empfangen habe/ deren letzterem/ so NN. aus
Hamburg an mich bestellet/ und das andere schreiben an ihre Churfürstl.
Durchl. samt den paqvet beygefüget gewesen. Jch habe auch dasselbe unverlängt
in unsers gnädigsten Churfürsten hände selbs gelieffert. Hierauff zweiffelte nicht/
daß der ordnung nach solches würde von ihr Churfürstl. durchl. in dero geheimen
Rath eingegeben/ und von dar in unser Ober-Consistorium remittiret werden/
welches aber bißher nicht geschehen ist/ und ich die ursachen nicht weiß/ warüm es
hingelegt und zur deliberation nicht gebracht worden; bin auch nicht versichert/
ob und wann es noch ferner geschehen möchte. Weiln denn meine antwort an-
fangs so lange verschieben wollen/ biß ich von dem ausgang dessen/ was in un-
serm Ober-Consistorio in der sache gut befunden wäre worden/ etwas berichten
könte/ und mir aber diese hoffnung etwas zweiffel-hafftig werden will/ so habe
nicht länger anstand nehmen/ sondern in privato meine wohlmeinende gedan-
cken/ nachdem das überschickte in der forcht des HErrn durchgelesen/ offenher-
tzig hinderbringen und mittheilen wollen.

So kan nun 1. desselben und aller derer/ welche über die würde der H. schrifft
halten/ und den leuten dero gebrauch mehr und mehr beybringen/ gute intention
insgemein nicht anders als billichen und loben/ mit versicherung/ daß auch mei-
ne absicht längst dahin gegangen/ wie das wort des HErrn immer reichlicher in
seiner gemeinde wohnen möchte/ alß dessen vorzug vor allen menschen schrifften
ich so gar nicht läugne/ daß ich meinen zuhörern bey aller gelegenheit denselben
einschärffe.

Jndessen 2. wo wir ad hypothefin gehen und den vorschlag/ so von Mhhl.
geschiehet/ wegen mehrer einführung der öffentl. lesung der H. Bibel/ und zwar
wie und mit was argumenten derselbe in dem tractat getrieben wird/ ansehen/
bin ich nicht in abrede/ daß demselben nicht allerdings unterscheiden kan/ und sehr
wünschte derselbe hätte seinen auffsatz/ ehe er gedruckt worden/ andern mehrern
christlichen und klugen Theologis communiciret/ und vorher dero bedencken da-
rüber eingeholet: da ich versichre/ daß manche wohlmeinende erinnerungen wür-
den geschehen seyn/ welche billich in acht zunehmen gewesen wären. Jn dessen ent-
stehung sehe ich das werck also abgefasset/ daß Mhhl. ohne noth seinem gut mei-
nenden vorhaben nur viel mehrere hindernüssen und besorglich feinde wird durch
seine allzu hefftige klagen und vielerley eingemischtes erwecket/ daher die sach an
stat des erleuchterens nur desto schwerer gemacht haben. Da hingegen bey allen

sol-
Das ſechſte Capitel.
SECTIO XXIII.

Offentliche ableſung der gantzen H. Schrifft/ wie
nothwendig. Nutzen der wohl eingerichteten predigten
neben ſolcher ableſung.

ES iſt an dem/ daß wie vorher einige/ alſo ſonderlich letztmahls von dem
Septembri zwey brieffe empfangen habe/ deren letzterem/ ſo NN. aus
Hamburg an mich beſtellet/ und das andere ſchreiben an ihre Churfuͤrſtl.
Durchl. ſamt den paqvet beygefuͤget geweſen. Jch habe auch daſſelbe unverlaͤngt
in unſers gnaͤdigſten Churfuͤrſten haͤnde ſelbs gelieffert. Hierauff zweiffelte nicht/
daß der ordnung nach ſolches wuͤrde von ihr Churfuͤrſtl. durchl. in dero geheimen
Rath eingegeben/ und von dar in unſer Ober-Conſiſtorium remittiret werden/
welches aber bißher nicht geſchehen iſt/ und ich die urſachen nicht weiß/ waruͤm es
hingelegt und zur deliberation nicht gebracht worden; bin auch nicht verſichert/
ob und wann es noch ferner geſchehen moͤchte. Weiln denn meine antwort an-
fangs ſo lange verſchieben wollen/ biß ich von dem ausgang deſſen/ was in un-
ſerm Ober-Conſiſtorio in der ſache gut befunden waͤre worden/ etwas berichten
koͤnte/ und mir aber dieſe hoffnung etwas zweiffel-hafftig werden will/ ſo habe
nicht laͤnger anſtand nehmen/ ſondern in privato meine wohlmeinende gedan-
cken/ nachdem das uͤberſchickte in der forcht des HErrn durchgeleſen/ offenher-
tzig hinderbringen und mittheilen wollen.

So kan nun 1. deſſelben und aller derer/ welche uͤber die wuͤrde der H. ſchrifft
halten/ und den leuten dero gebrauch mehr und mehr beybringen/ gute intention
insgemein nicht anders als billichen und loben/ mit verſicherung/ daß auch mei-
ne abſicht laͤngſt dahin gegangen/ wie das wort des HErrn immer reichlicher in
ſeiner gemeinde wohnen moͤchte/ alß deſſen vorzug vor allen menſchen ſchrifften
ich ſo gar nicht laͤugne/ daß ich meinen zuhoͤrern bey aller gelegenheit denſelben
einſchaͤrffe.

Jndeſſen 2. wo wir ad hypothefin gehen und den vorſchlag/ ſo von Mhhl.
geſchiehet/ wegen mehrer einfuͤhrung der oͤffentl. leſung der H. Bibel/ und zwar
wie und mit was argumenten derſelbe in dem tractat getrieben wird/ anſehen/
bin ich nicht in abrede/ daß demſelben nicht allerdings unterſcheiden kan/ und ſehr
wuͤnſchte derſelbe haͤtte ſeinen auffſatz/ ehe er gedruckt worden/ andern mehrern
chriſtlichen und klugen Theologis communiciret/ und vorher dero bedencken da-
ruͤber eingeholet: da ich verſichre/ daß manche wohlmeinende erinnerungen wuͤr-
den geſchehen ſeyn/ welche billich in acht zunehmen geweſen waͤren. Jn deſſen ent-
ſtehung ſehe ich das werck alſo abgefaſſet/ daß Mhhl. ohne noth ſeinem gut mei-
nenden vorhaben nur viel mehrere hindernuͤſſen und beſorglich feinde wird durch
ſeine allzu hefftige klagen und vielerley eingemiſchtes erwecket/ daher die ſach an
ſtat des erleuchterens nur deſto ſchwerer gemacht haben. Da hingegen bey allen

ſol-
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[746/0764] Das ſechſte Capitel. SECTIO XXIII. Offentliche ableſung der gantzen H. Schrifft/ wie nothwendig. Nutzen der wohl eingerichteten predigten neben ſolcher ableſung. ES iſt an dem/ daß wie vorher einige/ alſo ſonderlich letztmahls von dem Septembri zwey brieffe empfangen habe/ deren letzterem/ ſo NN. aus Hamburg an mich beſtellet/ und das andere ſchreiben an ihre Churfuͤrſtl. Durchl. ſamt den paqvet beygefuͤget geweſen. Jch habe auch daſſelbe unverlaͤngt in unſers gnaͤdigſten Churfuͤrſten haͤnde ſelbs gelieffert. Hierauff zweiffelte nicht/ daß der ordnung nach ſolches wuͤrde von ihr Churfuͤrſtl. durchl. in dero geheimen Rath eingegeben/ und von dar in unſer Ober-Conſiſtorium remittiret werden/ welches aber bißher nicht geſchehen iſt/ und ich die urſachen nicht weiß/ waruͤm es hingelegt und zur deliberation nicht gebracht worden; bin auch nicht verſichert/ ob und wann es noch ferner geſchehen moͤchte. Weiln denn meine antwort an- fangs ſo lange verſchieben wollen/ biß ich von dem ausgang deſſen/ was in un- ſerm Ober-Conſiſtorio in der ſache gut befunden waͤre worden/ etwas berichten koͤnte/ und mir aber dieſe hoffnung etwas zweiffel-hafftig werden will/ ſo habe nicht laͤnger anſtand nehmen/ ſondern in privato meine wohlmeinende gedan- cken/ nachdem das uͤberſchickte in der forcht des HErrn durchgeleſen/ offenher- tzig hinderbringen und mittheilen wollen. So kan nun 1. deſſelben und aller derer/ welche uͤber die wuͤrde der H. ſchrifft halten/ und den leuten dero gebrauch mehr und mehr beybringen/ gute intention insgemein nicht anders als billichen und loben/ mit verſicherung/ daß auch mei- ne abſicht laͤngſt dahin gegangen/ wie das wort des HErrn immer reichlicher in ſeiner gemeinde wohnen moͤchte/ alß deſſen vorzug vor allen menſchen ſchrifften ich ſo gar nicht laͤugne/ daß ich meinen zuhoͤrern bey aller gelegenheit denſelben einſchaͤrffe. Jndeſſen 2. wo wir ad hypothefin gehen und den vorſchlag/ ſo von Mhhl. geſchiehet/ wegen mehrer einfuͤhrung der oͤffentl. leſung der H. Bibel/ und zwar wie und mit was argumenten derſelbe in dem tractat getrieben wird/ anſehen/ bin ich nicht in abrede/ daß demſelben nicht allerdings unterſcheiden kan/ und ſehr wuͤnſchte derſelbe haͤtte ſeinen auffſatz/ ehe er gedruckt worden/ andern mehrern chriſtlichen und klugen Theologis communiciret/ und vorher dero bedencken da- ruͤber eingeholet: da ich verſichre/ daß manche wohlmeinende erinnerungen wuͤr- den geſchehen ſeyn/ welche billich in acht zunehmen geweſen waͤren. Jn deſſen ent- ſtehung ſehe ich das werck alſo abgefaſſet/ daß Mhhl. ohne noth ſeinem gut mei- nenden vorhaben nur viel mehrere hindernuͤſſen und beſorglich feinde wird durch ſeine allzu hefftige klagen und vielerley eingemiſchtes erwecket/ daher die ſach an ſtat des erleuchterens nur deſto ſchwerer gemacht haben. Da hingegen bey allen ſol-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/764>, abgerufen am 22.11.2024.