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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
gangen worden wäre/ solches noch den nahmen einer seduction nicht meritirte
an denjenigen/ die sich zu unserer Evangelischen wahrheit und libris symbolicis,
und nechst dem was das euserliche anlangt dem schuldigen gehorsam bekennen/ ob
sie auch der meinung wären/ daß in der materie der erbauung Christen vielmehr
erlaubt seye/ als man insgemein glaubt/ aber in gehorsam der oberen sich auch
ihrer freyheit begeben.

3. Wo ich dann endlich vor E. Churfl. Durchl. meine eigne meinung und gut-
achten in unterthänigstem gehorsam entdecken solle/ so hielte ich folgendes zu thun/
als das beqvemste mittel der gantzen sache und bißherigen weiterung ohne grosse
schwerigkeit ihre abhelffliche maaß zu geben.

1. Daß die angefangene inqvisition auf alles dasjenige/ was vorgegangen sol-
le seyn/ vollends an gehörigen orten zu ende gebracht/ so dann solche acta, die der
gantzen sache das rechte licht erst werden geben müssen/ eingeschickt werden sollen:
da sonderlich der hauptpunct wegen der angeschuldigten oder besorgeten irrigen
lehr anzusehen seyn wird/ ob man darinnen auf den rechten grund kommen möge/
ehe dessen man auch nichts recht ausmachen kan. Solte nun solcher punct noch
nicht mit gehörigem fleiß untersuchet seyn worden/ so würde derselbe aufs neue/
fleißigste und sorgfältigste untersucht zu werden/ zu verordnen seyn. Daß man
nemlich zum fördersten denjenigen bürger/ so die puncten Act. Vol. f. 85. 86.
schrifftlich eingegeben aufs schärffste examinirte/ daß er von wem eriedes gehöret/
nahmhafft machen müste/ darüber er samt denjenigen/ welche mit ihm gleiches ge-
höret haben solten/ mit denen/ welche solches geredet oder gelehrt zu haben beschul-
diget werden/ müste confrontiret, und durch zuziehung aller derer/ die mit dabey
gewesen wären/ und also zeugen können/ was wahr oder nicht wahr heraus ge-
bracht werden. Ob ich nun wol aus dem/ was mir privata scientia von M. Scha-
den und anderer reinen lehr bekant ist/ vermuthe/ es werde sich ergeben/ daß entwe-
der solcher bürger/ das ich doch nicht gern wolte/ bößlich dergleichen erdichtet/ oder
aus unverstand die dinge nicht wie sie gemeint/ sondern nach seinen gedancken/ un-
recht gefaßt habe/ also daß was allerdings/ wie es hie vor augen stehet/ gefährliche
irrthum in sich faste/ in seiner rechten gestalt und verstand vorgestellet/ nichts der-
gleichen mehr haben/ sondern einige göttliche wahrheiten begreiffen werde: so halte
ich doch nicht davor/ daß man dabey sicher seyn dörffe/ in dem auch ein verdacht ei-
ner heterodoxiae genauer untersuchung würdig ist/ und also damit nicht in ruhe
stehen darff/ bis alles völlig an den tag gebracht worden wäre. Welches ich glei-
chermassen von demjenigen/ was auch p. 86. von einer lohnwäscherin/ so sich auff ei-
nen candidatum medicinae, und eine jungfrau Heinrichin beruffen/ verstanden
haben will/ daß man nemlich auch/ was daselbs und unter solchen personen vorge-
gangen/ völlig untersuchen müsse. Jn dem ja/ daß einer von dem andern irrige lehr
gelehret worden zu seyn vorgiebet/ noch nicht gnug seyn mag diesen zu verdammen/

nach
Hhhhh 3

DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
gangen worden waͤre/ ſolches noch den nahmen einer ſeduction nicht meritirte
an denjenigen/ die ſich zu unſerer Evangeliſchen wahrheit und libris ſymbolicis,
und nechſt dem was das euſerliche anlangt dem ſchuldigen gehorſam bekennen/ ob
ſie auch der meinung waͤren/ daß in der materie der erbauung Chriſten vielmehr
erlaubt ſeye/ als man insgemein glaubt/ aber in gehorſam der oberen ſich auch
ihrer freyheit begeben.

3. Wo ich dann endlich vor E. Churfl. Durchl. meine eigne meinung und gut-
achten in unterthaͤnigſtem gehorſam entdecken ſolle/ ſo hielte ich folgendes zu thun/
als das beqvemſte mittel der gantzen ſache und bißherigen weiterung ohne groſſe
ſchwerigkeit ihre abhelffliche maaß zu geben.

1. Daß die angefangene inqviſition auf alles dasjenige/ was vorgegangen ſol-
le ſeyn/ vollends an gehoͤrigen orten zu ende gebracht/ ſo dann ſolche acta, die der
gantzen ſache das rechte licht erſt werden geben muͤſſen/ eingeſchickt werden ſollen:
da ſonderlich der hauptpunct wegen der angeſchuldigten oder beſorgeten irrigen
lehr anzuſehen ſeyn wird/ ob man darinnen auf den rechten grund kommen moͤge/
ehe deſſen man auch nichts recht ausmachen kan. Solte nun ſolcher punct noch
nicht mit gehoͤrigem fleiß unterſuchet ſeyn worden/ ſo wuͤrde derſelbe aufs neue/
fleißigſte und ſorgfaͤltigſte unterſucht zu werden/ zu verordnen ſeyn. Daß man
nemlich zum foͤrderſten denjenigen buͤrger/ ſo die puncten Act. Vol. ☾ f. 85. 86.
ſchrifftlich eingegeben aufs ſchaͤrffſte examinirte/ daß er von wem eriedes gehoͤret/
nahmhafft machen muͤſte/ daruͤber er ſamt denjenigen/ welche mit ihm gleiches ge-
hoͤret haben ſolten/ mit denen/ welche ſolches geredet oder gelehrt zu haben beſchul-
diget werden/ muͤſte confrontiret, und durch zuziehung aller derer/ die mit dabey
geweſen waͤren/ und alſo zeugen koͤnnen/ was wahr oder nicht wahr heraus ge-
bracht werden. Ob ich nun wol aus dem/ was mir privata ſcientia von M. Scha-
den und anderer reinen lehr bekant iſt/ vermuthe/ es werde ſich ergeben/ daß entwe-
der ſolcher buͤrger/ das ich doch nicht gern wolte/ boͤßlich dergleichen erdichtet/ oder
aus unverſtand die dinge nicht wie ſie gemeint/ ſondern nach ſeinen gedancken/ un-
recht gefaßt habe/ alſo daß was allerdings/ wie es hie vor augen ſtehet/ gefaͤhrliche
irrthum in ſich faſte/ in ſeiner rechten geſtalt und verſtand vorgeſtellet/ nichts der-
gleichen mehr haben/ ſondern einige goͤttliche wahrheiten begreiffen werde: ſo halte
ich doch nicht davor/ daß man dabey ſicher ſeyn doͤrffe/ in dem auch ein verdacht ei-
ner heterodoxiæ genauer unterſuchung wuͤrdig iſt/ und alſo damit nicht in ruhe
ſtehen darff/ bis alles voͤllig an den tag gebracht worden waͤre. Welches ich glei-
chermaſſen von demjenigen/ was auch p. 86. von einer lohnwaͤſcherin/ ſo ſich auff ei-
nen candidatum medicinæ, und eine jungfrau Heinrichin beruffen/ verſtanden
haben will/ daß man nemlich auch/ was daſelbs und unter ſolchen perſonen vorge-
gangen/ voͤllig unterſuchen muͤſſe. Jn dem ja/ daß einer von dem andern irrige lehr
gelehret worden zu ſeyn vorgiebet/ noch nicht gnug ſeyn mag dieſen zu verdammen/

nach
Hhhhh 3
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[797/0815] DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. gangen worden waͤre/ ſolches noch den nahmen einer ſeduction nicht meritirte an denjenigen/ die ſich zu unſerer Evangeliſchen wahrheit und libris ſymbolicis, und nechſt dem was das euſerliche anlangt dem ſchuldigen gehorſam bekennen/ ob ſie auch der meinung waͤren/ daß in der materie der erbauung Chriſten vielmehr erlaubt ſeye/ als man insgemein glaubt/ aber in gehorſam der oberen ſich auch ihrer freyheit begeben. 3. Wo ich dann endlich vor E. Churfl. Durchl. meine eigne meinung und gut- achten in unterthaͤnigſtem gehorſam entdecken ſolle/ ſo hielte ich folgendes zu thun/ als das beqvemſte mittel der gantzen ſache und bißherigen weiterung ohne groſſe ſchwerigkeit ihre abhelffliche maaß zu geben. 1. Daß die angefangene inqviſition auf alles dasjenige/ was vorgegangen ſol- le ſeyn/ vollends an gehoͤrigen orten zu ende gebracht/ ſo dann ſolche acta, die der gantzen ſache das rechte licht erſt werden geben muͤſſen/ eingeſchickt werden ſollen: da ſonderlich der hauptpunct wegen der angeſchuldigten oder beſorgeten irrigen lehr anzuſehen ſeyn wird/ ob man darinnen auf den rechten grund kommen moͤge/ ehe deſſen man auch nichts recht ausmachen kan. Solte nun ſolcher punct noch nicht mit gehoͤrigem fleiß unterſuchet ſeyn worden/ ſo wuͤrde derſelbe aufs neue/ fleißigſte und ſorgfaͤltigſte unterſucht zu werden/ zu verordnen ſeyn. Daß man nemlich zum foͤrderſten denjenigen buͤrger/ ſo die puncten Act. Vol. ☾ f. 85. 86. ſchrifftlich eingegeben aufs ſchaͤrffſte examinirte/ daß er von wem eriedes gehoͤret/ nahmhafft machen muͤſte/ daruͤber er ſamt denjenigen/ welche mit ihm gleiches ge- hoͤret haben ſolten/ mit denen/ welche ſolches geredet oder gelehrt zu haben beſchul- diget werden/ muͤſte confrontiret, und durch zuziehung aller derer/ die mit dabey geweſen waͤren/ und alſo zeugen koͤnnen/ was wahr oder nicht wahr heraus ge- bracht werden. Ob ich nun wol aus dem/ was mir privata ſcientia von M. Scha- den und anderer reinen lehr bekant iſt/ vermuthe/ es werde ſich ergeben/ daß entwe- der ſolcher buͤrger/ das ich doch nicht gern wolte/ boͤßlich dergleichen erdichtet/ oder aus unverſtand die dinge nicht wie ſie gemeint/ ſondern nach ſeinen gedancken/ un- recht gefaßt habe/ alſo daß was allerdings/ wie es hie vor augen ſtehet/ gefaͤhrliche irrthum in ſich faſte/ in ſeiner rechten geſtalt und verſtand vorgeſtellet/ nichts der- gleichen mehr haben/ ſondern einige goͤttliche wahrheiten begreiffen werde: ſo halte ich doch nicht davor/ daß man dabey ſicher ſeyn doͤrffe/ in dem auch ein verdacht ei- ner heterodoxiæ genauer unterſuchung wuͤrdig iſt/ und alſo damit nicht in ruhe ſtehen darff/ bis alles voͤllig an den tag gebracht worden waͤre. Welches ich glei- chermaſſen von demjenigen/ was auch p. 86. von einer lohnwaͤſcherin/ ſo ſich auff ei- nen candidatum medicinæ, und eine jungfrau Heinrichin beruffen/ verſtanden haben will/ daß man nemlich auch/ was daſelbs und unter ſolchen perſonen vorge- gangen/ voͤllig unterſuchen muͤſſe. Jn dem ja/ daß einer von dem andern irrige lehr gelehret worden zu ſeyn vorgiebet/ noch nicht gnug ſeyn mag dieſen zu verdammen/ nach Hhhhh 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/815>, abgerufen am 22.11.2024.