Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. SECTIO XXXVI. Zerrüttung der gemüther der Theologorum, WAs von dem elend unserer kirchen wegen der zerrüttung der gemüther unter nen
Das ſechſte Capitel. SECTIO XXXVI. Zerruͤttung der gemuͤther der Theologorum, WAs von dem elend unſerer kirchen wegen der zeꝛruͤttung der gemuͤther unter nen
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Das ſechſte Capitel.
SECTIO XXXVI.
Zerruͤttung der gemuͤther der Theologorum,
und wie meiſtens von beyden ſeiten/ derer die die ſtudia und
die die praxin treiben/ gefehlet werde. Groſ-
ſer ſchade davon.
WAs von dem elend unſerer kirchen wegen der zeꝛruͤttung der gemuͤther unter
den Theologen gemeldet wird/ iſt die lautere wahrheit/ und mir ſchon
lang ein ſolcher kummer/ daß ich unſerer gantzen kirchen nichts gutes drauß
weiſſagen kan/ ſondern deſto ſchwehrere gerichte ſorge/ oder daß wir unſer gebaͤu/
daß ohne das klein genug und ſchadhafft iſt/ endlich ſelbs niderreiſſen werden. Daß
von denen/ die die controverſen hauptſaͤchlich lieben/ und von denen/ welche die
praxin treiben beiderſeits einiges menſchliches zu weilen begangen werde/ zweiffle
ich nicht/ ſondern ſeufftze bald uͤber dieſes/ bald uͤber jenes/ kan aber nicht gnug hel-
fen: Doch finde jener affecten hefftiger/ ihre anſchlaͤge gewaltſamer/ und ihre ab-
ſicht weniger rein. Obs dann geſchiehet/ daß der HERR denſelben mehr
zu der unterdruckung zulieſſe/ ſo doͤrffte es zu dieſer reinigung dienen/ daß ſolches
feuer der truͤbſal/ wo auch gefallen an ſich ſelbſten vorhanden geweſſt/ und man je-
ner gewaltſamkeit nicht mit gnugſamer liebe und gedult getragen/ ſondern auch
den menſchen hervor gucken laſſen/ ſolches alles verzehre/ und ſie deſto auser-
wehlter machen: da ich alsdann ihnen den ſieg von dem HERRN/ wider die/
welche ſich fleiſchlichen arms gegen ſie mißbraucht/ gewiß zuzuſa gen getraue. Jch
bekenne/ daß zur befoͤrderung der rechtſchaffenen Gottſeligkeit nach der ſchrifft und
auch unſren Symboliſchen buͤchern/ nun ſo viele jahr alle meine abſichten/ arbeiten/
predigten/ ſchrifften und rathſchlaͤge gerichtet habe/ daher wohl weiß auch ihrer
vielen ein dorn in den augen zu ſeyn: Jndeſſen æſtimire ich auch alle ſtudia Aca-
demica/ ſelbs die Polemica/ und wolte nicht/ daß unſre kirch eines einigen deſſel-
bigen entrathen ſolte; wie ichs auch ohne dero ſchaden nicht glaube geſchehen zu
koͤnnen: nur daß alles zu dem rechten zweck gerichtet/ jeden gleichſam ſein pen-
ſum/ was ihm am nuͤtzlichſten zu kommet/ angewieſen/ das ſtudium exegeti-
cum den uͤbrigen vorgezogen/ und die rechtſchaffene pietaͤt zum grunde geleget/
das iſt/ dahin getrachtet werde/ daß alle diejenige erſtlich wahre Chriſten werden
und bleiben/ welche zu der Theologie ſich appliciren. Wie ich dieſes alles in
in der præfatione ad Tabb. Hodoſoph. neulich ausgefuͤhret/ wie wol auch un-
verſchuldeter weiſe ſich dieſelbe von unterſchiedlichen leiden muß. Alſo erkenne
ich ſelbs an unterſchiedlichen Academicis leute/ die ich ſo hoch/ und vor ſo treue die-
ner GOttes halte/ als andere/ ſo auſſer ſolchen lebens art dem HERREN die-
nen
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