Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. gen/ sondern gefühlet hat/ wie schwehr es ihm falle. Welche schwachheit gleich-wol an sich selbs nicht sündlich ist. Wo aber einige diesen spruch dannoch von den sündlichen schwachheiten verstehen/ und damit sich in ihrer sicherheit stärcken wol- len/ mögen sie wol zusehen/ daß sie nicht mit dem ruhm ihrer schwachheit vor den heiligen augen GOttes ihre sünde noch dazu vermehren. 2.) Was den andern ort anlangt 1. Tim. 5/ 8. bin ich nicht in abrede/ daß Diese sache finde nun so klar/ daß mich verwundere/ solche nicht eher war- oder
Das ſechſte Capitel. gen/ ſondern gefuͤhlet hat/ wie ſchwehr es ihm falle. Welche ſchwachheit gleich-wol an ſich ſelbs nicht ſuͤndlich iſt. Wo aber einige dieſen ſpruch dannoch von den ſuͤndlichen ſchwachheiten verſtehen/ und damit ſich in ihrer ſicherheit ſtaͤrcken wol- len/ moͤgen ſie wol zuſehen/ daß ſie nicht mit dem ruhm ihrer ſchwachheit vor den heiligen augen GOttes ihre ſuͤnde noch dazu vermehren. 2.) Was den andern ort anlangt 1. Tim. 5/ 8. bin ich nicht in abrede/ daß Dieſe ſache finde nun ſo klar/ daß mich verwundere/ ſolche nicht eher war- oder
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Das ſechſte Capitel.
gen/ ſondern gefuͤhlet hat/ wie ſchwehr es ihm falle. Welche ſchwachheit gleich-
wol an ſich ſelbs nicht ſuͤndlich iſt. Wo aber einige dieſen ſpruch dannoch von den
ſuͤndlichen ſchwachheiten verſtehen/ und damit ſich in ihrer ſicherheit ſtaͤrcken wol-
len/ moͤgen ſie wol zuſehen/ daß ſie nicht mit dem ruhm ihrer ſchwachheit vor den
heiligen augen GOttes ihre ſuͤnde noch dazu vermehren.
2.) Was den andern ort anlangt 1. Tim. 5/ 8. bin ich nicht in abrede/ daß
ihn biß dahin anders/ nemlich von der ſorge der eltern vor die kinder verſtanden ha-
be/ daß jenen obligen/ gleich wie die kinder in der forcht GOttes zu erziehen/ alſo
auch ohne geitz/ ungerechtigkeit und verſaͤumung der liebe des nechſten/ in dem zeit-
lichen alſo vor ſie zu ſorgen/ daß ſie moͤgen wol erzogen werden/ und nicht wo die
eltern nachlaͤßig und faul waͤren/ auch alles das ihrige verthaͤten/ der gemeinde
zur laſt uͤber den halß fallen: Jch habe aber von kurtzer zeit aus anderer veranlaſ-
ſung den text anders anfangen einzuſehen/ daß ich nun faſt nicht zweifle/ es werde
von der verſorgung alter und unvermoͤglicher eltern geredet/ und dieſe den kindern
befohlen. Welches der gantze context und die abſicht des Apoſtels/ die da war/ zu
zeigen welche witwen aus der gemeinde guͤtigkeit unterhalten werden ſolten/ mit
ſich bringet: ſonderlich v. 4. da außtruͤcklich davon geredet wird/ daß die wit-
wen nicht dazu gezogen werden ſolten/ die kinder und neffen haben: da heiſt
es/ ſolche (nicht die witwen/ ſondern kinder und neffen/ wie es dann der pluralis
iſt/ da von der witwe in ſingulari geredet wird) laß zuvor (ehe ſie die kirche be-
ſchwehren) lernen ihre haͤuſer goͤttlich regieren (zu welcher gottſeligkeit auch
das folgende gehoͤret) und den eltern gleiches vergelten/ alſo wie ſie/ da ſie ſich
nicht ſelbs verſorgen koͤnten von den eltern unterhalten worden/ ihnen in ihrem un-
vermoͤglichen ſtande auff gleiche weiſe begegnen. Auff dieſes zeigt der Apoſtel
ferner/ welches hingegen eine rechte und alſo der gemeinen wolthat wuͤrdige wit-
we ſeye v. 5. 6. darauff v. 7. erinnert er/ daß ſie dergleichen wol in acht nehmen ſol-
len. Endlich v. 8. folget die urſach/ warum man ſich/ ſonderlich von ſeiten der
kinder gegen ihre alte muͤttern/ dergleichen treue ſolle laſſen angelegen ſeyen/ will ſo
gar wer die ſeinige nicht verſoꝛge/ aͤrger als ein Heyde ſeye/ und den glauben
verlaͤugnet habe/ alſo vor keinen Chriſten gehalten werden koͤnne. Wo dann
die abſicht vornehmlich gerichtet iſt/ auff die pflicht der kinder gegen die eltern/ aber
die worte gehen allgemeiner/ und drucken die pflicht eines jeden gegen ſeine hauß-
genoſſen aus.
Dieſe ſache finde nun ſo klar/ daß mich verwundere/ ſolche nicht eher war-
genommen zuhaben. Jch ſehe aber/ daß auch andere unſerer Chriſtlichen lehrer
dieſen rechten verſtand weiſen. Alſo redet Hunnius, daß der Apoſtel hie die je-
nige ſtraffe/ welche ihren muͤttern und großmuͤttern/ ſo von alter unvermoͤglich
worden die ſchuldige liebe nicht erweiſen. Alſo uͤber v. 4. gloßiren die Weymariſche
alſo/ ſo aber eine witwe kinder oder neffen/ (kindes kinder) hat/ ſolche (kinder
oder
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