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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
daß sichs sonnenklahr ergeben werde/ wie weder eine secte noch dero eigentlicher
anfang in Leipzig entstanden/ davon doch nicht nur solche statt und gantzes land
von so genannten geistlichen mit bösen gerüchte erfüllet sondern auch die gantze Evan-
gelische kirche zu grossem ärgernüß verunruhigt worden ist: und hat man sich nicht zu
zu verwundern/ daß aus falscher ursach dannoch grosse unruhe entstehen könne/ wie dann
wo zum exempel in der nacht in einer statt einige boßhafftige herum lauffen/ daß ver-
rätherey in der statt seye ausschreyen/ und wol gar die sturm-glock anziehen wür-
den/ einen solchen tumult u. in denselben wahrhafftig fast so viel unglück/ mord und
unwesen entstehen könte/ als wann in der that etwas daran gewesen wäre. Nicht
viel andere bewandnüß hat es mit dem gantzen pietistischen unwesen/ und kommt
der lermen von denen/ die eine secte fälschlich erdichtet/ und alles damit in unruhe
gesetzt haben: darzu sie aus fleischlichen ursachen/ neid und sorge durch anderer
fleißiger und gottseliger leute exempel beschemet zu werden/ mögen bewogen seyen
worden/ aber auffs wenigste dem grossen GOtt des wegen schwehre rechnung zu
thun haben werden.

Daß aber E. Churf. Durchl. nicht in die gedancken kommen möchten/ ob redete
ich hierinnen meinen willen/ so kan ich die unschuld/ derer/ welche wegen des pietis-
mi
beschuldiget werden/ sattsam darthun/ als der ich damal durch GOttes gnade
in dero kirchen-rath gesessen/ und alle acta lesen müssen/ auch gelesen habe: Da
E. Churf. Durchl. sich versichern können/ daß nicht ein einiger irrthum der lehr o-
der etwas dessen/ so wider GOtt oder Christliche Obrigkeit oder den nechsten strit-
te und sträfflich wäre/ den leuten erweißlich gemacht worden seye. Der anfang
war 1689. als M. Franck/ jetziger Professor zu Halle und Pastor zu Glauche da-
selbs/ in Leipzig mit andern Magistris und Studiosis Collegia über die Bibel
nach hergebrachter Academischer freyheit hielte/ mit diesem einigen unterschied/
daß er mehr auff die practica als theoretica triebe/ und den Studiosis das haupt
studium der schrifft vor andern recommendirte/ dadurch viele Studiosi dassel-
bige vor allen andern sich angelegen seyen zu lassen/ und so bald auch eines Christli-
chern lebens/ sich zu befliessen angefangen haben. Weil nun der zulauff unge-
mein groß/ und solcher Magister ohne seinen willen von den zuhörern mehr als an-
dre es ertragen konten gelobet wurde/ gieng der handel an/ und demunciirte die
Theologische Facultät in Leipzig solches in den kirchen-rath als eine gefährliche
sache/ die sie ferner untersuchen wolte/ wurden auch so bald M. Francken seine Col-
legia inhibiret
/ und eine inquisition angestellet/ so ein paar monat gewähret.
Hievon ligen in E. Churf. Durchl. kirchen-rath die acta mit der Universität rela-
tion,
ja es hat die Theologische Facultät/ wie das original bey den acten vor-
handen ist/ bekennet/ es seye in solcher inquisition nichts dessen/ was wider M.
Francken und andre/ so es mit ihm gehalten geklaget/ erwiesen worden/ wie wol sie

ihn

Das ſechſte Capitel.
daß ſichs ſonnenklahr ergeben weꝛde/ wie weder eine ſecte noch dero eigentlicher
anfang in Leipzig entſtanden/ davon doch nicht nur ſolche ſtatt und gantzes land
von ſo genannten geiſtlichẽ mit boͤſen geruͤchte erfuͤllet ſondern auch die gantze Evan-
geliſche kirche zu groſſem aͤrgernuͤß verunruhigt worden iſt: uñ hat man ſich nicht zu
zu verwundeꝛn/ daß aus falſcher urſach dañoch groſſe unruhe entſtehen koͤñe/ wie dañ
wo zum exempel in der nacht in einer ſtatt einige boßhafftige herum lauffen/ daß ver-
raͤtherey in der ſtatt ſeye ausſchreyen/ und wol gar die ſturm-glock anziehen wuͤr-
den/ einen ſolchen tumult u. in denſelben wahrhafftig faſt ſo viel ungluͤck/ mord und
unweſen entſtehen koͤnte/ als wann in der that etwas daran geweſen waͤre. Nicht
viel andere bewandnuͤß hat es mit dem gantzen pietiſtiſchen unweſen/ und kommt
der lermen von denen/ die eine ſecte faͤlſchlich erdichtet/ und alles damit in unruhe
geſetzt haben: darzu ſie aus fleiſchlichen urſachen/ neid und ſorge durch anderer
fleißiger und gottſeliger leute exempel beſchemet zu werden/ moͤgen bewogen ſeyen
worden/ aber auffs wenigſte dem groſſen GOtt des wegen ſchwehre rechnung zu
thun haben werden.

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ich hierinnen meinen willen/ ſo kan ich die unſchuld/ derer/ welche wegen des pietis-
mi
beſchuldiget werden/ ſattſam darthun/ als der ich damal durch GOttes gnade
in dero kirchen-rath geſeſſen/ und alle acta leſen muͤſſen/ auch geleſen habe: Da
E. Churf. Durchl. ſich verſichern koͤnnen/ daß nicht ein einiger irrthum der lehr o-
der etwas deſſen/ ſo wider GOtt oder Chriſtliche Obrigkeit oder den nechſten ſtrit-
te und ſtraͤfflich waͤre/ den leuten erweißlich gemacht worden ſeye. Der anfang
war 1689. als M. Franck/ jetziger Profeſſor zu Halle und Paſtor zu Glauche da-
ſelbs/ in Leipzig mit andern Magiſtris und Studioſis Collegia uͤber die Bibel
nach hergebrachter Academiſcher freyheit hielte/ mit dieſem einigen unterſchied/
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ſtudium der ſchrifft vor andern recommendirte/ dadurch viele Studioſi daſſel-
bige vor allen andern ſich angelegen ſeyen zu laſſen/ und ſo bald auch eines Chriſtli-
chern lebens/ ſich zu beflieſſen angefangen haben. Weil nun der zulauff unge-
mein groß/ und ſolcher Magiſter ohne ſeinen willen von den zuhoͤrern mehr als an-
dre es ertragen konten gelobet wurde/ gieng der handel an/ und demunciirte die
Theologiſche Facultaͤt in Leipzig ſolches in den kirchen-rath als eine gefaͤhrliche
ſache/ die ſie ferner unterſuchen wolte/ wurden auch ſo bald M. Francken ſeine Col-
legia inhibiret
/ und eine inquiſition angeſtellet/ ſo ein paar monat gewaͤhret.
Hievon ligen in E. Churf. Durchl. kirchen-rath die acta mit der Univerſitaͤt rela-
tion,
ja es hat die Theologiſche Facultaͤt/ wie das original bey den acten vor-
handen iſt/ bekennet/ es ſeye in ſolcher inquiſition nichts deſſen/ was wider M.
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[936/0954] Das ſechſte Capitel. daß ſichs ſonnenklahr ergeben weꝛde/ wie weder eine ſecte noch dero eigentlicher anfang in Leipzig entſtanden/ davon doch nicht nur ſolche ſtatt und gantzes land von ſo genannten geiſtlichẽ mit boͤſen geruͤchte erfuͤllet ſondern auch die gantze Evan- geliſche kirche zu groſſem aͤrgernuͤß verunruhigt worden iſt: uñ hat man ſich nicht zu zu verwundeꝛn/ daß aus falſcher urſach dañoch groſſe unruhe entſtehen koͤñe/ wie dañ wo zum exempel in der nacht in einer ſtatt einige boßhafftige herum lauffen/ daß ver- raͤtherey in der ſtatt ſeye ausſchreyen/ und wol gar die ſturm-glock anziehen wuͤr- den/ einen ſolchen tumult u. in denſelben wahrhafftig faſt ſo viel ungluͤck/ mord und unweſen entſtehen koͤnte/ als wann in der that etwas daran geweſen waͤre. Nicht viel andere bewandnuͤß hat es mit dem gantzen pietiſtiſchen unweſen/ und kommt der lermen von denen/ die eine ſecte faͤlſchlich erdichtet/ und alles damit in unruhe geſetzt haben: darzu ſie aus fleiſchlichen urſachen/ neid und ſorge durch anderer fleißiger und gottſeliger leute exempel beſchemet zu werden/ moͤgen bewogen ſeyen worden/ aber auffs wenigſte dem groſſen GOtt des wegen ſchwehre rechnung zu thun haben werden. Daß aber E. Churf. Durchl. nicht in die gedancken kom̃en moͤchten/ ob redete ich hierinnen meinen willen/ ſo kan ich die unſchuld/ derer/ welche wegen des pietis- mi beſchuldiget werden/ ſattſam darthun/ als der ich damal durch GOttes gnade in dero kirchen-rath geſeſſen/ und alle acta leſen muͤſſen/ auch geleſen habe: Da E. Churf. Durchl. ſich verſichern koͤnnen/ daß nicht ein einiger irrthum der lehr o- der etwas deſſen/ ſo wider GOtt oder Chriſtliche Obrigkeit oder den nechſten ſtrit- te und ſtraͤfflich waͤre/ den leuten erweißlich gemacht worden ſeye. Der anfang war 1689. als M. Franck/ jetziger Profeſſor zu Halle und Paſtor zu Glauche da- ſelbs/ in Leipzig mit andern Magiſtris und Studioſis Collegia uͤber die Bibel nach hergebrachter Academiſcher freyheit hielte/ mit dieſem einigen unterſchied/ daß er mehr auff die practica als theoretica triebe/ und den Studioſis das haupt ſtudium der ſchrifft vor andern recommendirte/ dadurch viele Studioſi daſſel- bige vor allen andern ſich angelegen ſeyen zu laſſen/ und ſo bald auch eines Chriſtli- chern lebens/ ſich zu beflieſſen angefangen haben. Weil nun der zulauff unge- mein groß/ und ſolcher Magiſter ohne ſeinen willen von den zuhoͤrern mehr als an- dre es ertragen konten gelobet wurde/ gieng der handel an/ und demunciirte die Theologiſche Facultaͤt in Leipzig ſolches in den kirchen-rath als eine gefaͤhrliche ſache/ die ſie ferner unterſuchen wolte/ wurden auch ſo bald M. Francken ſeine Col- legia inhibiret/ und eine inquiſition angeſtellet/ ſo ein paar monat gewaͤhret. Hievon ligen in E. Churf. Durchl. kirchen-rath die acta mit der Univerſitaͤt rela- tion, ja es hat die Theologiſche Facultaͤt/ wie das original bey den acten vor- handen iſt/ bekennet/ es ſeye in ſolcher inquiſition nichts deſſen/ was wider M. Francken und andre/ ſo es mit ihm gehalten geklaget/ erwieſen worden/ wie wol ſie ihn

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 936. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/954>, abgerufen am 22.11.2024.