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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. III. SECT. XXXI.
vernunfft sich offt mit eingemischet habe/ daraus er sich verstossen hätte. Also
meinte ich/ es gebe gar wol ein tertium/ daß er weder ein Theopneustos (sensu ex-
cluso,
wie diejenige/ derer gantze scripta zur regul der kirchen von GOTT ein-
gegeben worden) noch ein haupt-Enthusiast gewesen. Wenn es nehmlich GOtt
also gefallen hätte/ ihm nicht so wol circa oeconomiam salutis, als andere dinge/
so gleichsam zu einer philosophia sacra gehörten/ (wie mir einmahl eine stelle in
ihm gewiesen worden/ da er spricht/ daß er nicht gesetzt seye in der Theologia etwas
zu ändern/ sondern wo mir recht ist/ die wahre philosophia zuzeigen) vieles unmittel-
bahr zu offenhahrer/ nicht aber auch die gnade verliehen/ solche erkäntnüß mit glei-
cher Göttlicher gewißheit in schrifften zuverfassen/ sondern wol darneben zugelas-
sen/ daß er auch des seinigen mehreres mit untergemischet hätte. Vielleicht wo
wir noch heut zu tage des Königs Salomons viele schrifften/ (davon 1. König. 4/
32. 33.
meldung geschiehet) haben solten/ möchten in denselben manche wahrheiten
stehen/ die derselbe wahrhafftig in Göttlichen liecht erkannt/ ob sie wol nicht in einer
solchen infallibilität geschriben worden/ wie diejenige/ so wir in der Bibel haben/
sondern er solche erkäntnüßen mit menschlichem fleiß mag ausgedruckt haben/ wel-
cher nicht eben frey ist von allen fehlern. Jch sage hiemit nicht/ daß es sich mit
Böhmen also verhalte/ noch könte solches erweisen/ sondern weise allein/ wie ein
medium unter solchen extremis zu treffen müglich. Was also mich selbst betrifft/
wie gern ich verlangte/ in der gantzen sache zu einer gewißheit zu gelangen/ und ver-
sichere/ wo ich zu einer wahren hertzens überzeugung kommen könte/ daß der mann
ein verführer wäre/ daß es mir an eiffer nichts mangeln solte/ ihn von grund der see-
len zu widersprechen: hingegen da ich mich vor GOTT in diesen wichtigen werck
zu schwach zu urtheilen befinde/ weiß ich wohl/ daß meine forsetzliche feinde sich des-
sen trefflich zum vortheil gebrauchen/ auch einige schwache anstoß daran finden; a-
ber ich trage gleichwohl das vertrauen/ daß cordate und billiche gemüther/ welche
verstehen/ was die krafft des gewissens seye/ mir das jenige nicht verdencken kön-
nen noch zumuthen werden/ daß in dessen zweiffel etwas auff eine seite thue/ da ja
nicht anders als sündigen könte. Versichere dabey/ daß dieses mit ein stück mei-
nes offtmahligen gebeths vor GOTT seye/ daß er uns doch nicht allezeit in solchem
zweiffel lassen/ sondern da er bey vielen seinen kindern/ das hertzliche verlangen/ sei-
nen willen gern zu erkennen/ und als denn denselben auch willig zufolgen/ sehe/ auff
ihm bekante art endlich die sache an den tag bringen wolle/ daß wir mit versicherung
wissen/ wo vor wir den mann halten sollen. Vielleicht geben die von Herrn D.
Hickelmannen heraus gegebene fragen/ wan von einigen darauff geantwortet/ und
die materie mehrmahl ultro citraqueventiliret wird werden/ gelegenheit/ daß als
dann mit mehr gewißheit davon geurtheilet werden möge. Wie ich denn insge-
samt das kindliche vertrauen zu der väterlichen güte GOttes t[r]age/ daß sie ge-
genwärtige betrübte und so elendes ansehen gebende verwirrung/ endlich zu einem

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ARTIC. III. SECT. XXXI.
vernunfft ſich offt mit eingemiſchet habe/ daraus er ſich verſtoſſen haͤtte. Alſo
meinte ich/ es gebe gar wol ein tertium/ daß er weder ein Θεόπνευστος (ſenſu ex-
cluſo,
wie diejenige/ derer gantze ſcripta zur regul der kirchen von GOTT ein-
gegeben worden) noch ein haupt-Enthuſiaſt geweſen. Wenn es nehmlich GOtt
alſo gefallen haͤtte/ ihm nicht ſo wol circa œconomiam ſalutis, als andere dinge/
ſo gleichſam zu einer philoſophia ſacra gehoͤrten/ (wie mir einmahl eine ſtelle in
ihm gewieſen worden/ da er ſpricht/ daß er nicht geſetzt ſeye in der Theologia etwas
zu aͤndern/ ſondern wo mir recht iſt/ die wahre philoſophia zuzeigẽ) vieles unmittel-
bahr zu offenhahrer/ nicht aber auch die gnade verliehen/ ſolche erkaͤntnuͤß mit glei-
cher Goͤttlicher gewißheit in ſchrifften zuverfaſſen/ ſondern wol darneben zugelaſ-
ſen/ daß er auch des ſeinigen mehreres mit untergemiſchet haͤtte. Vielleicht wo
wir noch heut zu tage des Koͤnigs Salomons viele ſchrifften/ (davon 1. Koͤnig. 4/
32. 33.
meldung geſchiehet) haben ſolten/ moͤchten in denſelben manche wahrheiten
ſtehen/ die derſelbe wahrhafftig in Goͤttlichen liecht erkannt/ ob ſie wol nicht in einer
ſolchen infallibilitaͤt geſchriben worden/ wie diejenige/ ſo wir in der Bibel haben/
ſondern er ſolche erkaͤntnuͤßen mit menſchlichem fleiß mag ausgedruckt haben/ wel-
cher nicht eben frey iſt von allen fehlern. Jch ſage hiemit nicht/ daß es ſich mit
Boͤhmen alſo verhalte/ noch koͤnte ſolches erweiſen/ ſondern weiſe allein/ wie ein
medium unter ſolchen extremis zu treffen muͤglich. Was alſo mich ſelbſt betꝛifft/
wie gern ich verlangte/ in der gantzen ſache zu einer gewißheit zu gelangen/ und ver-
ſichere/ wo ich zu einer wahren hertzens uͤberzeugung kommen koͤnte/ daß der mann
ein verfuͤhrer waͤre/ daß es mir an eiffer nichts mangeln ſolte/ ihn von grund der ſee-
len zu widerſprechen: hingegen da ich mich vor GOTT in dieſen wichtigen werck
zu ſchwach zu urtheilen befinde/ weiß ich wohl/ daß meine forſetzliche feinde ſich deſ-
ſen trefflich zum vortheil gebrauchen/ auch einige ſchwache anſtoß daran finden; a-
ber ich trage gleichwohl das vertrauen/ daß cordate und billiche gemuͤther/ welche
verſtehen/ was die krafft des gewiſſens ſeye/ mir das jenige nicht verdencken koͤn-
nen noch zumuthen werden/ daß in deſſen zweiffel etwas auff eine ſeite thue/ da ja
nicht anders als ſuͤndigen koͤnte. Verſichere dabey/ daß dieſes mit ein ſtuͤck mei-
nes offtmahligen gebeths vor GOTT ſeye/ daß er uns doch nicht allezeit in ſolchem
zweiffel laſſen/ ſondern da er bey vielen ſeinen kindern/ das hertzliche verlangen/ ſei-
nen willen gern zu erkennen/ und als denn denſelben auch willig zufolgen/ ſehe/ auff
ihm bekante art endlich die ſache an den tag bringen wolle/ daß wir mit verſicherung
wiſſen/ wo vor wir den mann halten ſollen. Vielleicht geben die von Herrn D.
Hickelmannen heraus gegebene fragen/ wan von einigen darauff geantwortet/ und
die materie mehrmahl ultro citraqueventiliret wird werden/ gelegenheit/ daß als
dann mit mehr gewißheit davon geurtheilet werden moͤge. Wie ich denn insge-
ſamt das kindliche veꝛtrauen zu der vaͤterlichen guͤte GOttes t[r]age/ daß ſie ge-
genwaͤrtige betruͤbte und ſo elendes anſehen gebende verwirrung/ endlich zu einem

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[945/0963] ARTIC. III. SECT. XXXI. vernunfft ſich offt mit eingemiſchet habe/ daraus er ſich verſtoſſen haͤtte. Alſo meinte ich/ es gebe gar wol ein tertium/ daß er weder ein Θεόπνευστος (ſenſu ex- cluſo, wie diejenige/ derer gantze ſcripta zur regul der kirchen von GOTT ein- gegeben worden) noch ein haupt-Enthuſiaſt geweſen. Wenn es nehmlich GOtt alſo gefallen haͤtte/ ihm nicht ſo wol circa œconomiam ſalutis, als andere dinge/ ſo gleichſam zu einer philoſophia ſacra gehoͤrten/ (wie mir einmahl eine ſtelle in ihm gewieſen worden/ da er ſpricht/ daß er nicht geſetzt ſeye in der Theologia etwas zu aͤndern/ ſondern wo mir recht iſt/ die wahre philoſophia zuzeigẽ) vieles unmittel- bahr zu offenhahrer/ nicht aber auch die gnade verliehen/ ſolche erkaͤntnuͤß mit glei- cher Goͤttlicher gewißheit in ſchrifften zuverfaſſen/ ſondern wol darneben zugelaſ- ſen/ daß er auch des ſeinigen mehreres mit untergemiſchet haͤtte. Vielleicht wo wir noch heut zu tage des Koͤnigs Salomons viele ſchrifften/ (davon 1. Koͤnig. 4/ 32. 33. meldung geſchiehet) haben ſolten/ moͤchten in denſelben manche wahrheiten ſtehen/ die derſelbe wahrhafftig in Goͤttlichen liecht erkannt/ ob ſie wol nicht in einer ſolchen infallibilitaͤt geſchriben worden/ wie diejenige/ ſo wir in der Bibel haben/ ſondern er ſolche erkaͤntnuͤßen mit menſchlichem fleiß mag ausgedruckt haben/ wel- cher nicht eben frey iſt von allen fehlern. Jch ſage hiemit nicht/ daß es ſich mit Boͤhmen alſo verhalte/ noch koͤnte ſolches erweiſen/ ſondern weiſe allein/ wie ein medium unter ſolchen extremis zu treffen muͤglich. Was alſo mich ſelbſt betꝛifft/ wie gern ich verlangte/ in der gantzen ſache zu einer gewißheit zu gelangen/ und ver- ſichere/ wo ich zu einer wahren hertzens uͤberzeugung kommen koͤnte/ daß der mann ein verfuͤhrer waͤre/ daß es mir an eiffer nichts mangeln ſolte/ ihn von grund der ſee- len zu widerſprechen: hingegen da ich mich vor GOTT in dieſen wichtigen werck zu ſchwach zu urtheilen befinde/ weiß ich wohl/ daß meine forſetzliche feinde ſich deſ- ſen trefflich zum vortheil gebrauchen/ auch einige ſchwache anſtoß daran finden; a- ber ich trage gleichwohl das vertrauen/ daß cordate und billiche gemuͤther/ welche verſtehen/ was die krafft des gewiſſens ſeye/ mir das jenige nicht verdencken koͤn- nen noch zumuthen werden/ daß in deſſen zweiffel etwas auff eine ſeite thue/ da ja nicht anders als ſuͤndigen koͤnte. Verſichere dabey/ daß dieſes mit ein ſtuͤck mei- nes offtmahligen gebeths vor GOTT ſeye/ daß er uns doch nicht allezeit in ſolchem zweiffel laſſen/ ſondern da er bey vielen ſeinen kindern/ das hertzliche verlangen/ ſei- nen willen gern zu erkennen/ und als denn denſelben auch willig zufolgen/ ſehe/ auff ihm bekante art endlich die ſache an den tag bringen wolle/ daß wir mit verſicherung wiſſen/ wo vor wir den mann halten ſollen. Vielleicht geben die von Herrn D. Hickelmannen heraus gegebene fragen/ wan von einigen darauff geantwortet/ und die materie mehrmahl ultro citraqueventiliret wird werden/ gelegenheit/ daß als dann mit mehr gewißheit davon geurtheilet werden moͤge. Wie ich denn insge- ſamt das kindliche veꝛtrauen zu der vaͤterlichen guͤte GOttes trage/ daß ſie ge- genwaͤrtige betruͤbte und ſo elendes anſehen gebende verwirrung/ endlich zu einem ſeli- Ddd ddd

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 945. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/963>, abgerufen am 22.11.2024.