Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Capitel.
tode verhanden seye. Jndessen ist es ihnen doch eine anzeigung einer gros-
sen schwachheit/ und haben sie so viel sorgfältiger mit gebet und sonsten dar-
gegen zu kämpffen/ darmit ihnen der tod je länger je anmuthiger werden/
und sie ein ernstliches verlangen daruach bekommen mögen.
Dieses ist/
was auch ihm zur antwort widerfahren lassen sollen/ dabey GOTT anruffe/ daß
er seinen glauben stärcke/ und die erkäntnüß der himmlischen güter in seine seele al-
so eintrucke/ daß er zwar so lange das maß seiner arbeit und leidens hier annoch nicht
ersüllet ist/ in der welt auszuhaiten wohl zufrieden seyen/ aber auch wann es dem
HERRN ihn zur ruhe zuführen beliebig seyen wird/ sich ihm zu folgen hertzlich
freue. 5. Dec. 1693.

SECTIO XXXIII.

Vom grrichte unserer zeiten in unterschiedlichen
stücken.

JCh erkenne wol daß zu manchen lästerungen durch auch gutmeinender leute
uuvorsichtigkeit und verstoß anlaß gegeben werde/ nun solten zwar auch dero-
selben fehltritte/ als lange sie bey reiner lehr und unsträfflichen wandel blei-
ben ihnen/ zu gut gehalten werden/ wie ich auch von rechtschaffenen Christen zu ge-
schehen versichert bin; es sinn auch darmit die lästerer/ so davon anlaß nehmen
nicht entschuldiget: aber ich bekenne auch/ daß jener unbedachtsamkeit/ sonderlich
wo eigensinn darzukommet/ damit nicht gerechtfertigt werde. Jndessen sehe ich
auch dieses als ein stück Göttlichen gerichts an/ daß nicht allein sonsten dem guten/
wo es mit ernst getrieben werden will/ so vielerley hindernüssen in den weg geworf-
fen werden/ sondern der HERR auch geschehen lässet/ daß die so es redlich meinen/
so offt da und dorten anstossen: ob wolte GOTT zeigen/ daß noch ein solcher
zorn auff unsrer kirchen ligender noch nichts mit gnugsamen und kräfftigen nach-
druck auffkommen und durchtringen lasse. Ach daß wir doch mit wahrer buß und
gebet solchen zorn versöhnen/ damit doch endlich der liebste Vater sein gnaden an-
gesicht wieder zeigen/ und zu dem/ was zu seinen ehren vorgenommen wird/ mehr se-
gen geben/ daher auch seine diener mit allen darzu nöthigen gebrauch der klugheit
und sonsten ausrüsten wolle: so er auch thun wird/ indessen unseren glauben und ge-
dult auch mit solchem verzug prüffet und übet. Der jammer in dem eusserlichen
und leiblichen/ so nach dem gerechten willen des grossen GOttes ihre dem schein nä-
here quartire bißher betroffen/ ist ein stück meines hertzlichen anliegens/ so vielmehr
als es die jenige ort betrifft/ an welchen ich die meiste zeit meines lebens zugebracht/
und viele den HERRN treulich suchende seelen habe kennen lernen. Ja ich ver-
wundre mich offt über solche schwehre gerichten/ wenn ich gedencke/ ob mir wol be-

kant/

Das ſechſte Capitel.
tode verhanden ſeye. Jndeſſen iſt es ihnen doch eine anzeigung einer groſ-
ſen ſchwachheit/ uñ haben ſie ſo viel ſorgfaͤltiger mit gebet und ſonſten dar-
gegen zu kaͤmpffen/ darmit ihnen der tod je laͤnger je anmuthiger werden/
und ſie ein ernſtliches verlangen daruach bekommen moͤgen.
Dieſes iſt/
was auch ihm zur antwort widerfahren laſſen ſollen/ dabey GOTT anruffe/ daß
er ſeinen glauben ſtaͤrcke/ und die erkaͤntnuͤß der himmliſchen guͤter in ſeine ſeele al-
ſo eintrucke/ daß er zwar ſo lange das maß ſeiner arbeit und leidens hier annoch nicht
erſuͤllet iſt/ in der welt auszuhaiten wohl zufrieden ſeyen/ aber auch wann es dem
HERRN ihn zur ruhe zufuͤhren beliebig ſeyen wird/ ſich ihm zu folgen hertzlich
freue. 5. Dec. 1693.

SECTIO XXXIII.

Vom grrichte unſerer zeiten in unterſchiedlichen
ſtuͤcken.

JCh erkenne wol daß zu manchen laͤſterungen durch auch gutmeinender leute
uuvorſichtigkeit und verſtoß anlaß gegeben werde/ nun ſolten zwar auch dero-
ſelben fehltritte/ als lange ſie bey reiner lehr und unſtraͤfflichen wandel blei-
ben ihnen/ zu gut gehalten werden/ wie ich auch von rechtſchaffenen Chriſten zu ge-
ſchehen verſichert bin; es ſinn auch darmit die laͤſterer/ ſo davon anlaß nehmen
nicht entſchuldiget: aber ich bekenne auch/ daß jener unbedachtſamkeit/ ſonderlich
wo eigenſinn darzukommet/ damit nicht gerechtfertigt werde. Jndeſſen ſehe ich
auch dieſes als ein ſtuͤck Goͤttlichen gerichts an/ daß nicht allein ſonſten dem guten/
wo es mit ernſt getrieben werden will/ ſo vielerley hindernuͤſſen in den weg geworf-
fen werden/ ſondern der HERR auch geſchehen laͤſſet/ daß die ſo es redlich meinen/
ſo offt da und dorten anſtoſſen: ob wolte GOTT zeigen/ daß noch ein ſolcher
zorn auff unſrer kirchen ligender noch nichts mit gnugſamen und kraͤfftigen nach-
druck auffkommen und durchtringen laſſe. Ach daß wir doch mit wahrer buß und
gebet ſolchen zorn verſoͤhnen/ damit doch endlich der liebſte Vater ſein gnaden an-
geſicht wieder zeigen/ und zu dem/ was zu ſeinen ehren vorgenommen wird/ mehr ſe-
gen geben/ daher auch ſeine diener mit allen darzu noͤthigen gebrauch der klugheit
und ſonſten ausruͤſten wolle: ſo er auch thun wird/ indeſſen unſeren glauben und ge-
dult auch mit ſolchem verzug pruͤffet und uͤbet. Der jammer in dem euſſerlichen
und leiblichen/ ſo nach dem gerechten willen des groſſen GOttes ihre dem ſchein naͤ-
here quartire bißher betroffen/ iſt ein ſtuͤck meines hertzlichen anliegens/ ſo vielmehr
als es die jenige ort betrifft/ an welchen ich die meiſte zeit meines lebens zugebracht/
und viele den HERRN treulich ſuchende ſeelen habe kennen lernen. Ja ich ver-
wundre mich offt uͤber ſolche ſchwehre gerichten/ wenn ich gedencke/ ob mir wol be-

kant/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0966" n="948"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">tode verhanden &#x017F;eye. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t es ihnen doch eine anzeigung einer gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;chwachheit/ un&#x0303; haben &#x017F;ie &#x017F;o viel &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger mit gebet und &#x017F;on&#x017F;ten dar-<lb/>
gegen zu ka&#x0364;mpffen/ darmit ihnen der tod je la&#x0364;nger je anmuthiger werden/<lb/>
und &#x017F;ie ein ern&#x017F;tliches verlangen daruach bekommen mo&#x0364;gen.</hi> Die&#x017F;es i&#x017F;t/<lb/>
was auch ihm zur antwort widerfahren la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen/ dabey GOTT anruffe/ daß<lb/>
er &#x017F;einen glauben &#x017F;ta&#x0364;rcke/ und die erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß der himmli&#x017F;chen gu&#x0364;ter in &#x017F;eine &#x017F;eele al-<lb/>
&#x017F;o eintrucke/ daß er zwar &#x017F;o lange das maß &#x017F;einer arbeit und leidens hier annoch nicht<lb/>
er&#x017F;u&#x0364;llet i&#x017F;t/ in der welt auszuhaiten wohl zufrieden &#x017F;eyen/ aber auch wann es dem<lb/>
HERRN ihn zur ruhe zufu&#x0364;hren beliebig &#x017F;eyen wird/ &#x017F;ich ihm zu folgen hertzlich<lb/>
freue. 5. Dec. 1693.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXXIII.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">V</hi>om grrichte un&#x017F;erer zeiten in unter&#x017F;chiedlichen<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cken.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch erkenne wol daß zu manchen la&#x0364;&#x017F;terungen durch auch gutmeinender leute<lb/>
uuvor&#x017F;ichtigkeit und ver&#x017F;toß anlaß gegeben werde/ nun &#x017F;olten zwar auch dero-<lb/>
&#x017F;elben fehltritte/ als lange &#x017F;ie bey reiner lehr und un&#x017F;tra&#x0364;fflichen wandel blei-<lb/>
ben ihnen/ zu gut gehalten werden/ wie ich auch von recht&#x017F;chaffenen Chri&#x017F;ten zu ge-<lb/>
&#x017F;chehen ver&#x017F;ichert bin; es &#x017F;inn auch darmit die la&#x0364;&#x017F;terer/ &#x017F;o davon anlaß nehmen<lb/>
nicht ent&#x017F;chuldiget: aber ich bekenne auch/ daß jener unbedacht&#x017F;amkeit/ &#x017F;onderlich<lb/>
wo eigen&#x017F;inn darzukommet/ damit nicht gerechtfertigt werde. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehe ich<lb/>
auch die&#x017F;es als ein &#x017F;tu&#x0364;ck Go&#x0364;ttlichen gerichts an/ daß nicht allein &#x017F;on&#x017F;ten dem guten/<lb/>
wo es mit ern&#x017F;t getrieben werden will/ &#x017F;o vielerley hindernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in den weg geworf-<lb/>
fen werden/ &#x017F;ondern der HERR auch ge&#x017F;chehen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ daß die &#x017F;o es redlich meinen/<lb/>
&#x017F;o offt da und dorten an&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en: ob wolte GOTT zeigen/ daß noch ein &#x017F;olcher<lb/>
zorn auff un&#x017F;rer kirchen ligender noch nichts mit gnug&#x017F;amen und kra&#x0364;fftigen nach-<lb/>
druck auffkommen und durchtringen la&#x017F;&#x017F;e. Ach daß wir doch mit wahrer buß und<lb/>
gebet &#x017F;olchen zorn ver&#x017F;o&#x0364;hnen/ damit doch endlich der lieb&#x017F;te Vater &#x017F;ein gnaden an-<lb/>
ge&#x017F;icht wieder zeigen/ und zu dem/ was zu &#x017F;einen ehren vorgenommen wird/ mehr &#x017F;e-<lb/>
gen geben/ daher auch &#x017F;eine diener mit allen darzu no&#x0364;thigen gebrauch der klugheit<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;ten ausru&#x0364;&#x017F;ten wolle: &#x017F;o er auch thun wird/ inde&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;eren glauben und ge-<lb/>
dult auch mit &#x017F;olchem verzug pru&#x0364;ffet und u&#x0364;bet. Der jammer in dem eu&#x017F;&#x017F;erlichen<lb/>
und leiblichen/ &#x017F;o nach dem gerechten willen des gro&#x017F;&#x017F;en GOttes ihre dem &#x017F;chein na&#x0364;-<lb/>
here quartire bißher betroffen/ i&#x017F;t ein &#x017F;tu&#x0364;ck meines hertzlichen anliegens/ &#x017F;o vielmehr<lb/>
als es die jenige ort betrifft/ an welchen ich die mei&#x017F;te zeit meines lebens zugebracht/<lb/>
und viele den HERRN treulich &#x017F;uchende &#x017F;eelen habe kennen lernen. Ja ich ver-<lb/>
wundre mich offt u&#x0364;ber &#x017F;olche &#x017F;chwehre gerichten/ wenn ich gedencke/ ob mir wol be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kant/</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[948/0966] Das ſechſte Capitel. tode verhanden ſeye. Jndeſſen iſt es ihnen doch eine anzeigung einer groſ- ſen ſchwachheit/ uñ haben ſie ſo viel ſorgfaͤltiger mit gebet und ſonſten dar- gegen zu kaͤmpffen/ darmit ihnen der tod je laͤnger je anmuthiger werden/ und ſie ein ernſtliches verlangen daruach bekommen moͤgen. Dieſes iſt/ was auch ihm zur antwort widerfahren laſſen ſollen/ dabey GOTT anruffe/ daß er ſeinen glauben ſtaͤrcke/ und die erkaͤntnuͤß der himmliſchen guͤter in ſeine ſeele al- ſo eintrucke/ daß er zwar ſo lange das maß ſeiner arbeit und leidens hier annoch nicht erſuͤllet iſt/ in der welt auszuhaiten wohl zufrieden ſeyen/ aber auch wann es dem HERRN ihn zur ruhe zufuͤhren beliebig ſeyen wird/ ſich ihm zu folgen hertzlich freue. 5. Dec. 1693. SECTIO XXXIII. Vom grrichte unſerer zeiten in unterſchiedlichen ſtuͤcken. JCh erkenne wol daß zu manchen laͤſterungen durch auch gutmeinender leute uuvorſichtigkeit und verſtoß anlaß gegeben werde/ nun ſolten zwar auch dero- ſelben fehltritte/ als lange ſie bey reiner lehr und unſtraͤfflichen wandel blei- ben ihnen/ zu gut gehalten werden/ wie ich auch von rechtſchaffenen Chriſten zu ge- ſchehen verſichert bin; es ſinn auch darmit die laͤſterer/ ſo davon anlaß nehmen nicht entſchuldiget: aber ich bekenne auch/ daß jener unbedachtſamkeit/ ſonderlich wo eigenſinn darzukommet/ damit nicht gerechtfertigt werde. Jndeſſen ſehe ich auch dieſes als ein ſtuͤck Goͤttlichen gerichts an/ daß nicht allein ſonſten dem guten/ wo es mit ernſt getrieben werden will/ ſo vielerley hindernuͤſſen in den weg geworf- fen werden/ ſondern der HERR auch geſchehen laͤſſet/ daß die ſo es redlich meinen/ ſo offt da und dorten anſtoſſen: ob wolte GOTT zeigen/ daß noch ein ſolcher zorn auff unſrer kirchen ligender noch nichts mit gnugſamen und kraͤfftigen nach- druck auffkommen und durchtringen laſſe. Ach daß wir doch mit wahrer buß und gebet ſolchen zorn verſoͤhnen/ damit doch endlich der liebſte Vater ſein gnaden an- geſicht wieder zeigen/ und zu dem/ was zu ſeinen ehren vorgenommen wird/ mehr ſe- gen geben/ daher auch ſeine diener mit allen darzu noͤthigen gebrauch der klugheit und ſonſten ausruͤſten wolle: ſo er auch thun wird/ indeſſen unſeren glauben und ge- dult auch mit ſolchem verzug pruͤffet und uͤbet. Der jammer in dem euſſerlichen und leiblichen/ ſo nach dem gerechten willen des groſſen GOttes ihre dem ſchein naͤ- here quartire bißher betroffen/ iſt ein ſtuͤck meines hertzlichen anliegens/ ſo vielmehr als es die jenige ort betrifft/ an welchen ich die meiſte zeit meines lebens zugebracht/ und viele den HERRN treulich ſuchende ſeelen habe kennen lernen. Ja ich ver- wundre mich offt uͤber ſolche ſchwehre gerichten/ wenn ich gedencke/ ob mir wol be- kant/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/966
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 948. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/966>, abgerufen am 22.11.2024.