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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DIST. I. SECT. XIII.
welt von zeitlichen gewünschet wird/ ihm zu theilen wolle/ bleibe es allerdings seinen
heiligsten wohlgefallen heimgestellet. Sehe man auff die gegenwärtige betrübte
und gefährliche zeiten/ so solten fast eltern über den schenckenden segen mehr erschre-
cken als sich freuen. Aber wir haben vielmehr zu sehen auff den/ in welches hand
solche zeiten stehen/ und dessen gnade nicht weniger über uns in den selben als in bes-
sern zeiten waltet/ und die seinige/ sie seyen jung oder alt/ die eltern leben oder wer-
den von ihnen abgefordert/ zuerhalten vermag. Jn welcher zuversicht wir ihm
alsdenn vor den schenckenden segen billich hertzlich dancken/ und dessen weitere ver-
sorgung ihm gläubig heimgestellet verbleiben lassen. Jedoch soll uns auch billich
die vor augen schwebende allgemeine noth so viel mehr zu hertzen gehen/ weil wir
sehen/ daß es die kirche selbs und die darinnen bißher von GOTT bescherete theu-
re güter seines worts betreffen will/ und wo menschliche anschläge von statten gehen
solten/ man vieler orten derselben verlust leiden mögte. Weil kein zweiffel ist/
daß jeder denen obzwar aus andern ursachen und weltlichen absichten von hohen po-
tentaten führenden kriegen der Römische Antichrist sein wesen zugleich mit suchet
zu befordern und das häufflein CHristi zuverringern. Es soll aber solche betrach-
tung uns nicht so wol darzu bringen/ daß wir sorgen wolten/ die feinde würden ent-
lich den HErrn zu mächtig werden/ und seine kirche gantz außrotten/ welches sie
wol bleiben müssen lassen/ sondern daß wir theils uns so viel besser auff alle fälle rü-
sten und gefaßt machen/ wie wir/ was GOTT belieben möchte über uns zuverhän-
gen/ uns in seinen willen geben wollen/ andern theils ihm bußfertig begegnen/ so
wol jeglicher seines orts sich in den stand zu setzen/ darinnen er seines GOttes gna-
de sich so viel versicherter getrösten möge/ als auch mit andern mit buß andacht und
gebet vor den riß zu treten/ und zuversuchen/ ob göttliches gericht noch abgewendet/
und auch den übrigen längere frist zur busse erlanget werden mögte. Zu solchem
ende haben wir neulich bey hiesiger kirche den 11. Jul. 8. und 29. Aug. drey öffent-
liche buß-fast- und bettage gehalten: Mögen vielleicht derselben noch mehr folgen.
Die erklärte text auff jeglichen drey/ sind gewesen Offenbahr. 3/ 14. 15. 16. 17. 18.
Jerem. 18/ 11. 12. 13. 14. 15. Eph. 5/ 3. 4. 5. 6. 2. Cor. 7/ 9. 10. 11. Jerem. 5/ 1. 2, 3. Ps.
55/ 6. 7. Amos. 7/ 4. 5. 6. Ose. 11/ 8. 9. Luc. 3/ 7. 8. 9.
Aus denen leicht abzuse-
hen/ was vor materien etwa öffentlich tractiret worden. Wolte GOTT es
wären bey unsern äusserlichen übungen auch lauter rechtschaffene bußfertige her-
tzen gewesen/ ohne welche jene GOtt nicht gefallen können/ sondern zum greuel
werden. Aber ob wir wol uns versichern/ daß auch einige fromme seelen zu ihrer
andacht übung so viel ihre beforderung bey solcher gelegenheit gefunden/ deren opf-
fer GOtt nicht verschmähen wird/ so müssen wir doch hingegen leider auch beken-
nen/ daß wir auch hier dieses orts bey dem grossen hauffen so gar die wahre früchten
der busse nicht sehen/ daß wir etwas deroselben in solchen hertzen gewesen zu seyn/ in
grossem zweiffel stehen/ und wir also über unsere beyso vielen nur heuchlerische buß/

erst
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ARTIC. I. DIST. I. SECT. XIII.
welt von zeitlichen gewuͤnſchet wird/ ihm zu theilen wolle/ bleibe es allerdings ſeinen
heiligſten wohlgefallen heimgeſtellet. Sehe man auff die gegenwaͤrtige betruͤbte
und gefaͤhrliche zeiten/ ſo ſolten faſt eltern uͤber den ſchenckenden ſegen mehr erſchre-
cken als ſich freuen. Aber wir haben vielmehr zu ſehen auff den/ in welches hand
ſolche zeiten ſtehen/ und deſſen gnade nicht weniger uͤber uns in den ſelben als in beſ-
ſern zeiten waltet/ und die ſeinige/ ſie ſeyen jung oder alt/ die eltern leben oder wer-
den von ihnen abgefordert/ zuerhalten vermag. Jn welcher zuverſicht wir ihm
alsdenn vor den ſchenckenden ſegen billich hertzlich dancken/ und deſſen weitere ver-
ſorgung ihm glaͤubig heimgeſtellet verbleiben laſſen. Jedoch ſoll uns auch billich
die vor augen ſchwebende allgemeine noth ſo viel mehr zu hertzen gehen/ weil wir
ſehen/ daß es die kirche ſelbs und die darinnen bißher von GOTT beſcherete theu-
re guͤter ſeines worts betreffen will/ und wo menſchliche anſchlaͤge von ſtatten gehen
ſolten/ man vieler orten derſelben verluſt leiden moͤgte. Weil kein zweiffel iſt/
daß jeder denen obzwar aus andern urſachen und weltlichen abſichten von hohen po-
tentaten fuͤhrenden kriegen der Roͤmiſche Antichriſt ſein weſen zugleich mit ſuchet
zu befordern und das haͤufflein CHriſti zuverringern. Es ſoll aber ſolche betrach-
tung uns nicht ſo wol darzu bringen/ daß wir ſorgen wolten/ die feinde wuͤrden ent-
lich den HErrn zu maͤchtig werden/ und ſeine kirche gantz außrotten/ welches ſie
wol bleiben muͤſſen laſſen/ ſondern daß wir theils uns ſo viel beſſer auff alle faͤlle ruͤ-
ſten und gefaßt machen/ wie wir/ was GOTT belieben moͤchte uͤber uns zuverhaͤn-
gen/ uns in ſeinen willen geben wollen/ andern theils ihm bußfertig begegnen/ ſo
wol jeglicher ſeines orts ſich in den ſtand zu ſetzen/ darinnen er ſeines GOttes gna-
de ſich ſo viel verſicherter getroͤſten moͤge/ als auch mit andern mit buß andacht und
gebet vor den riß zu treten/ und zuverſuchen/ ob goͤttliches gericht noch abgewendet/
und auch den uͤbrigen laͤngere friſt zur buſſe erlanget werden moͤgte. Zu ſolchem
ende haben wir neulich bey hieſiger kirche den 11. Jul. 8. und 29. Aug. drey oͤffent-
liche buß-faſt- und bettage gehalten: Moͤgen vielleicht derſelben noch mehr folgen.
Die erklaͤrte text auff jeglichen drey/ ſind geweſen Offenbahr. 3/ 14. 15. 16. 17. 18.
Jerem. 18/ 11. 12. 13. 14. 15. Eph. 5/ 3. 4. 5. 6. 2. Cor. 7/ 9. 10. 11. Jerem. 5/ 1. 2, 3. Pſ.
55/ 6. 7. Amos. 7/ 4. 5. 6. Oſe. 11/ 8. 9. Luc. 3/ 7. 8. 9.
Aus denen leicht abzuſe-
hen/ was vor materien etwa oͤffentlich tractiret worden. Wolte GOTT es
waͤren bey unſern aͤuſſerlichen uͤbungen auch lauter rechtſchaffene bußfertige her-
tzen geweſen/ ohne welche jene GOtt nicht gefallen koͤnnen/ ſondern zum greuel
werden. Aber ob wir wol uns verſichern/ daß auch einige fromme ſeelen zu ihrer
andacht uͤbung ſo viel ihre beforderung bey ſolcher gelegenheit gefunden/ deren opf-
fer GOtt nicht verſchmaͤhen wird/ ſo muͤſſen wir doch hingegen leider auch beken-
nen/ daß wir auch hier dieſes orts bey dem groſſen hauffen ſo gar die wahre fruͤchten
der buſſe nicht ſehen/ daß wir etwas deroſelben in ſolchen hertzen geweſen zu ſeyn/ in
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[81/0099] ARTIC. I. DIST. I. SECT. XIII. welt von zeitlichen gewuͤnſchet wird/ ihm zu theilen wolle/ bleibe es allerdings ſeinen heiligſten wohlgefallen heimgeſtellet. Sehe man auff die gegenwaͤrtige betruͤbte und gefaͤhrliche zeiten/ ſo ſolten faſt eltern uͤber den ſchenckenden ſegen mehr erſchre- cken als ſich freuen. Aber wir haben vielmehr zu ſehen auff den/ in welches hand ſolche zeiten ſtehen/ und deſſen gnade nicht weniger uͤber uns in den ſelben als in beſ- ſern zeiten waltet/ und die ſeinige/ ſie ſeyen jung oder alt/ die eltern leben oder wer- den von ihnen abgefordert/ zuerhalten vermag. Jn welcher zuverſicht wir ihm alsdenn vor den ſchenckenden ſegen billich hertzlich dancken/ und deſſen weitere ver- ſorgung ihm glaͤubig heimgeſtellet verbleiben laſſen. Jedoch ſoll uns auch billich die vor augen ſchwebende allgemeine noth ſo viel mehr zu hertzen gehen/ weil wir ſehen/ daß es die kirche ſelbs und die darinnen bißher von GOTT beſcherete theu- re guͤter ſeines worts betreffen will/ und wo menſchliche anſchlaͤge von ſtatten gehen ſolten/ man vieler orten derſelben verluſt leiden moͤgte. Weil kein zweiffel iſt/ daß jeder denen obzwar aus andern urſachen und weltlichen abſichten von hohen po- tentaten fuͤhrenden kriegen der Roͤmiſche Antichriſt ſein weſen zugleich mit ſuchet zu befordern und das haͤufflein CHriſti zuverringern. Es ſoll aber ſolche betrach- tung uns nicht ſo wol darzu bringen/ daß wir ſorgen wolten/ die feinde wuͤrden ent- lich den HErrn zu maͤchtig werden/ und ſeine kirche gantz außrotten/ welches ſie wol bleiben muͤſſen laſſen/ ſondern daß wir theils uns ſo viel beſſer auff alle faͤlle ruͤ- ſten und gefaßt machen/ wie wir/ was GOTT belieben moͤchte uͤber uns zuverhaͤn- gen/ uns in ſeinen willen geben wollen/ andern theils ihm bußfertig begegnen/ ſo wol jeglicher ſeines orts ſich in den ſtand zu ſetzen/ darinnen er ſeines GOttes gna- de ſich ſo viel verſicherter getroͤſten moͤge/ als auch mit andern mit buß andacht und gebet vor den riß zu treten/ und zuverſuchen/ ob goͤttliches gericht noch abgewendet/ und auch den uͤbrigen laͤngere friſt zur buſſe erlanget werden moͤgte. Zu ſolchem ende haben wir neulich bey hieſiger kirche den 11. Jul. 8. und 29. Aug. drey oͤffent- liche buß-faſt- und bettage gehalten: Moͤgen vielleicht derſelben noch mehr folgen. Die erklaͤrte text auff jeglichen drey/ ſind geweſen Offenbahr. 3/ 14. 15. 16. 17. 18. Jerem. 18/ 11. 12. 13. 14. 15. Eph. 5/ 3. 4. 5. 6. 2. Cor. 7/ 9. 10. 11. Jerem. 5/ 1. 2, 3. Pſ. 55/ 6. 7. Amos. 7/ 4. 5. 6. Oſe. 11/ 8. 9. Luc. 3/ 7. 8. 9. Aus denen leicht abzuſe- hen/ was vor materien etwa oͤffentlich tractiret worden. Wolte GOTT es waͤren bey unſern aͤuſſerlichen uͤbungen auch lauter rechtſchaffene bußfertige her- tzen geweſen/ ohne welche jene GOtt nicht gefallen koͤnnen/ ſondern zum greuel werden. Aber ob wir wol uns verſichern/ daß auch einige fromme ſeelen zu ihrer andacht uͤbung ſo viel ihre beforderung bey ſolcher gelegenheit gefunden/ deren opf- fer GOtt nicht verſchmaͤhen wird/ ſo muͤſſen wir doch hingegen leider auch beken- nen/ daß wir auch hier dieſes orts bey dem groſſen hauffen ſo gar die wahre fruͤchten der buſſe nicht ſehen/ daß wir etwas deroſelben in ſolchen hertzen geweſen zu ſeyn/ in groſſem zweiffel ſtehen/ und wir alſo uͤber unſere beyſo vielen nur heuchleriſche buß/ erſt L

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/99>, abgerufen am 22.11.2024.