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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XXI.
xian lege hiebey, bitte über solches mit guter beqvemlichkeit seine gedancken
zu entdecken. Das bedencken wegen der vergebung der sünden in der ab-
solution,
da gleichwol solche schon in der tauff geschehen, kommt auch an-
dern offters in den sinn, so viel mehr wo sie gedencken, daß in der absolu-
tion
solche ertheilet, und dannoch gelehrt wird, daß die heilige communion
selbs auch das mittel der vergebung seye. Aber der sache ist damit am besten
gerathen, daß wir die vergebung ansehen, nicht so wol als eine gantz neue
und von der vorigen abgesonderte vergebung, sondern als eine neue be-
kräfftigung dessen, so schon geschehen, und nun allein zu unsers glaubens
versicherung widerholet wird. Was anlangt die frage in Gesenii catechismo,
bekenne ich, daß an der angedeuteten antwort denjenigen mangel nicht fin-
de, welchen mein werther bruder anzutreffen und die guten werck mit dem
glauben vermengt zu werden meinet, welches ich daraus zeige, weil die
frage nicht lautet, wodurch man der erlösung und Christi gerechtigkeit froh
werde, sondern, wer solcher güter theilhaftig werde? oder wie es in mei-
nem exemplar lautet: wer hat sich dann solcher erlösung zu erfreuen?
oder wer wird dann durch Christum frey vom zorn Gottes und vom
dienste der sünden?
Dann wo von dem mittel gefragt wird, wodurch es ge-
schehe, so finde ich eine andere frage im Gesenio: wodurch wird der mensch
vor Gott gerecht und selig? Was ist das mittel an unserer seiten, da-
durch der mensch die gerechtigkeit vor Gott und die seligkeit erlangt?

Da dann die antwort lautet: Der mensch wird gerecht durch den glauben
an Christum JEsum. Er fraget weiter: Wird er nicht auch durch die
werck vor GOTT gerecht und selig?
aber antwortet abermal gantz
richtig mit nein. Daher mich auch von diesem christlichen lehrer versichert
halte, daß er den Papisten nichts eingeräumet, sondern bey unserer reinen
wahrheit des evangelii ohne das geringste abweichen geblieben. Wo aber
die frage ist, wer diejenige seyn, welche durch den einigen glauben selig
werden/ daß also das gantze subjectum beschrieben wird, so ists nicht unbil-
lig, daß der busse und neuen gehorsams meldung geschihet, nicht als der
jenigen stücke, welche mit in die rechtfertigung selbs einlauffen, sondern
welche bey dem glauben unzertrennlich seyn müssen. Daher werden wir in
der schrifft aus der feder des heiligen Geistes gar viele reden finden, die eben
auf gleiche art verfasset sind, und wol etwa härter lauten möchten, und
doch die evangelische wahrheit nicht verletzen, wie ihm ja der heilige Geist
selbs nirgend widersprechen kan. Ja wo wir solche propositiones verwerffen
solten, möchte es nicht geringes ärgernüß geben, ob wolten wir dem heiligen
Geist selbs seine reden reformiren, welches ferne seye, So ist zwischen uns und

den
p 2

ARTIC. I. SECTIO XXI.
xian lege hiebey, bitte uͤber ſolches mit guter beqvemlichkeit ſeine gedancken
zu entdecken. Das bedencken wegen der vergebung der ſuͤnden in der ab-
ſolution,
da gleichwol ſolche ſchon in der tauff geſchehen, kommt auch an-
dern offters in den ſinn, ſo viel mehr wo ſie gedencken, daß in der abſolu-
tion
ſolche ertheilet, und dannoch gelehrt wird, daß die heilige communion
ſelbs auch das mittel der vergebung ſeye. Aber der ſache iſt damit am beſten
gerathen, daß wir die vergebung anſehen, nicht ſo wol als eine gantz neue
und von der vorigen abgeſonderte vergebung, ſondern als eine neue be-
kraͤfftigung deſſen, ſo ſchon geſchehen, und nun allein zu unſers glaubens
verſicherung widerholet wird. Was anlangt die frage in Geſenii catechiſmo,
bekenne ich, daß an der angedeuteten antwort denjenigen mangel nicht fin-
de, welchen mein werther bruder anzutreffen und die guten werck mit dem
glauben vermengt zu werden meinet, welches ich daraus zeige, weil die
frage nicht lautet, wodurch man der erloͤſung und Chriſti gerechtigkeit froh
werde, ſondern, wer ſolcher guͤter theilhaftig werde? oder wie es in mei-
nem exemplar lautet: wer hat ſich dann ſolcher erloͤſung zu erfreuen?
odeꝛ wer wird dann duꝛch Chꝛiſtum frey vom zorn Gottes und vom
dienſte der ſuͤnden?
Dann wo von dem mittel gefragt wird, wodurch es ge-
ſchehe, ſo finde ich eine andere frage im Geſenio: woduꝛch wiꝛd deꝛ menſch
vor Gott gerecht und ſelig? Was iſt das mittel an unſerer ſeiten, da-
duꝛch deꝛ menſch die geꝛechtigkeit vor Gott und die ſeligkeit erlangt?

Da dann die antwort lautet: Der menſch wird gerecht durch den glauben
an Chriſtum JEſum. Er fraget weiter: Wird er nicht auch durch die
werck vor GOTT gerecht und ſelig?
aber antwortet abermal gantz
richtig mit nein. Daher mich auch von dieſem chriſtlichen lehrer verſichert
halte, daß er den Papiſten nichts eingeraͤumet, ſondern bey unſerer reinen
wahrheit des evangelii ohne das geringſte abweichen geblieben. Wo aber
die frage iſt, wer diejenige ſeyn, welche durch den einigen glauben ſelig
werden/ daß alſo das gantze ſubjectum beſchrieben wird, ſo iſts nicht unbil-
lig, daß der buſſe und neuen gehorſams meldung geſchihet, nicht als der
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welche bey dem glauben unzertrennlich ſeyn muͤſſen. Daher werden wir in
der ſchrifft aus der feder des heiligen Geiſtes gar viele reden finden, die eben
auf gleiche art verfaſſet ſind, und wol etwa haͤrter lauten moͤchten, und
doch die evangeliſche wahrheit nicht verletzen, wie ihm ja der heilige Geiſt
ſelbs nirgend widerſprechen kan. Ja wo wir ſolche propoſitiones verwerffen
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[115/0127] ARTIC. I. SECTIO XXI. xian lege hiebey, bitte uͤber ſolches mit guter beqvemlichkeit ſeine gedancken zu entdecken. Das bedencken wegen der vergebung der ſuͤnden in der ab- ſolution, da gleichwol ſolche ſchon in der tauff geſchehen, kommt auch an- dern offters in den ſinn, ſo viel mehr wo ſie gedencken, daß in der abſolu- tion ſolche ertheilet, und dannoch gelehrt wird, daß die heilige communion ſelbs auch das mittel der vergebung ſeye. Aber der ſache iſt damit am beſten gerathen, daß wir die vergebung anſehen, nicht ſo wol als eine gantz neue und von der vorigen abgeſonderte vergebung, ſondern als eine neue be- kraͤfftigung deſſen, ſo ſchon geſchehen, und nun allein zu unſers glaubens verſicherung widerholet wird. Was anlangt die frage in Geſenii catechiſmo, bekenne ich, daß an der angedeuteten antwort denjenigen mangel nicht fin- de, welchen mein werther bruder anzutreffen und die guten werck mit dem glauben vermengt zu werden meinet, welches ich daraus zeige, weil die frage nicht lautet, wodurch man der erloͤſung und Chriſti gerechtigkeit froh werde, ſondern, wer ſolcher guͤter theilhaftig werde? oder wie es in mei- nem exemplar lautet: wer hat ſich dann ſolcher erloͤſung zu erfreuen? odeꝛ wer wird dann duꝛch Chꝛiſtum frey vom zorn Gottes und vom dienſte der ſuͤnden? Dann wo von dem mittel gefragt wird, wodurch es ge- ſchehe, ſo finde ich eine andere frage im Geſenio: woduꝛch wiꝛd deꝛ menſch vor Gott gerecht und ſelig? Was iſt das mittel an unſerer ſeiten, da- duꝛch deꝛ menſch die geꝛechtigkeit vor Gott und die ſeligkeit erlangt? Da dann die antwort lautet: Der menſch wird gerecht durch den glauben an Chriſtum JEſum. Er fraget weiter: Wird er nicht auch durch die werck vor GOTT gerecht und ſelig? aber antwortet abermal gantz richtig mit nein. Daher mich auch von dieſem chriſtlichen lehrer verſichert halte, daß er den Papiſten nichts eingeraͤumet, ſondern bey unſerer reinen wahrheit des evangelii ohne das geringſte abweichen geblieben. Wo aber die frage iſt, wer diejenige ſeyn, welche durch den einigen glauben ſelig werden/ daß alſo das gantze ſubjectum beſchrieben wird, ſo iſts nicht unbil- lig, daß der buſſe und neuen gehorſams meldung geſchihet, nicht als der jenigen ſtuͤcke, welche mit in die rechtfertigung ſelbs einlauffen, ſondern welche bey dem glauben unzertrennlich ſeyn muͤſſen. Daher werden wir in der ſchrifft aus der feder des heiligen Geiſtes gar viele reden finden, die eben auf gleiche art verfaſſet ſind, und wol etwa haͤrter lauten moͤchten, und doch die evangeliſche wahrheit nicht verletzen, wie ihm ja der heilige Geiſt ſelbs nirgend widerſprechen kan. Ja wo wir ſolche propoſitiones verwerffen ſolten, moͤchte es nicht geringes aͤrgernuͤß geben, ob wolten wir dem heiligen Geiſt ſelbs ſeine ꝛeden reformiꝛen, welches feꝛne ſeye, So iſt zwiſchen uns und den p 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/127>, abgerufen am 24.11.2024.