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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
aber folget, daß in einer Evangelischen kirchen wir lieber an statt dessen ge-
sangs, so aufs wenigste nicht ohne verdacht eines irrthums, und in der
sprach unbequem ist, die in der meisten unserer kirche übliche reinere, und
unverdächtige übersetzung unsres theuren Lutheri zu gebrauchen haben:
Daher wohl gethan seyn würde, wo man solchen gesang, jedoch mit wenig-
stem geräusch oder viel wesens davon zu machen, daran die schwache sich
stossen möchten, allgemach abgehen lasse, und sich mit den andern begnüge.
Der HERR aber gebe uns insgesamt, wo wir seine lobgesänge singen
wollen, solche hertzen, die erst mit seinem lob erfüllet seyen, welches nach-
mal durch den mund ausbrechen solle.

SECTIO XXIV.
Verlästerung der gottseligkeit. Joach. Betki-
us
. Wie man sich wegen der jenigen lehrer die in
verdacht gezogen werden/ zu verhalten.

WAs der Herr klagt, wie alle die jenige, so das rechtschaffene we-
sen in Christo JEsu entweder mit predigten und schrifften sonder-
lich treiben, oder in dem leben außtrücken/ darüber verlästert und
verketzert werden, ist eine klage, die bereits zu unserer väter zeit gottselige
Theologi geführet haben; Jedoch mag die ursach zu klagen heut zu tage
noch viel grösser seyn, da der haß der wahren gottseligkeit mehr zugenom-
men hat, und ihrer viele dieses fast vor das gewisseste zeugnüß der rechten
lehr halten wollen, da man alles auf das eusserliche setzte, und ja bey
leibe des innerlichen (dann dieses möchte nach schwermerey und Euthusi-
asmo
schmecken) nichts oder wenig gedächte. Wir müssen uns aber auch
lernen darein schicken, und glauben, nach dem uns GOtt zu der zeit annoch
mit schwerern proben der gedult und härteren versuchungen schonet, als
dem vielleicht unsre schwachheit bekant ist, daß wir diese gelindere proben,
da es nur um eine wenige schmach und nach-rede der gottseligkeit wegen zu
thun ist, desto williger auf uns nehmen, und uns darüber nicht beschwe-
ren; Ja uns keine andere rechnung und daher bey zeiten darauf gefaßt
machen, glaubende, es wäre eben nicht die beste anzeigung, wann wir so gar
freye ausgiengen. Absonderlich den frommen Joach. Betkium belangen-
de, ist mir sein lebens-lauf nicht, sondern allein einige schrifften bekant.
Die erste, so mir fast auch bestens gefallen, war seine mensio Christianismi,
in welchem büchlein gewiß viel göttliche wahrheiten sind: darnach habe
auch gelesen sein Sacerdotium und seine leidens gemeinschafft Christi, da

mich

Das ſiebende Capitel.
aber folget, daß in einer Evangeliſchen kirchen wir lieber an ſtatt deſſen ge-
ſangs, ſo aufs wenigſte nicht ohne verdacht eines irrthums, und in der
ſprach unbequem iſt, die in der meiſten unſerer kirche uͤbliche reinere, und
unverdaͤchtige uͤberſetzung unſres theuren Lutheri zu gebrauchen haben:
Daher wohl gethan ſeyn wuͤrde, wo man ſolchen geſang, jedoch mit wenig-
ſtem geraͤuſch oder viel weſens davon zu machen, daran die ſchwache ſich
ſtoſſen moͤchten, allgemach abgehen laſſe, und ſich mit den andern begnuͤge.
Der HERR aber gebe uns insgeſamt, wo wir ſeine lobgeſaͤnge ſingen
wollen, ſolche hertzen, die erſt mit ſeinem lob erfuͤllet ſeyen, welches nach-
mal durch den mund ausbrechen ſolle.

SECTIO XXIV.
Verlaͤſterung der gottſeligkeit. Joach. Betki-
us
. Wie man ſich wegen der jenigen lehrer die in
verdacht gezogen werden/ zu verhalten.

WAs der Herr klagt, wie alle die jenige, ſo das rechtſchaffene we-
ſen in Chriſto JEſu entweder mit predigten und ſchrifften ſonder-
lich treiben, oder in dem leben außtruͤcken/ daruͤber verlaͤſtert und
verketzert werden, iſt eine klage, die bereits zu unſerer vaͤter zeit gottſelige
Theologi gefuͤhret haben; Jedoch mag die urſach zu klagen heut zu tage
noch viel groͤſſer ſeyn, da der haß der wahren gottſeligkeit mehr zugenom-
men hat, und ihrer viele dieſes faſt vor das gewiſſeſte zeugnuͤß der rechten
lehr halten wollen, da man alles auf das euſſerliche ſetzte, und ja bey
leibe des innerlichen (dann dieſes moͤchte nach ſchwermerey und Euthuſi-
aſmo
ſchmecken) nichts oder wenig gedaͤchte. Wir muͤſſen uns aber auch
lernen darein ſchicken, und glauben, nach dem uns GOtt zu der zeit annoch
mit ſchwerern proben der gedult und haͤrteren verſuchungen ſchonet, als
dem vielleicht unſre ſchwachheit bekant iſt, daß wir dieſe gelindere proben,
da es nur um eine wenige ſchmach und nach-rede der gottſeligkeit wegen zu
thun iſt, deſto williger auf uns nehmen, und uns daruͤber nicht beſchwe-
ren; Ja uns keine andere rechnung und daher bey zeiten darauf gefaßt
machen, glaubende, es waͤre eben nicht die beſte anzeigung, wann wir ſo gar
freye ausgiengen. Abſonderlich den frommen Joach. Betkium belangen-
de, iſt mir ſein lebens-lauf nicht, ſondern allein einige ſchrifften bekant.
Die erſte, ſo mir faſt auch beſtens gefallen, war ſeine menſio Chriſtianiſmi,
in welchem buͤchlein gewiß viel goͤttliche wahrheiten ſind: darnach habe
auch geleſen ſein Sacerdotium und ſeine leidens gemeinſchafft Chriſti, da

mich
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[126/0138] Das ſiebende Capitel. aber folget, daß in einer Evangeliſchen kirchen wir lieber an ſtatt deſſen ge- ſangs, ſo aufs wenigſte nicht ohne verdacht eines irrthums, und in der ſprach unbequem iſt, die in der meiſten unſerer kirche uͤbliche reinere, und unverdaͤchtige uͤberſetzung unſres theuren Lutheri zu gebrauchen haben: Daher wohl gethan ſeyn wuͤrde, wo man ſolchen geſang, jedoch mit wenig- ſtem geraͤuſch oder viel weſens davon zu machen, daran die ſchwache ſich ſtoſſen moͤchten, allgemach abgehen laſſe, und ſich mit den andern begnuͤge. Der HERR aber gebe uns insgeſamt, wo wir ſeine lobgeſaͤnge ſingen wollen, ſolche hertzen, die erſt mit ſeinem lob erfuͤllet ſeyen, welches nach- mal durch den mund ausbrechen ſolle. 1691. SECTIO XXIV. Verlaͤſterung der gottſeligkeit. Joach. Betki- us. Wie man ſich wegen der jenigen lehrer die in verdacht gezogen werden/ zu verhalten. WAs der Herr klagt, wie alle die jenige, ſo das rechtſchaffene we- ſen in Chriſto JEſu entweder mit predigten und ſchrifften ſonder- lich treiben, oder in dem leben außtruͤcken/ daruͤber verlaͤſtert und verketzert werden, iſt eine klage, die bereits zu unſerer vaͤter zeit gottſelige Theologi gefuͤhret haben; Jedoch mag die urſach zu klagen heut zu tage noch viel groͤſſer ſeyn, da der haß der wahren gottſeligkeit mehr zugenom- men hat, und ihrer viele dieſes faſt vor das gewiſſeſte zeugnuͤß der rechten lehr halten wollen, da man alles auf das euſſerliche ſetzte, und ja bey leibe des innerlichen (dann dieſes moͤchte nach ſchwermerey und Euthuſi- aſmo ſchmecken) nichts oder wenig gedaͤchte. Wir muͤſſen uns aber auch lernen darein ſchicken, und glauben, nach dem uns GOtt zu der zeit annoch mit ſchwerern proben der gedult und haͤrteren verſuchungen ſchonet, als dem vielleicht unſre ſchwachheit bekant iſt, daß wir dieſe gelindere proben, da es nur um eine wenige ſchmach und nach-rede der gottſeligkeit wegen zu thun iſt, deſto williger auf uns nehmen, und uns daruͤber nicht beſchwe- ren; Ja uns keine andere rechnung und daher bey zeiten darauf gefaßt machen, glaubende, es waͤre eben nicht die beſte anzeigung, wann wir ſo gar freye ausgiengen. Abſonderlich den frommen Joach. Betkium belangen- de, iſt mir ſein lebens-lauf nicht, ſondern allein einige ſchrifften bekant. Die erſte, ſo mir faſt auch beſtens gefallen, war ſeine menſio Chriſtianiſmi, in welchem buͤchlein gewiß viel goͤttliche wahrheiten ſind: darnach habe auch geleſen ſein Sacerdotium und ſeine leidens gemeinſchafft Chriſti, da mich

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/138>, abgerufen am 24.11.2024.