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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
göttliches oder irriges in des mannes schrifften sich finde. Jch leugne nicht,
daß bey mir die furcht immer bleibe, solchem feuer nicht näher zu treten. Mir
ist nicht allein das exempel eines Superintendenten bekant, daß als er gegen
Böhmen und Böhmisten sehr scharff detoniret, schon den abend den seinen
ohne vorher habende äusserliche kranckheit angezeiget, daß er sterben müßte,
auch in die tieffste schwermuth und unaussprechliche ängsten gefallen, darin-
nen er nach 10. oder 12. tagen gestorben: Sondern vor etlichen tagen habe
noch ein anders aus eben solchem Fürstenthum gehöret, daß abermals ein
Superintendens bey der praesentation eines jungen predigers von demsel-
ben nicht nur den verspruch sich vor Böhmen und den neuen propheten zu hü-
ten gefordert, sondern in der predigt hefftig loßgezogen gegen denselben: seye a-
ber auch seine letzte predigt gewesen, da er nach wenigen tagen sich gelegt, und
den zweyten oder dritten tag des lagers gestorben. Mir ist alles solches noch
nicht gnug, ihn pro autore divino zu halten. Aber es macht mich sorgfältig,
nicht mich zu verbrennen an einem gefährlichen feuer. Bey Herr N. fürchte
ich, seye das vermögen nicht, der sache abzuhelffen, wie dann das bereits heraus-
gegebene viel zu schwach: Da er auch die wahrheit zweyer briefe von Herrn
D. Calovio und Herrn D. Wellern in zweifel ziehet, die doch aus dem Con-
sistorio
zu Dreßden kommen sollen. Die art, wie bis daher Böhm ange-
griffen worden, da und dort einige ungereimte und dem ansehen nach falsche
ort anzuführen, thut der sache kein genügen. Wie dann ein gottloser mensch,
der einem unglaubigen die schrifft verleiden und dero göttliche autorität um-
stossen wolte, ohne grosse schwerigkeit so viele ort aus der Bibel, und sonderlich
dero schwerern büchern, zusammen colligiren könte, welche wie sie aus ihrem
sede herausgenommen und ohne die gantze connexion eines capitels oder
auch absicht eines gantzen buchs allein den worten und dero schall nach bloß
angeführet würden, gantz gottloß, atheistisch und ungereimt scheinen würden:
Da es doch, wo sie in der gantzen harmonie derschrifft erwogen werden, wie
dieselbe sich selbs da und dort deutlich erkläret, nichts als lautere göttliche
warheiten sind. Daher man von der schrifft aus dem sunolo, nicht aber
diesen und jenen heraus gezwackten orten, urtheilen muß, so wir von andern
schrifften auch sagen müssen. Will also jemand Böhmen examiniren, so
muß er seine gantze harmoniam und Systema Theologiae erstlich genau
zusammen bringen, daß er seine analogiam finde. die nachmal alles übri-
gen regel ist: Alsdenn vermag man mit grund der wahrheit von ihm zu ur-
theilen: Jenes aber hat noch niemand versuchet: Und das ist, warum ich
wünschte, daß die Böhmisten selbs ein solches ordentliches compendium
herausgeben, so den unsrigen die arbeit so viel leichter machte, sie haben

aber

Das ſiebende Capitel.
goͤttliches oder irriges in des mannes ſchrifften ſich finde. Jch leugne nicht,
daß bey mir die furcht immer bleibe, ſolchem feuer nicht naͤher zu treten. Mir
iſt nicht allein das exempel eines Superintendenten bekant, daß als er gegen
Boͤhmen und Boͤhmiſten ſehr ſcharff detoniret, ſchon den abend den ſeinen
ohne vorher habende aͤuſſerliche kranckheit angezeiget, daß er ſterben muͤßte,
auch in die tieffſte ſchwermuth und unausſprechliche aͤngſten gefallen, darin-
nen er nach 10. oder 12. tagen geſtorben: Sondern vor etlichen tagen habe
noch ein anders aus eben ſolchem Fuͤrſtenthum gehoͤret, daß abermals ein
Superintendens bey der præſentation eines jungen predigers von demſel-
ben nicht nur den verſpruch ſich vor Boͤhmen und den neuen propheten zu huͤ-
ten gefordert, ſondern in der predigt hefftig loßgezogen gegen denſelben: ſeye a-
ber auch ſeine letzte predigt geweſen, da er nach wenigen tagen ſich gelegt, und
den zweyten oder dritten tag des lagers geſtorben. Mir iſt alles ſolches noch
nicht gnug, ihn pro autore divino zu halten. Aber es macht mich ſorgfaͤltig,
nicht mich zu verbrennen an einem gefaͤhrlichen feuer. Bey Herr N. fuͤrchte
ich, ſeye das veꝛmoͤgen nicht, deꝛ ſache abzuhelffen, wie dann das beꝛeits heꝛaus-
gegebene viel zu ſchwach: Da er auch die wahrheit zweyer briefe von Herrn
D. Calovio und Herrn D. Wellern in zweifel ziehet, die doch aus dem Con-
ſiſtorio
zu Dreßden kommen ſollen. Die art, wie bis daher Boͤhm ange-
griffen worden, da und dort einige ungereimte und dem anſehen nach falſche
ort anzufuͤhren, thut der ſache kein genuͤgen. Wie dann ein gottloſer menſch,
der einem unglaubigen die ſchrifft verleiden und dero goͤttliche autoritaͤt um-
ſtoſſen wolte, ohne groſſe ſchwerigkeit ſo viele ort aus der Bibel, und ſonderlich
dero ſchwerern buͤchern, zuſammen colligiren koͤnte, welche wie ſie aus ihrem
ſede herausgenommen und ohne die gantze connexion eines capitels oder
auch abſicht eines gantzen buchs allein den worten und dero ſchall nach bloß
angefuͤhret wuͤrden, gantz gottloß, atheiſtiſch und ungereimt ſcheinen wuͤrden:
Da es doch, wo ſie in der gantzen harmonie derſchrifft erwogen werden, wie
dieſelbe ſich ſelbs da und dort deutlich erklaͤret, nichts als lautere goͤttliche
warheiten ſind. Daher man von der ſchrifft aus dem συνόλῳ, nicht aber
dieſen und jenen heraus gezwackten orten, urtheilen muß, ſo wir von andern
ſchrifften auch ſagen muͤſſen. Will alſo jemand Boͤhmen examiniren, ſo
muß er ſeine gantze harmoniam und Syſtema Theologiæ erſtlich genau
zuſammen bringen, daß er ſeine analogiam finde. die nachmal alles uͤbri-
gen regel iſt: Alsdenn vermag man mit grund der wahrheit von ihm zu ur-
theilen: Jenes aber hat noch niemand verſuchet: Und das iſt, warum ich
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aber
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[136/0148] Das ſiebende Capitel. goͤttliches oder irriges in des mannes ſchrifften ſich finde. Jch leugne nicht, daß bey mir die furcht immer bleibe, ſolchem feuer nicht naͤher zu treten. Mir iſt nicht allein das exempel eines Superintendenten bekant, daß als er gegen Boͤhmen und Boͤhmiſten ſehr ſcharff detoniret, ſchon den abend den ſeinen ohne vorher habende aͤuſſerliche kranckheit angezeiget, daß er ſterben muͤßte, auch in die tieffſte ſchwermuth und unausſprechliche aͤngſten gefallen, darin- nen er nach 10. oder 12. tagen geſtorben: Sondern vor etlichen tagen habe noch ein anders aus eben ſolchem Fuͤrſtenthum gehoͤret, daß abermals ein Superintendens bey der præſentation eines jungen predigers von demſel- ben nicht nur den verſpruch ſich vor Boͤhmen und den neuen propheten zu huͤ- ten gefordert, ſondern in der predigt hefftig loßgezogen gegen denſelben: ſeye a- ber auch ſeine letzte predigt geweſen, da er nach wenigen tagen ſich gelegt, und den zweyten oder dritten tag des lagers geſtorben. Mir iſt alles ſolches noch nicht gnug, ihn pro autore divino zu halten. Aber es macht mich ſorgfaͤltig, nicht mich zu verbrennen an einem gefaͤhrlichen feuer. Bey Herr N. fuͤrchte ich, ſeye das veꝛmoͤgen nicht, deꝛ ſache abzuhelffen, wie dann das beꝛeits heꝛaus- gegebene viel zu ſchwach: Da er auch die wahrheit zweyer briefe von Herrn D. Calovio und Herrn D. Wellern in zweifel ziehet, die doch aus dem Con- ſiſtorio zu Dreßden kommen ſollen. Die art, wie bis daher Boͤhm ange- griffen worden, da und dort einige ungereimte und dem anſehen nach falſche ort anzufuͤhren, thut der ſache kein genuͤgen. Wie dann ein gottloſer menſch, der einem unglaubigen die ſchrifft verleiden und dero goͤttliche autoritaͤt um- ſtoſſen wolte, ohne groſſe ſchwerigkeit ſo viele ort aus der Bibel, und ſonderlich dero ſchwerern buͤchern, zuſammen colligiren koͤnte, welche wie ſie aus ihrem ſede herausgenommen und ohne die gantze connexion eines capitels oder auch abſicht eines gantzen buchs allein den worten und dero ſchall nach bloß angefuͤhret wuͤrden, gantz gottloß, atheiſtiſch und ungereimt ſcheinen wuͤrden: Da es doch, wo ſie in der gantzen harmonie derſchrifft erwogen werden, wie dieſelbe ſich ſelbs da und dort deutlich erklaͤret, nichts als lautere goͤttliche warheiten ſind. Daher man von der ſchrifft aus dem συνόλῳ, nicht aber dieſen und jenen heraus gezwackten orten, urtheilen muß, ſo wir von andern ſchrifften auch ſagen muͤſſen. Will alſo jemand Boͤhmen examiniren, ſo muß er ſeine gantze harmoniam und Syſtema Theologiæ erſtlich genau zuſammen bringen, daß er ſeine analogiam finde. die nachmal alles uͤbri- gen regel iſt: Alsdenn vermag man mit grund der wahrheit von ihm zu ur- theilen: Jenes aber hat noch niemand verſuchet: Und das iſt, warum ich wuͤnſchte, daß die Boͤhmiſten ſelbs ein ſolches ordentliches compendium herausgeben, ſo den unſrigen die arbeit ſo viel leichter machte, ſie haben aber

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/148>, abgerufen am 24.11.2024.