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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. XXXII.
so viel mit gehorsam, als wo ers also erfordert mit leyden über denselben willig
zu preisen. Das verlangen meines hochgeehrten Herrn nach der einigkeit
des glaubens
ist an sich selbsten so gantz gut, daß derjenige nicht würdig wäre
ein christ zu heissen, welcher nicht von grund der seelen solches verlangete, und
GOTT den allmächtigen um solche gnade offters anflehete. Alldieweil al-
le mißhelligkeit von irrthum kommet, die wahrheit aber eine ist. Und das ists
freylich, was ich eben wünsche und bete, daß der heiligste wille unsers GOttes
in und durch uns vollbracht würde, als welcher ist uns zu heiligen in der war-
heit, dann allein sein wort ist die warheit. Wie aber zu solcher verlangender
einigkeit zu kommen seye, davon lasse ich andere, von GOTT mehr begabte
reden, dasjenige, was sie nach solchem maaß der gnaden vor das nützlichste er-
kennen. Jch hoffe, nicht gefährlich zu irren, wo ich davor achte, auf die art
seye zu recht zu kommen, wann man da die sache bessert, wo vorhin gefehlet
worden. Wann dann nun zwar der teufel und dessen instrumenta aller
ketzereyen, trennung und irrthumen ursach sind, aber doch gleichwol ohne des
heiligsten GOttes gerechte zulassung etwas dergleichen einzuführen nicht ver-
mögten, was der warheit entgegen ist, so haben wir zu sehen, warum der ge-
rechte GOtt zu solcher betrübten verhängnüß in seinem gericht bewogen wor-
den, daß er die arme kirche bey so vielen secten mit so vielen irrthumen erfüllet
hat lassen werden, damit die einfältige warheit schrecklich verfinstert, und sie
zu finden vielen gar schwer gemacht worden. Jch finde aber keine offenba-
rere ursach, als welche Paulus anzeigt 2. Thess. 2. Dafür, daß sie die war-
heit
(die heisset aber nicht nur die der warheit gemässe lehr-puncten und pro-
positiones,
sondern die rechte thätliche warheit, oder wie es unser Lutherus
nachdrücklich gibt Ephes. 4, 21. das rechtschaffene wesen, das in CHri-
sto JEsu ist) nicht haben angenommen
(derselben geglaubet, gefolget,
gehorsamet, sie in ihrem gantzen leben erwiesen) daß sie selig würden/ hat
ihnen GOTT gesandt kräfftige irrthüme, daß sie glauben der lü-
gen,
m. f. w. Wie ich nun nicht zweiffele, daß dieses eine der haupt-ur-
sachen ist/ welche ich glaube, allen irrthumen anlaß, oder GOTT zu dero
verhängung ursach gegeben zu haben, also bleiben auch solche irrthum so lang,
als man solches holtz und stroh, damit göttliches gericht angezündet, ferner
erhalten wird, nicht wegräumet. Solle aber der Sache geholffen werden,
so wirds etwa nicht einfältiger und gewisser geschehen, (weil mit disputatio-
n
en wenig bishero ausgerichtet worden, noch auch mit syllogismis der gött-
liche glaube in die seele gebracht werden kan, als der nicht eine wirckung der
eines aus dem andern schliessenden vernunfft, sondern göttliche krafft seyn

muß
IV. Theil. t

ARTIC. I. SECT. XXXII.
ſo viel mit gehorſam, als wo ers alſo erfordert mit leyden uͤber denſelben willig
zu preiſen. Das verlangen meines hochgeehrten Herrn nach der einigkeit
des glaubens
iſt an ſich ſelbſten ſo gantz gut, daß deꝛjenige nicht wuͤrdig waͤꝛe
ein chriſt zu heiſſen, welcher nicht von grund der ſeelen ſolches verlangete, und
GOTT den allmaͤchtigen um ſolche gnade offters anflehete. Alldieweil al-
le mißhelligkeit von irrthum kommet, die wahrheit aber eine iſt. Und das iſts
freylich, was ich eben wuͤnſche und bete, daß der heiligſte wille unſers GOttes
in und durch uns vollbracht wuͤrde, als welcher iſt uns zu heiligen in der war-
heit, dann allein ſein wort iſt die warheit. Wie aber zu ſolcher verlangender
einigkeit zu kommen ſeye, davon laſſe ich andere, von GOTT mehr begabte
reden, dasjenige, was ſie nach ſolchem maaß der gnaden vor das nuͤtzlichſte er-
kennen. Jch hoffe, nicht gefaͤhrlich zu irren, wo ich davor achte, auf die art
ſeye zu recht zu kommen, wann man da die ſache beſſert, wo vorhin gefehlet
worden. Wann dann nun zwar der teufel und deſſen inſtrumenta aller
ketzereyen, trennung und irrthumen urſach ſind, aber doch gleichwol ohne des
heiligſten GOttes gerechte zulaſſung etwas dergleichen einzufuͤhren nicht ver-
moͤgten, was der warheit entgegen iſt, ſo haben wir zu ſehen, warum der ge-
rechte GOtt zu ſolcher betruͤbten verhaͤngnuͤß in ſeinem gericht bewogen wor-
den, daß er die arme kirche bey ſo vielen ſecten mit ſo vielen irrthumen erfuͤllet
hat laſſen werden, damit die einfaͤltige warheit ſchrecklich verfinſtert, und ſie
zu finden vielen gar ſchwer gemacht worden. Jch finde aber keine offenba-
rere urſach, als welche Paulus anzeigt 2. Theſſ. 2. Dafuͤr, daß ſie die war-
heit
(die heiſſet aber nicht nur die der warheit gemaͤſſe lehr-puncten und pro-
poſitiones,
ſondern die rechte thaͤtliche warheit, oder wie es unſer Lutherus
nachdruͤcklich gibt Epheſ. 4, 21. das rechtſchaffene weſen, das in CHri-
ſto JEſu iſt) nicht haben angenommen
(derſelben geglaubet, gefolget,
gehorſamet, ſie in ihrem gantzen leben erwieſen) daß ſie ſelig wuͤrden/ hat
ihnen GOTT geſandt kraͤfftige irrthuͤme, daß ſie glauben der luͤ-
gen,
m. f. w. Wie ich nun nicht zweiffele, daß dieſes eine der haupt-ur-
ſachen iſt/ welche ich glaube, allen irrthumen anlaß, oder GOTT zu dero
verhaͤngung urſach gegeben zu haben, alſo bleiben auch ſolche irrthum ſo lang,
als man ſolches holtz und ſtroh, damit goͤttliches gericht angezuͤndet, ferner
erhalten wird, nicht wegraͤumet. Solle aber der Sache geholffen werden,
ſo wirds etwa nicht einfaͤltiger und gewiſſer geſchehen, (weil mit diſputatio-
n
en wenig bishero ausgerichtet worden, noch auch mit ſyllogiſmis der goͤtt-
liche glaube in die ſeele gebracht werden kan, als der nicht eine wirckung der
eines aus dem andern ſchlieſſenden vernunfft, ſondern goͤttliche krafft ſeyn

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IV. Theil. t
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[145/0157] ARTIC. I. SECT. XXXII. ſo viel mit gehorſam, als wo ers alſo erfordert mit leyden uͤber denſelben willig zu preiſen. Das verlangen meines hochgeehrten Herrn nach der einigkeit des glaubens iſt an ſich ſelbſten ſo gantz gut, daß deꝛjenige nicht wuͤrdig waͤꝛe ein chriſt zu heiſſen, welcher nicht von grund der ſeelen ſolches verlangete, und GOTT den allmaͤchtigen um ſolche gnade offters anflehete. Alldieweil al- le mißhelligkeit von irrthum kommet, die wahrheit aber eine iſt. Und das iſts freylich, was ich eben wuͤnſche und bete, daß der heiligſte wille unſers GOttes in und durch uns vollbracht wuͤrde, als welcher iſt uns zu heiligen in der war- heit, dann allein ſein wort iſt die warheit. Wie aber zu ſolcher verlangender einigkeit zu kommen ſeye, davon laſſe ich andere, von GOTT mehr begabte reden, dasjenige, was ſie nach ſolchem maaß der gnaden vor das nuͤtzlichſte er- kennen. Jch hoffe, nicht gefaͤhrlich zu irren, wo ich davor achte, auf die art ſeye zu recht zu kommen, wann man da die ſache beſſert, wo vorhin gefehlet worden. Wann dann nun zwar der teufel und deſſen inſtrumenta aller ketzereyen, trennung und irrthumen urſach ſind, aber doch gleichwol ohne des heiligſten GOttes gerechte zulaſſung etwas dergleichen einzufuͤhren nicht ver- moͤgten, was der warheit entgegen iſt, ſo haben wir zu ſehen, warum der ge- rechte GOtt zu ſolcher betruͤbten verhaͤngnuͤß in ſeinem gericht bewogen wor- den, daß er die arme kirche bey ſo vielen ſecten mit ſo vielen irrthumen erfuͤllet hat laſſen werden, damit die einfaͤltige warheit ſchrecklich verfinſtert, und ſie zu finden vielen gar ſchwer gemacht worden. Jch finde aber keine offenba- rere urſach, als welche Paulus anzeigt 2. Theſſ. 2. Dafuͤr, daß ſie die war- heit (die heiſſet aber nicht nur die der warheit gemaͤſſe lehr-puncten und pro- poſitiones, ſondern die rechte thaͤtliche warheit, oder wie es unſer Lutherus nachdruͤcklich gibt Epheſ. 4, 21. das rechtſchaffene weſen, das in CHri- ſto JEſu iſt) nicht haben angenommen (derſelben geglaubet, gefolget, gehorſamet, ſie in ihrem gantzen leben erwieſen) daß ſie ſelig wuͤrden/ hat ihnen GOTT geſandt kraͤfftige irrthuͤme, daß ſie glauben der luͤ- gen, m. f. w. Wie ich nun nicht zweiffele, daß dieſes eine der haupt-ur- ſachen iſt/ welche ich glaube, allen irrthumen anlaß, oder GOTT zu dero verhaͤngung urſach gegeben zu haben, alſo bleiben auch ſolche irrthum ſo lang, als man ſolches holtz und ſtroh, damit goͤttliches gericht angezuͤndet, ferner erhalten wird, nicht wegraͤumet. Solle aber der Sache geholffen werden, ſo wirds etwa nicht einfaͤltiger und gewiſſer geſchehen, (weil mit diſputatio- nen wenig bishero ausgerichtet worden, noch auch mit ſyllogiſmis der goͤtt- liche glaube in die ſeele gebracht werden kan, als der nicht eine wirckung der eines aus dem andern ſchlieſſenden vernunfft, ſondern goͤttliche krafft ſeyn muß IV. Theil. t

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/157>, abgerufen am 24.11.2024.