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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XXXII.
len, offters geärgert und betrübet hat. Also stehe ich in der guten zuversicht,
er werde nicht auf der gemeinen hypothesi der unter denselben härteren leu-
te bestehen, daß zu der seligkeit die gemeinschafft der Römischen kirchen und
billigung der von deroselben setzenden articul nöthig seye; zu dero ich, wer
nicht von kindheit an dabey erzogen, eine GOTT rechtschaffen suchende see-
le, die seine wahrheit in der schrifft hat angefangen zu erkennen, zu bringen,
so viel als unmüglich achte, er wolle dann wider sein eigen gewissen thun, da-
mit aber auch den namen verlieren eines rechtschaffenen und von hertzen
GOTT suchenden menschen. Jch weiß auch, daß viel gute leute in ihrer
Römischen communion gar andere und der wahrheit gemässere gedancken
haben, und zuweilen ohngescheuet sich heraus lassen. Wie mir Herr D. Li-
lius,
damaliger reißprediger Jhr. Hochfürstl. Durchl. des Marggraffen
von Brandenburg Bayreut selbs erzehlet, als er mit solchem seinem Herrn
in Rom gewesen, und mit einem vornehmen Patre Generali einer berühm-
ten societet zu mehrmalen geredet und umgegangen, solcher ob er wol von
ihm wußte, daß er wircklich Doctor und designatus Profes. Theologiae
evangelicae
wäre, auch sein bekäntnüß in dem freyen discurs mit mehrerem
gehöret hatte, bey dem abschied ihn embrassiret und gesprochen, die hoff-
nung zu haben, ihn dermaleins in jener seligkeit zu sehen, als der von allen
denen, welche von hertzen an CHristum glaubten und ihm dieneten, solche
gute hoffnung habe, es wäre dann sache, daß GOTT jemand in seiner see-
len der wahrheit der Römischen kirchen überzeugte, und der mensch alsdann
solchem zug nicht folgen wolte; Daß er also auch unsere Doctores Theo-
logos
der seligkeit nicht verlustigt achten wolte. Ach daß wir doch die kirche
nirgends anders als in CHristo, in dessen glauben und gehorsam, nicht aber
in eusserlicher verfassung und weltlichem gepräng zu suchen lerneten, so wür-
de mehr glaube, mehr liebe seyn. Alles dieses, wie es aus grund meines
hertzens und inniglicher liebe geschrieben, will ich hoffen, werde auch mit sol-
cher liebe aufgenommen werden. Jn deme in controversien mich mit je-
mand einzulassen gar nicht gedencke, noch solches meine bewandnüß und zu-
stand zulässet, wol aber willig bin bey guten freunden, was in meiner seele
ist, wie ich es ohne das offentlich thue, heraus zu lassen. Nach welchem ich
die sach GOTT befehle, wie weit er dadurch bey denselben wircken, und in
ihrem gewissen bezeugen wolle. Jn dessen heilige hut und gnade empfehlen-
de schliesse mit dem heiligsten gebet CHristi selbst: Heilige sie (alle welche
dein göttliches werck nicht an sich verhindern) in deiner wahrheit: Dein
wort ist die wahrheit!

SECT.

ARTIC. I. SECTIO XXXII.
len, offters geaͤrgert und betruͤbet hat. Alſo ſtehe ich in der guten zuverſicht,
er werde nicht auf der gemeinen hypotheſi der unter denſelben haͤrteren leu-
te beſtehen, daß zu der ſeligkeit die gemeinſchafft der Roͤmiſchen kirchen und
billigung der von deroſelben ſetzenden articul noͤthig ſeye; zu dero ich, wer
nicht von kindheit an dabey erzogen, eine GOTT rechtſchaffen ſuchende ſee-
le, die ſeine wahrheit in der ſchrifft hat angefangen zu erkennen, zu bringen,
ſo viel als unmuͤglich achte, er wolle dann wider ſein eigen gewiſſen thun, da-
mit aber auch den namen verlieren eines rechtſchaffenen und von hertzen
GOTT ſuchenden menſchen. Jch weiß auch, daß viel gute leute in ihrer
Roͤmiſchen communion gar andere und der wahrheit gemaͤſſere gedancken
haben, und zuweilen ohngeſcheuet ſich heraus laſſen. Wie mir Herr D. Li-
lius,
damaliger reißprediger Jhr. Hochfuͤrſtl. Durchl. des Marggraffen
von Brandenburg Bayreut ſelbs erzehlet, als er mit ſolchem ſeinem Herrn
in Rom geweſen, und mit einem vornehmen Patre Generali einer beruͤhm-
ten ſocietet zu mehrmalen geredet und umgegangen, ſolcher ob er wol von
ihm wußte, daß er wircklich Doctor und deſignatus Profeſ. Theologiæ
evangelicæ
waͤre, auch ſein bekaͤntnuͤß in dem freyen diſcurs mit mehrerem
gehoͤret hatte, bey dem abſchied ihn embraſſiret und geſprochen, die hoff-
nung zu haben, ihn dermaleins in jener ſeligkeit zu ſehen, als der von allen
denen, welche von hertzen an CHriſtum glaubten und ihm dieneten, ſolche
gute hoffnung habe, es waͤre dann ſache, daß GOTT jemand in ſeiner ſee-
len der wahrheit der Roͤmiſchen kirchen uͤberzeugte, und der menſch alsdann
ſolchem zug nicht folgen wolte; Daß er alſo auch unſere Doctores Theo-
logos
der ſeligkeit nicht verluſtigt achten wolte. Ach daß wir doch die kirche
nirgends anders als in CHriſto, in deſſen glauben und gehorſam, nicht aber
in euſſerlicher verfaſſung und weltlichem gepraͤng zu ſuchen lerneten, ſo wuͤr-
de mehr glaube, mehr liebe ſeyn. Alles dieſes, wie es aus grund meines
hertzens und inniglicher liebe geſchrieben, will ich hoffen, werde auch mit ſol-
cher liebe aufgenommen werden. Jn deme in controverſien mich mit je-
mand einzulaſſen gar nicht gedencke, noch ſolches meine bewandnuͤß und zu-
ſtand zulaͤſſet, wol aber willig bin bey guten freunden, was in meiner ſeele
iſt, wie ich es ohne das offentlich thue, heraus zu laſſen. Nach welchem ich
die ſach GOTT befehle, wie weit er dadurch bey denſelben wircken, und in
ihrem gewiſſen bezeugen wolle. Jn deſſen heilige hut und gnade empfehlen-
de ſchlieſſe mit dem heiligſten gebet CHriſti ſelbſt: Heilige ſie (alle welche
dein goͤttliches werck nicht an ſich verhindern) in deiner wahrheit: Dein
wort iſt die wahrheit!

SECT.
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[151/0163] ARTIC. I. SECTIO XXXII. len, offters geaͤrgert und betruͤbet hat. Alſo ſtehe ich in der guten zuverſicht, er werde nicht auf der gemeinen hypotheſi der unter denſelben haͤrteren leu- te beſtehen, daß zu der ſeligkeit die gemeinſchafft der Roͤmiſchen kirchen und billigung der von deroſelben ſetzenden articul noͤthig ſeye; zu dero ich, wer nicht von kindheit an dabey erzogen, eine GOTT rechtſchaffen ſuchende ſee- le, die ſeine wahrheit in der ſchrifft hat angefangen zu erkennen, zu bringen, ſo viel als unmuͤglich achte, er wolle dann wider ſein eigen gewiſſen thun, da- mit aber auch den namen verlieren eines rechtſchaffenen und von hertzen GOTT ſuchenden menſchen. Jch weiß auch, daß viel gute leute in ihrer Roͤmiſchen communion gar andere und der wahrheit gemaͤſſere gedancken haben, und zuweilen ohngeſcheuet ſich heraus laſſen. Wie mir Herr D. Li- lius, damaliger reißprediger Jhr. Hochfuͤrſtl. Durchl. des Marggraffen von Brandenburg Bayreut ſelbs erzehlet, als er mit ſolchem ſeinem Herrn in Rom geweſen, und mit einem vornehmen Patre Generali einer beruͤhm- ten ſocietet zu mehrmalen geredet und umgegangen, ſolcher ob er wol von ihm wußte, daß er wircklich Doctor und deſignatus Profeſ. Theologiæ evangelicæ waͤre, auch ſein bekaͤntnuͤß in dem freyen diſcurs mit mehrerem gehoͤret hatte, bey dem abſchied ihn embraſſiret und geſprochen, die hoff- nung zu haben, ihn dermaleins in jener ſeligkeit zu ſehen, als der von allen denen, welche von hertzen an CHriſtum glaubten und ihm dieneten, ſolche gute hoffnung habe, es waͤre dann ſache, daß GOTT jemand in ſeiner ſee- len der wahrheit der Roͤmiſchen kirchen uͤberzeugte, und der menſch alsdann ſolchem zug nicht folgen wolte; Daß er alſo auch unſere Doctores Theo- logos der ſeligkeit nicht verluſtigt achten wolte. Ach daß wir doch die kirche nirgends anders als in CHriſto, in deſſen glauben und gehorſam, nicht aber in euſſerlicher verfaſſung und weltlichem gepraͤng zu ſuchen lerneten, ſo wuͤr- de mehr glaube, mehr liebe ſeyn. Alles dieſes, wie es aus grund meines hertzens und inniglicher liebe geſchrieben, will ich hoffen, werde auch mit ſol- cher liebe aufgenommen werden. Jn deme in controverſien mich mit je- mand einzulaſſen gar nicht gedencke, noch ſolches meine bewandnuͤß und zu- ſtand zulaͤſſet, wol aber willig bin bey guten freunden, was in meiner ſeele iſt, wie ich es ohne das offentlich thue, heraus zu laſſen. Nach welchem ich die ſach GOTT befehle, wie weit er dadurch bey denſelben wircken, und in ihrem gewiſſen bezeugen wolle. Jn deſſen heilige hut und gnade empfehlen- de ſchlieſſe mit dem heiligſten gebet CHriſti ſelbſt: Heilige ſie (alle welche dein goͤttliches werck nicht an ſich verhindern) in deiner wahrheit: Dein wort iſt die wahrheit! 1677. SECT.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/163>, abgerufen am 25.11.2024.