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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
durch das genommene blut möchte ausgerichtet werden, sondern dazu gehö-
ren weitere illusiones des satans, und kan ich die sache nicht wol anders be-
greiffen, als nach dem durch solche zauberische verunruhigung des geblüts die
phantasie verwirret, und dem leidigen teufel damit sein theatrum gleichsam
zugerüstet worden, daß derselbe alsdann selbs solche repraesentationes ma-
che, welche er will, und die er zu der verderbung oder beängstigung der kinder
dienlich findet, die er aber so wol nicht thun könte, wo nicht erstlich in der phan-
tasie etwas solches vorgangen wäre, wie denn, daß der satan, wo er in dem
menschen sein werck thut, auch dazu der natürlichen disposition des leibes
sich gebrauche, und dieselbe in unordnung zu bringen pflege, auch aus dem ex-
empel Sauls 1. Samuel. 16, 15. 16. zu sehen ist. Denn da ein solcher ge-
sucht wird, der vor dem könig auf der harffen spielete, daß es besser mit ihm
würde, wie auch solches durch David geschehen ist, haben wir nicht zu geden-
cken, daß die music und harffenspiel unmittelbar dem teufel wehren oder ihn
hindern könne, sondern es konte solche nicht mehr als durch die lieblichkeit des
schalls die affecten des Sauls und also dessen geblüt etwas besänfftigen, wel-
ches also der teufel muß verunruhiget haben/ sein werck in ihm zu treiben, da
aber dieses gestöhret worden, wo durch solchen anmuthigen thon das gemüth
sich besänfftiget, und also das geblüt auch in eine ruhe gekommen. Wie
dann alle affecten eine starcke impression in dem leib (alle aber dieselbe durch
das geblüt, als das subtilste desselben und wiederum in diesem das subtilste,
die Spiritus) haben und eintrucken.

Die dritte frage.
Ob die hexen durch solches genommene blut die phantasie der
schlaffenden können beunruhigen, wann sie wollen? Wie die

justificirte alte hex ausgesagt, daß sie es mit kochung der bluts
verursacht, daher die kinder bey nacht keine stunde sicher seyn.

ZU dieser frag ist theils das auf die vorig geantwortete zu wiederholen,
theils ferner beyzusetzen, daß ich nicht zweiffele, wo die hexen solches
blut noch in ihrer gewalt haben, daß sie etwa mehr nach ihrem belie-
ben (ohne allein daß allezeit auch der göttlichen verhängnüß dabey gedacht
werden muß) die kinder verunruhigen können; Wo sie nemlich allemal et-
was neues damit anfangen; wie wol man doch gedencken solte, daß so
fern eine natürliche wirckung (wie in dem pulvere sympathetico) dabey
seyn solte, diese endlich natürlich abnehmen ja gar aufhören müßte, daß
das blut endlich also seine kraft verlöhre, daß durch einige weitere [e]ffluvia

es
IV. Theil. x

ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
durch das genommene blut moͤchte ausgerichtet werden, ſondern dazu gehoͤ-
ren weitere illuſiones des ſatans, und kan ich die ſache nicht wol anders be-
greiffen, als nach dem durch ſolche zauberiſche verunruhigung des gebluͤts die
phantaſie verwirret, und dem leidigen teufel damit ſein theatrum gleichſam
zugeruͤſtet worden, daß derſelbe alsdann ſelbs ſolche repræſentationes ma-
che, welche er will, und die er zu der verderbung oder beaͤngſtigung der kinder
dienlich findet, die er aber ſo wol nicht thun koͤnte, wo nicht erſtlich in der phan-
taſie etwas ſolches vorgangen waͤre, wie denn, daß der ſatan, wo er in dem
menſchen ſein werck thut, auch dazu der natuͤrlichen diſpoſition des leibes
ſich gebrauche, und dieſelbe in unordnung zu bringen pflege, auch aus dem ex-
empel Sauls 1. Samuel. 16, 15. 16. zu ſehen iſt. Denn da ein ſolcher ge-
ſucht wird, der vor dem koͤnig auf der harffen ſpielete, daß es beſſer mit ihm
wuͤrde, wie auch ſolches durch David geſchehen iſt, haben wir nicht zu geden-
cken, daß die muſic und harffenſpiel unmittelbar dem teufel wehren oder ihn
hindern koͤnne, ſondern es konte ſolche nicht mehr als durch die lieblichkeit des
ſchalls die affecten des Sauls und alſo deſſen gebluͤt etwas beſaͤnfftigen, wel-
ches alſo der teufel muß verunruhiget haben/ ſein werck in ihm zu treiben, da
aber dieſes geſtoͤhret worden, wo durch ſolchen anmuthigen thon das gemuͤth
ſich beſaͤnfftiget, und alſo das gebluͤt auch in eine ruhe gekommen. Wie
dann alle affecten eine ſtarcke impreſſion in dem leib (alle aber dieſelbe durch
das gebluͤt, als das ſubtilſte deſſelben und wiederum in dieſem das ſubtilſte,
die Spiritus) haben und eintrucken.

Die dritte frage.
Ob die hexen durch ſolches genommene blut die phantaſie der
ſchlaffenden koͤnnen beunruhigen, wann ſie wollen? Wie die

juſtificirte alte hex ausgeſagt, daß ſie es mit kochung der bluts
verurſacht, daher die kinder bey nacht keine ſtunde ſicher ſeyn.

ZU dieſer frag iſt theils das auf die vorig geantwortete zu wiederholen,
theils ferner beyzuſetzen, daß ich nicht zweiffele, wo die hexen ſolches
blut noch in ihrer gewalt haben, daß ſie etwa mehr nach ihrem belie-
ben (ohne allein daß allezeit auch der goͤttlichen verhaͤngnuͤß dabey gedacht
werden muß) die kinder verunruhigen koͤnnen; Wo ſie nemlich allemal et-
was neues damit anfangen; wie wol man doch gedencken ſolte, daß ſo
fern eine natuͤrliche wirckung (wie in dem pulvere ſympathetico) dabey
ſeyn ſolte, dieſe endlich natuͤrlich abnehmen ja gar aufhoͤren muͤßte, daß
das blut endlich alſo ſeine kraft verloͤhre, daß durch einige weitere [e]ffluvia

es
IV. Theil. x
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[161/0173] ARTIC. I. SECTIO XXXIV. durch das genommene blut moͤchte ausgerichtet werden, ſondern dazu gehoͤ- ren weitere illuſiones des ſatans, und kan ich die ſache nicht wol anders be- greiffen, als nach dem durch ſolche zauberiſche verunruhigung des gebluͤts die phantaſie verwirret, und dem leidigen teufel damit ſein theatrum gleichſam zugeruͤſtet worden, daß derſelbe alsdann ſelbs ſolche repræſentationes ma- che, welche er will, und die er zu der verderbung oder beaͤngſtigung der kinder dienlich findet, die er aber ſo wol nicht thun koͤnte, wo nicht erſtlich in der phan- taſie etwas ſolches vorgangen waͤre, wie denn, daß der ſatan, wo er in dem menſchen ſein werck thut, auch dazu der natuͤrlichen diſpoſition des leibes ſich gebrauche, und dieſelbe in unordnung zu bringen pflege, auch aus dem ex- empel Sauls 1. Samuel. 16, 15. 16. zu ſehen iſt. Denn da ein ſolcher ge- ſucht wird, der vor dem koͤnig auf der harffen ſpielete, daß es beſſer mit ihm wuͤrde, wie auch ſolches durch David geſchehen iſt, haben wir nicht zu geden- cken, daß die muſic und harffenſpiel unmittelbar dem teufel wehren oder ihn hindern koͤnne, ſondern es konte ſolche nicht mehr als durch die lieblichkeit des ſchalls die affecten des Sauls und alſo deſſen gebluͤt etwas beſaͤnfftigen, wel- ches alſo der teufel muß verunruhiget haben/ ſein werck in ihm zu treiben, da aber dieſes geſtoͤhret worden, wo durch ſolchen anmuthigen thon das gemuͤth ſich beſaͤnfftiget, und alſo das gebluͤt auch in eine ruhe gekommen. Wie dann alle affecten eine ſtarcke impreſſion in dem leib (alle aber dieſelbe durch das gebluͤt, als das ſubtilſte deſſelben und wiederum in dieſem das ſubtilſte, die Spiritus) haben und eintrucken. Die dritte frage. Ob die hexen durch ſolches genommene blut die phantaſie der ſchlaffenden koͤnnen beunruhigen, wann ſie wollen? Wie die juſtificirte alte hex ausgeſagt, daß ſie es mit kochung der bluts verurſacht, daher die kinder bey nacht keine ſtunde ſicher ſeyn. ZU dieſer frag iſt theils das auf die vorig geantwortete zu wiederholen, theils ferner beyzuſetzen, daß ich nicht zweiffele, wo die hexen ſolches blut noch in ihrer gewalt haben, daß ſie etwa mehr nach ihrem belie- ben (ohne allein daß allezeit auch der goͤttlichen verhaͤngnuͤß dabey gedacht werden muß) die kinder verunruhigen koͤnnen; Wo ſie nemlich allemal et- was neues damit anfangen; wie wol man doch gedencken ſolte, daß ſo fern eine natuͤrliche wirckung (wie in dem pulvere ſympathetico) dabey ſeyn ſolte, dieſe endlich natuͤrlich abnehmen ja gar aufhoͤren muͤßte, daß das blut endlich alſo ſeine kraft verloͤhre, daß durch einige weitere effluvia es IV. Theil. x

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/173>, abgerufen am 26.11.2024.