Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECT. VI göttlichen beruf/ es sey nun der eltern wille/ oder eigene bewegnüß mit dar-zugekommen/ zu dem studio Theologico gerathen seye/ rechtmäßigen zweiffel schöpffen könte; indem von demselben vernehme/ daß es bisher auch an des gütigsten vaters segen und zu dem studio Theologico ertheilten suc- ceß und gaben nicht gemangelt habe/ welches auch a posteriori jenes be- ruffs gewißheit versichert. Hingegen lässt sich aus einem vor göttlich er- kanten beruff nicht austreten/ wo nicht die offenbareste kennzeichen/ daß man vorher geirret/ oder jener erste beruf aufgehöret hätte/ sich hervorthun: der- gleichen aber hier sich keine zeigen/ oder vorgebracht worden sind. 2. Denn was die bisherige ermangelung einer beförderung zum offentliche; kirchen-amt anlangt/ ist solche den göttlichen beruff aufzuheben nicht zulänglich: indem was verschoben/ deswegen nicht abgeschlagen ist/ und manche rechtschaffene wol- begabte personen ziemlich spat zu öffentlichen bedienungen/ bey gegenwärtiger der studirenden menge/ gelangen/ daher aber an der göttlichkeit der wahl ih- res studii keinen zweiffel nehmen. Wie denn dergleichen längeres warten nicht als ein abschlag auch von göttlicher providenz, sondern als eine zugesand- te probe unsers glaubens und gedult anzusehen/ und billig mit gelassenem ge- müth darinnen auszuhalten ist. So glaube ohne das/ daß zu so viel nützlicher bereitung zu künfftigem amt ein interstitium zwischen dem studio Academi- co und dem amt selbs sehr dienlich seye; also daß/ wo es in meiner macht stün- de/ gerne sähe/ daß alle candidati nach geendigtem cursu academico eine gu- te zeit in einer stille sich aufhalten/ mit gebet/ betrachtung und gottseligen übun- gen an sich selbs mehr arbeiten/ und gleichsam den successum pium hominis literati des frommen Herrn Spizelii studiren solten/ welches nicht wenig ihre vorige studia heiligen/ und sie immer zu heiliger verwaltung des amts geschick- ter machen würde. 3. Hingegen wo man aus verdruß des wartens GOTT gleichsam aus dem wege gehen/ und etwas anders erwehlen wolte/ sehe ich nicht/ wie es ohne dessen beleidigung geschehen würde/ als dem man wider unsere kindliche überlassung zeit und stunde seiner beruffung vorschreiben wolte: daher man auch zu einem andern studio sich eben nicht vieles segens getrö- sten könte. 4. So sehe nicht/ wie alle subsistendi media abgeschnitten seyen/ dann wo auch nechster freunde hand sich endlich zurück zöge/ so sind doch der candidatorum ministerii an allen orten eine starcke anzahl/ welche ohne heller eigner mittel hier und dar sich in conditionen begeben/ und durch informa- tion ihr leben erwerbende mit gedult des göttlichen ruffs erwarten: wie dann nicht glaube/ daß leicht einem/ der sich darum umthut/ und im übri- gen gute studia hat/ dergleichen conditiones entstehen solten. Jch weiß zwar/ daß solche lebens-art auch ihre beschwerden hat/ hingegen ists genug/ daß
ARTIC. II. SECT. VI goͤttlichen beruf/ es ſey nun der eltern wille/ oder eigene bewegnuͤß mit dar-zugekommen/ zu dem ſtudio Theologico gerathen ſeye/ rechtmaͤßigen zweiffel ſchoͤpffen koͤnte; indem von demſelben vernehme/ daß es bisher auch an des guͤtigſten vaters ſegen und zu dem ſtudio Theologico ertheilten ſuc- ceß und gaben nicht gemangelt habe/ welches auch â poſteriori jenes be- ruffs gewißheit verſichert. Hingegen laͤſſt ſich aus einem vor goͤttlich er- kanten beruff nicht austreten/ wo nicht die offenbareſte kennzeichen/ daß man vorher geirret/ oder jener erſte beruf aufgehoͤret haͤtte/ ſich hervorthun: der- gleichen aber hier ſich keine zeigen/ oder vorgebracht worden ſind. 2. Denn was die bisherige ermangelung einer befoͤrderung zum offentliche; kirchen-amt anlangt/ iſt ſolche den goͤttlichen beruff aufzuheben nicht zulaͤnglich: indem was verſchoben/ deswegen nicht abgeſchlagen iſt/ und manche rechtſchaffene wol- begabte perſonen ziemlich ſpat zu oͤffentlichen bedienungen/ bey gegenwaͤrtiger der ſtudirenden menge/ gelangen/ daher aber an der goͤttlichkeit der wahl ih- res ſtudii keinen zweiffel nehmen. Wie denn dergleichen laͤngeres warten nicht als ein abſchlag auch von goͤttlicher providenz, ſondeꝛn als eine zugeſand- te probe unſers glaubens und gedult anzuſehen/ und billig mit gelaſſenem ge- muͤth darinnen auszuhalten iſt. So glaube ohne das/ daß zu ſo viel nuͤtzlicher bereitung zu kuͤnfftigem amt ein interſtitium zwiſchen dem ſtudio Academi- co und dem amt ſelbs ſehr dienlich ſeye; alſo daß/ wo es in meiner macht ſtuͤn- de/ gerne ſaͤhe/ daß alle candidati nach geendigtem curſu academico eine gu- te zeit in einer ſtille ſich aufhalten/ mit gebet/ betrachtung und gottſeligen uͤbun- gen an ſich ſelbs mehr arbeiten/ und gleichſam den ſucceſſum pium hominis literati des frommen Herrn Spizelii ſtudiren ſolten/ welches nicht wenig ihre vorige ſtudia heiligen/ und ſie immer zu heiliger verwaltung des amts geſchick- ter machen wuͤrde. 3. Hingegen wo man aus verdruß des wartens GOTT gleichſam aus dem wege gehen/ und etwas anders erwehlen wolte/ ſehe ich nicht/ wie es ohne deſſen beleidigung geſchehen wuͤrde/ als dem man wider unſere kindliche uͤberlaſſung zeit und ſtunde ſeiner beruffung vorſchreiben wolte: daher man auch zu einem andern ſtudio ſich ebẽ nicht vieles ſegens getroͤ- ſten koͤnte. 4. So ſehe nicht/ wie alle ſubſiſtendi media abgeſchnitten ſeyen/ dann wo auch nechſter freunde hand ſich endlich zuruͤck zoͤge/ ſo ſind doch der candidatorum miniſterii an allen orten eine ſtarcke anzahl/ welche ohne heller eigner mittel hier und dar ſich in conditionen begeben/ und durch informa- tion ihr leben erwerbende mit gedult des goͤttlichen ruffs erwarten: wie dann nicht glaube/ daß leicht einem/ der ſich darum umthut/ und im uͤbri- gen gute ſtudia hat/ dergleichen conditiones entſtehen ſolten. Jch weiß zwar/ daß ſolche lebens-art auch ihre beſchwerden hat/ hingegen iſts genug/ daß
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="191"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. II. SECT. VI</hi></hi></fw><lb/> goͤttlichen beruf/ es ſey nun der eltern wille/ oder eigene bewegnuͤß mit dar-<lb/> zugekommen/ zu dem <hi rendition="#aq">ſtudio Theologico</hi> gerathen ſeye/ rechtmaͤßigen zweiffel<lb/> ſchoͤpffen koͤnte; indem von demſelben vernehme/ daß es bisher auch<lb/> an des guͤtigſten vaters ſegen und zu dem <hi rendition="#aq">ſtudio Theologico</hi> ertheilten <hi rendition="#aq">ſuc-<lb/> ceß</hi> und gaben nicht gemangelt habe/ welches auch <hi rendition="#aq">â poſteriori</hi> jenes be-<lb/> ruffs gewißheit verſichert. Hingegen laͤſſt ſich aus einem vor goͤttlich er-<lb/> kanten beruff nicht austreten/ wo nicht die offenbareſte kennzeichen/ daß man<lb/> vorher geirret/ oder jener erſte beruf aufgehoͤret haͤtte/ ſich hervorthun: der-<lb/> gleichen aber hier ſich keine zeigen/ oder vorgebracht worden ſind. 2. Denn<lb/> was die bisherige ermangelung einer befoͤrderung zum offentliche; kirchen-amt<lb/> anlangt/ iſt ſolche den goͤttlichen beruff aufzuheben nicht zulaͤnglich: indem was<lb/> verſchoben/ deswegen nicht abgeſchlagen iſt/ und manche rechtſchaffene wol-<lb/> begabte perſonen ziemlich ſpat zu oͤffentlichen bedienungen/ bey gegenwaͤrtiger<lb/> der <hi rendition="#aq">ſtudi</hi>renden menge/ gelangen/ daher aber an der goͤttlichkeit der wahl ih-<lb/> res <hi rendition="#aq">ſtudii</hi> keinen zweiffel nehmen. Wie denn dergleichen laͤngeres warten<lb/> nicht als ein abſchlag auch von goͤttlicher <hi rendition="#aq">providenz,</hi> ſondeꝛn als eine zugeſand-<lb/> te probe unſers glaubens und gedult anzuſehen/ und billig mit gelaſſenem ge-<lb/> muͤth darinnen auszuhalten iſt. So glaube ohne das/ daß zu ſo viel nuͤtzlicher<lb/> bereitung zu kuͤnfftigem amt ein <hi rendition="#aq">interſtitium</hi> zwiſchen dem <hi rendition="#aq">ſtudio Academi-<lb/> co</hi> und dem amt ſelbs ſehr dienlich ſeye; alſo daß/ wo es in meiner macht ſtuͤn-<lb/> de/ gerne ſaͤhe/ daß alle <hi rendition="#aq">candidati</hi> nach geendigtem <hi rendition="#aq">curſu academico</hi> eine gu-<lb/> te zeit in einer ſtille ſich aufhalten/ mit gebet/ betrachtung und gottſeligen uͤbun-<lb/> gen an ſich ſelbs mehr arbeiten/ und gleichſam den <hi rendition="#aq">ſucceſſum pium hominis<lb/> literati</hi> des frommen Herrn <hi rendition="#aq">Spizelii ſtudi</hi>ren ſolten/ welches nicht wenig ihre<lb/> vorige <hi rendition="#aq">ſtudia</hi> heiligen/ und ſie immer zu heiliger verwaltung des amts geſchick-<lb/> ter machen wuͤrde. 3. Hingegen wo man aus verdruß des wartens GOTT<lb/> gleichſam aus dem wege gehen/ und etwas anders erwehlen wolte/ ſehe ich<lb/> nicht/ wie es ohne deſſen beleidigung geſchehen wuͤrde/ als dem man wider<lb/> unſere kindliche uͤberlaſſung zeit und ſtunde ſeiner beruffung vorſchreiben<lb/> wolte: daher man auch zu einem andern <hi rendition="#aq">ſtudio</hi> ſich ebẽ nicht vieles ſegens getroͤ-<lb/> ſten koͤnte. 4. So ſehe nicht/ wie alle <hi rendition="#aq">ſubſiſtendi media</hi> abgeſchnitten ſeyen/<lb/> dann wo auch nechſter freunde hand ſich endlich zuruͤck zoͤge/ ſo ſind doch der<lb/><hi rendition="#aq">candidatorum miniſterii</hi> an allen orten eine ſtarcke anzahl/ welche ohne heller<lb/> eigner mittel hier und dar ſich in <hi rendition="#aq">conditio</hi>nen begeben/ und durch <hi rendition="#aq">informa-<lb/> tion</hi> ihr leben erwerbende mit gedult des goͤttlichen ruffs erwarten: wie<lb/> dann nicht glaube/ daß leicht einem/ der ſich darum umthut/ und im uͤbri-<lb/> gen gute <hi rendition="#aq">ſtudia</hi> hat/ dergleichen <hi rendition="#aq">conditiones</hi> entſtehen ſolten. Jch weiß<lb/> zwar/ daß ſolche lebens-art auch ihre beſchwerden hat/ hingegen iſts genug/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0203]
ARTIC. II. SECT. VI
goͤttlichen beruf/ es ſey nun der eltern wille/ oder eigene bewegnuͤß mit dar-
zugekommen/ zu dem ſtudio Theologico gerathen ſeye/ rechtmaͤßigen zweiffel
ſchoͤpffen koͤnte; indem von demſelben vernehme/ daß es bisher auch
an des guͤtigſten vaters ſegen und zu dem ſtudio Theologico ertheilten ſuc-
ceß und gaben nicht gemangelt habe/ welches auch â poſteriori jenes be-
ruffs gewißheit verſichert. Hingegen laͤſſt ſich aus einem vor goͤttlich er-
kanten beruff nicht austreten/ wo nicht die offenbareſte kennzeichen/ daß man
vorher geirret/ oder jener erſte beruf aufgehoͤret haͤtte/ ſich hervorthun: der-
gleichen aber hier ſich keine zeigen/ oder vorgebracht worden ſind. 2. Denn
was die bisherige ermangelung einer befoͤrderung zum offentliche; kirchen-amt
anlangt/ iſt ſolche den goͤttlichen beruff aufzuheben nicht zulaͤnglich: indem was
verſchoben/ deswegen nicht abgeſchlagen iſt/ und manche rechtſchaffene wol-
begabte perſonen ziemlich ſpat zu oͤffentlichen bedienungen/ bey gegenwaͤrtiger
der ſtudirenden menge/ gelangen/ daher aber an der goͤttlichkeit der wahl ih-
res ſtudii keinen zweiffel nehmen. Wie denn dergleichen laͤngeres warten
nicht als ein abſchlag auch von goͤttlicher providenz, ſondeꝛn als eine zugeſand-
te probe unſers glaubens und gedult anzuſehen/ und billig mit gelaſſenem ge-
muͤth darinnen auszuhalten iſt. So glaube ohne das/ daß zu ſo viel nuͤtzlicher
bereitung zu kuͤnfftigem amt ein interſtitium zwiſchen dem ſtudio Academi-
co und dem amt ſelbs ſehr dienlich ſeye; alſo daß/ wo es in meiner macht ſtuͤn-
de/ gerne ſaͤhe/ daß alle candidati nach geendigtem curſu academico eine gu-
te zeit in einer ſtille ſich aufhalten/ mit gebet/ betrachtung und gottſeligen uͤbun-
gen an ſich ſelbs mehr arbeiten/ und gleichſam den ſucceſſum pium hominis
literati des frommen Herrn Spizelii ſtudiren ſolten/ welches nicht wenig ihre
vorige ſtudia heiligen/ und ſie immer zu heiliger verwaltung des amts geſchick-
ter machen wuͤrde. 3. Hingegen wo man aus verdruß des wartens GOTT
gleichſam aus dem wege gehen/ und etwas anders erwehlen wolte/ ſehe ich
nicht/ wie es ohne deſſen beleidigung geſchehen wuͤrde/ als dem man wider
unſere kindliche uͤberlaſſung zeit und ſtunde ſeiner beruffung vorſchreiben
wolte: daher man auch zu einem andern ſtudio ſich ebẽ nicht vieles ſegens getroͤ-
ſten koͤnte. 4. So ſehe nicht/ wie alle ſubſiſtendi media abgeſchnitten ſeyen/
dann wo auch nechſter freunde hand ſich endlich zuruͤck zoͤge/ ſo ſind doch der
candidatorum miniſterii an allen orten eine ſtarcke anzahl/ welche ohne heller
eigner mittel hier und dar ſich in conditionen begeben/ und durch informa-
tion ihr leben erwerbende mit gedult des goͤttlichen ruffs erwarten: wie
dann nicht glaube/ daß leicht einem/ der ſich darum umthut/ und im uͤbri-
gen gute ſtudia hat/ dergleichen conditiones entſtehen ſolten. Jch weiß
zwar/ daß ſolche lebens-art auch ihre beſchwerden hat/ hingegen iſts genug/
daß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |