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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO XX.
den armen zu helffen/ und der kirchen vorsteher gewissen zu rathen/ den e-
lenchum
geführet haben werde. So kan ich auch/ als viel aus der relati-
on
ersehe/ indem mir sonst nicht wissend/ was etwa und ob etwas erhebli-
ches dieselbe dargegen einzuwenden hätten/ nicht billigen/ wo nach der
zwar an vielen orten bösen gewohnheit/ dieselbe die treue ihres amts darin-
nen zu bestehen gemeinet/ wo nur capitalia gemacht würden/ da indessen
einige arme in nöthen stecken geblieben/ sonderlich aber die arme jugend an
ihrem nothwendigsten versäumet worden ist. Daher was gegen solches in
genere
geeiffert/ mit den kirchen vorstehern geredet und auch publice die
sache/ da jenes nicht helffen wollen gestraffet worden/ kan keinerley weise
mit recht übel gedeutet/ sondern muß vielmehr erkant werden/ daß mein
werthester bruder darinn recht/ und nach seinem amt gethan habe. Was
aber die special anzeige wegen der besondern begebenheit/ so solte vorge-
gangen seyn/ anlangt/ leugne ich nicht/ daß ich sie nicht würde zu thun ge-
rathen haben/ und sie nicht zu justificiren weiß. Erstlich achte ich/ daß kein
einiges mal etwas so gar speciales auf die cantzel kommen solle/ es seye
dann entweder gar zu enorm, und zu einem offentlichen ärgernüß bey der
gesamten gemeinde bereits ausgeschlagen/ oder sonsten auf keine andere
weise der sache zu helffen. Da ich aber davor halte/ daß solches beydes in
diesem casu noch eben kein platz hat. Zum 2. hätte davor gehalten/ daß bil-
liger solches absonderlichen facti wegen den kirchen vorstehern zugesprochen/
oder weil ich die ordnung ihrer kirche so praecise eben nicht weiß entweder
mit andern/ welche mit jenen zu thun haben/ gehandlet werden sollen/ ehe
es auf die cantzel gebracht worden: sonderlich weilen dergleichen materiae
nicht nur sehr odiosae/ sondern anbey deswegen so viel gefährlicher seynd/
weil das gemeine volck/ was es gegen die entweder oberkeitliche oder solche
personen/ denen gewisse administrationes anbefohlen sind/ anhöret/ also-
bald solches sowol pronis auribus annimmet/ als auch gleich weiter exten-
dir
et/ und die verdacht auf die nicht nur vorsichtigkeit/ sondern gar treue
und redlichkeit derselben erweitert/ dahin dieselbe sehr hart damit graviret
werden. Nun scheinet die gefahr der kirchen vorsteher nicht sowol darinn
zu bestehen/ daß sie etwas des anvertrauten/ solten zu eigenen nutzen ver-
wandt haben/ und also eigenlich untreu damit umgegangen seyn/ sondern
daß sie an orten/ wo sichs nicht gehöret/ ihrer meinung nach zum besten der
kirchen sparsam gewese/ wie sie auch mein geliebter bruder selbs nicht jenes/
sondern dieses beschuldigt/ so habe auch eben bericht gehört/ daß
es leute seyen/ die vielmehr selbs zu den armen geldern von
den ihrigen gethan/ als etwas entziehen würden. Ja es wurde
dazu gesetzt/ es seye die unterlassung der willfahrung zimlich da-
her gekommen/ daß mein werther bruder in seiner recommen-

dation
IV. Theil j i

ARTIC. II. SECTIO XX.
den armen zu helffen/ und der kirchen vorſteher gewiſſen zu rathen/ den e-
lenchum
gefuͤhret haben werde. So kan ich auch/ als viel aus der relati-
on
erſehe/ indem mir ſonſt nicht wiſſend/ was etwa und ob etwas erhebli-
ches dieſelbe dargegen einzuwenden haͤtten/ nicht billigen/ wo nach der
zwar an vielen orten boͤſen gewohnheit/ dieſelbe die treue ihres amts darin-
nen zu beſtehen gemeinet/ wo nur capitalia gemacht wuͤrden/ da indeſſen
einige arme in noͤthen ſtecken geblieben/ ſonderlich aber die arme jugend an
ihrem nothwendigſten verſaͤumet worden iſt. Daher was gegen ſolches in
genere
geeiffert/ mit den kirchen vorſtehern geredet und auch publice die
ſache/ da jenes nicht helffen wollen geſtraffet worden/ kan keinerley weiſe
mit recht uͤbel gedeutet/ ſondern muß vielmehr erkant werden/ daß mein
wertheſter bruder darinn recht/ und nach ſeinem amt gethan habe. Was
aber die ſpecial anzeige wegen der beſondern begebenheit/ ſo ſolte vorge-
gangen ſeyn/ anlangt/ leugne ich nicht/ daß ich ſie nicht wuͤrde zu thun ge-
rathen haben/ und ſie nicht zu juſtificiren weiß. Erſtlich achte ich/ daß kein
einiges mal etwas ſo gar ſpeciales auf die cantzel kommen ſolle/ es ſeye
dann entweder gar zu enorm, und zu einem offentlichen aͤrgernuͤß bey der
geſamten gemeinde bereits ausgeſchlagen/ oder ſonſten auf keine andere
weiſe der ſache zu helffen. Da ich aber davor halte/ daß ſolches beydes in
dieſem caſu noch eben kein platz hat. Zum 2. haͤtte davor gehalten/ daß bil-
liger ſolches abſonderlichen facti wegen den kirchen vorſtehern zugeſprochẽ/
oder weil ich die ordnung ihrer kirche ſo præciſe eben nicht weiß entweder
mit andern/ welche mit jenen zu thun haben/ gehandlet werden ſollen/ ehe
es auf die cantzel gebracht worden: ſonderlich weilen dergleichen materiæ
nicht nur ſehr odioſæ/ ſondern anbey deswegen ſo viel gefaͤhrlicher ſeynd/
weil das gemeine volck/ was es gegen die entweder oberkeitliche oder ſolche
perſonen/ denen gewiſſe adminiſtrationes anbefohlen ſind/ anhoͤret/ alſo-
bald ſolches ſowol pronis auribus añimmet/ als auch gleich weiter exten-
dir
et/ und die verdacht auf die nicht nur vorſichtigkeit/ ſondern gar treue
und redlichkeit derſelben erweitert/ dahin dieſelbe ſehr hart damit graviret
werden. Nun ſcheinet die gefahr der kirchen vorſteher nicht ſowol darinn
zu beſtehen/ daß ſie etwas des anvertrauten/ ſolten zu eigenen nutzen ver-
wandt haben/ und alſo eigenlich untreu damit umgegangen ſeyn/ ſondern
daß ſie an orten/ wo ſichs nicht gehoͤret/ ihrer meinung nach zum beſten der
kirchen ſparſam geweſe/ wie ſie auch mein geliebter bruder ſelbs nicht jenes/
ſondern dieſes beſchuldigt/ ſo habe auch eben bericht gehoͤrt/ daß
es leute ſeyen/ die vielmehr ſelbs zu den armen geldern von
den ihrigen gethan/ als etwas entziehen wuͤrden. Ja es wurde
dazu geſetzt/ es ſeye die unterlaſſung der willfahrung zimlich da-
her gekommen/ daß mein werther bruder in ſeiner recommen-

dation
IV. Theil j i
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[249/0261] ARTIC. II. SECTIO XX. den armen zu helffen/ und der kirchen vorſteher gewiſſen zu rathen/ den e- lenchum gefuͤhret haben werde. So kan ich auch/ als viel aus der relati- on erſehe/ indem mir ſonſt nicht wiſſend/ was etwa und ob etwas erhebli- ches dieſelbe dargegen einzuwenden haͤtten/ nicht billigen/ wo nach der zwar an vielen orten boͤſen gewohnheit/ dieſelbe die treue ihres amts darin- nen zu beſtehen gemeinet/ wo nur capitalia gemacht wuͤrden/ da indeſſen einige arme in noͤthen ſtecken geblieben/ ſonderlich aber die arme jugend an ihrem nothwendigſten verſaͤumet worden iſt. Daher was gegen ſolches in genere geeiffert/ mit den kirchen vorſtehern geredet und auch publice die ſache/ da jenes nicht helffen wollen geſtraffet worden/ kan keinerley weiſe mit recht uͤbel gedeutet/ ſondern muß vielmehr erkant werden/ daß mein wertheſter bruder darinn recht/ und nach ſeinem amt gethan habe. Was aber die ſpecial anzeige wegen der beſondern begebenheit/ ſo ſolte vorge- gangen ſeyn/ anlangt/ leugne ich nicht/ daß ich ſie nicht wuͤrde zu thun ge- rathen haben/ und ſie nicht zu juſtificiren weiß. Erſtlich achte ich/ daß kein einiges mal etwas ſo gar ſpeciales auf die cantzel kommen ſolle/ es ſeye dann entweder gar zu enorm, und zu einem offentlichen aͤrgernuͤß bey der geſamten gemeinde bereits ausgeſchlagen/ oder ſonſten auf keine andere weiſe der ſache zu helffen. Da ich aber davor halte/ daß ſolches beydes in dieſem caſu noch eben kein platz hat. Zum 2. haͤtte davor gehalten/ daß bil- liger ſolches abſonderlichen facti wegen den kirchen vorſtehern zugeſprochẽ/ oder weil ich die ordnung ihrer kirche ſo præciſe eben nicht weiß entweder mit andern/ welche mit jenen zu thun haben/ gehandlet werden ſollen/ ehe es auf die cantzel gebracht worden: ſonderlich weilen dergleichen materiæ nicht nur ſehr odioſæ/ ſondern anbey deswegen ſo viel gefaͤhrlicher ſeynd/ weil das gemeine volck/ was es gegen die entweder oberkeitliche oder ſolche perſonen/ denen gewiſſe adminiſtrationes anbefohlen ſind/ anhoͤret/ alſo- bald ſolches ſowol pronis auribus añimmet/ als auch gleich weiter exten- diret/ und die verdacht auf die nicht nur vorſichtigkeit/ ſondern gar treue und redlichkeit derſelben erweitert/ dahin dieſelbe ſehr hart damit graviret werden. Nun ſcheinet die gefahr der kirchen vorſteher nicht ſowol darinn zu beſtehen/ daß ſie etwas des anvertrauten/ ſolten zu eigenen nutzen ver- wandt haben/ und alſo eigenlich untreu damit umgegangen ſeyn/ ſondern daß ſie an orten/ wo ſichs nicht gehoͤret/ ihrer meinung nach zum beſten der kirchen ſparſam geweſe/ wie ſie auch mein geliebter bruder ſelbs nicht jenes/ ſondern dieſes beſchuldigt/ ſo habe auch eben bericht gehoͤrt/ daß es leute ſeyen/ die vielmehr ſelbs zu den armen geldern von den ihrigen gethan/ als etwas entziehen wuͤrden. Ja es wurde dazu geſetzt/ es ſeye die unterlaſſung der willfahrung zimlich da- her gekommen/ daß mein werther bruder in ſeiner recommen- dation IV. Theil j i

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/261>, abgerufen am 22.11.2024.