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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO XXII.
dern ich verlange nur/ daß sie den kleinen catechismum Lutheri fertig aus-
wendig hersagen können. Jedoch mag man ihnen auch einen grössern cate-
chismum/ wie etwa in diesen landen der Franckfurtische ist/ recommendiren/
aber nur daß sie ihn fleißig lesen/ und den verstand daraus vielmehr als die
wort lernen/ damit sie allgemach dahin kommen/ auf die fragen mit eigenen
worten zu antworten: Wo sie aber etwas mehr zu memoriren geschickt
sind/ kan man sie an statt anderer fragen und erklärungen die sprüche in meh-
rer zahl auswendig lernen lassen. Denn göttliches wort selbs ist allein vor
allen würdig/ davon vieles in die gedächtnüß zu fassen. 5. Die meiste arbeit
muß also nicht auf die examinandos sondern den examinantem ankommen/
daß er die fragen wol erwege/ und also einzurichten sich befleisse/ daß jene
leicht antworten können. 6. Wo dergleichen übung erstmals angefangen
wird/ halte ich am rathsamsten/ daß man ein paar mal den catechismum
gleichsam wie summarisch durchgehe/ und wol gar erst/ in einem examine
ein gantzes hauptstück durchbringe/ damit sie nur die wort sich wol eindru-
ckenn/ und mag alsdenn gnug seyn/ daß nur wenige/ und die allgemeinste
fragen vorgebracht werden/ die leicht zu beantworten sind. Wo dieses ein
paar mal geschehen/ kan man weiter gehen/ und ein hauptstück in zwey
drey lectiones abtheilen. Bis wann die jugend zimlich auf diese art geü-
bet worden/ nachmal die abhandlung einer einigen frage wol eine stunde
bedarff. 7. Es stehet das meiste darinnen/ wo man nun den verstand der
jugend recht beybringen will/ daß man jede frage in dem catechismo in sehr
viele fragen/ gleichsam so viel als nur zeilen oder worte sind/ zertheile/ und
die antwort fordere: auch einerley frage offtmal variire/ so dann sie mei-
stens so formire/ daß die befragte aus der frage leicht/ was sie zu antworten
haben/ abnehmen können. Da vorher aber erfordert wird/ daß man die
materie/ die man fragen will/ erstlich aufs einfältigste und deutlichste vort rage
und erkläre/ damit sie die sache selbs einnehmen/ und alsdann aus solcher
erkäntnüß antworten. 8. Wo sie nun etwas besser gegründet/ ists gut/ daß
man eine jede sache lehre mit einem spruch aus der Bibel befestigen oder er-
klären/ und also diese sich bekant machen. Daher nichts dienlichers/ als
daß man sie auch bald gewöhne in der Bibel oder aufs wenigste im neuen Te-
stament (welche die gantze Bibel nicht haben können) aufzuschlagen/ und
sich also darauf zu gründen. So ist alsdann derjenige besser unterrichtet/
der einen guten apparatum der kern-sprüche/ als viele fragen auswendig ge-
lernet hat. 9. Jn dem fragen ists nicht so gut/ wo man nach einer gewissen
ordnung/ sondern bald diesen bald jenen fragt/ damit sie allezeit alle auf-
mercksam bleiben/ aber daß auch ein anderer als der gefragte antworten
dörffe. 10. Die antworten sollen von dem examinatore billig laut/ daß e[s]

alle
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ARTIC. II. SECTIO XXII.
dern ich verlange nur/ daß ſie den kleinen catechiſmum Lutheri fertig aus-
wendig herſagen koͤnnen. Jedoch mag man ihnen auch einen groͤſſern cate-
chiſmum/ wie etwa in dieſen landen der Franckfurtiſche iſt/ recommendiren/
aber nur daß ſie ihn fleißig leſen/ und den verſtand daraus vielmehr als die
wort lernen/ damit ſie allgemach dahin kommen/ auf die fragen mit eigenen
worten zu antworten: Wo ſie aber etwas mehr zu memoriren geſchickt
ſind/ kan man ſie an ſtatt anderer fragen und erklaͤrungen die ſpruͤche in meh-
rer zahl auswendig lernen laſſen. Denn goͤttliches wort ſelbs iſt allein vor
allen wuͤrdig/ davon vieles in die gedaͤchtnuͤß zu faſſen. 5. Die meiſte arbeit
muß alſo nicht auf die examinandos ſondern den examinantem ankommen/
daß er die fragen wol erwege/ und alſo einzurichten ſich befleiſſe/ daß jene
leicht antworten koͤnnen. 6. Wo dergleichen uͤbung erſtmals angefangen
wird/ halte ich am rathſamſten/ daß man ein paar mal den catechiſmum
gleichſam wie ſummariſch durchgehe/ und wol gar erſt/ in einem examine
ein gantzes hauptſtuͤck durchbringe/ damit ſie nur die wort ſich wol eindru-
ckẽn/ und mag alsdenn gnug ſeyn/ daß nur wenige/ und die allgemeinſte
fragen vorgebracht werden/ die leicht zu beantworten ſind. Wo dieſes ein
paar mal geſchehen/ kan man weiter gehen/ und ein hauptſtuͤck in zwey
drey lectiones abtheilen. Bis wann die jugend zimlich auf dieſe art geuͤ-
bet worden/ nachmal die abhandlung einer einigen frage wol eine ſtunde
bedarff. 7. Es ſtehet das meiſte darinnen/ wo man nun den verſtand der
jugend recht beybringen will/ daß man jede frage in dem catechiſmo in ſehr
viele fragen/ gleichſam ſo viel als nur zeilen oder worte ſind/ zertheile/ und
die antwort fordere: auch einerley frage offtmal variire/ ſo dann ſie mei-
ſtens ſo formire/ daß die befragte aus der frage leicht/ was ſie zu antworten
haben/ abnehmen koͤnnen. Da vorher aber erfordert wird/ daß man die
materie/ die man fragen will/ erſtlich aufs einfaͤltigſte und deutlichſte vort rage
und erklaͤre/ damit ſie die ſache ſelbs einnehmen/ und alsdann aus ſolcher
erkaͤntnuͤß antworten. 8. Wo ſie nun etwas beſſer gegruͤndet/ iſts gut/ daß
man eine jede ſache lehre mit einem ſpruch aus der Bibel befeſtigen oder er-
klaͤren/ und alſo dieſe ſich bekant machen. Daher nichts dienlichers/ als
daß man ſie auch bald gewoͤhne in der Bibel oder aufs wenigſte im neuen Te-
ſtament (welche die gantze Bibel nicht haben koͤnnen) aufzuſchlagen/ und
ſich alſo darauf zu gruͤnden. So iſt alsdann derjenige beſſer unterrichtet/
der einen guten apparatum der kern-ſpruͤche/ als viele fragen auswendig ge-
lernet hat. 9. Jn dem fragen iſts nicht ſo gut/ wo man nach einer gewiſſen
ordnung/ ſondern bald dieſen bald jenen fragt/ damit ſie allezeit alle auf-
merckſam bleiben/ aber daß auch ein anderer als der gefragte antworten
doͤrffe. 10. Die antworten ſollen von dem examinatore billig laut/ daß e[ſ]

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[261/0273] ARTIC. II. SECTIO XXII. dern ich verlange nur/ daß ſie den kleinen catechiſmum Lutheri fertig aus- wendig herſagen koͤnnen. Jedoch mag man ihnen auch einen groͤſſern cate- chiſmum/ wie etwa in dieſen landen der Franckfurtiſche iſt/ recommendiren/ aber nur daß ſie ihn fleißig leſen/ und den verſtand daraus vielmehr als die wort lernen/ damit ſie allgemach dahin kommen/ auf die fragen mit eigenen worten zu antworten: Wo ſie aber etwas mehr zu memoriren geſchickt ſind/ kan man ſie an ſtatt anderer fragen und erklaͤrungen die ſpruͤche in meh- rer zahl auswendig lernen laſſen. Denn goͤttliches wort ſelbs iſt allein vor allen wuͤrdig/ davon vieles in die gedaͤchtnuͤß zu faſſen. 5. Die meiſte arbeit muß alſo nicht auf die examinandos ſondern den examinantem ankommen/ daß er die fragen wol erwege/ und alſo einzurichten ſich befleiſſe/ daß jene leicht antworten koͤnnen. 6. Wo dergleichen uͤbung erſtmals angefangen wird/ halte ich am rathſamſten/ daß man ein paar mal den catechiſmum gleichſam wie ſummariſch durchgehe/ und wol gar erſt/ in einem examine ein gantzes hauptſtuͤck durchbringe/ damit ſie nur die wort ſich wol eindru- ckẽn/ und mag alsdenn gnug ſeyn/ daß nur wenige/ und die allgemeinſte fragen vorgebracht werden/ die leicht zu beantworten ſind. Wo dieſes ein paar mal geſchehen/ kan man weiter gehen/ und ein hauptſtuͤck in zwey drey lectiones abtheilen. Bis wann die jugend zimlich auf dieſe art geuͤ- bet worden/ nachmal die abhandlung einer einigen frage wol eine ſtunde bedarff. 7. Es ſtehet das meiſte darinnen/ wo man nun den verſtand der jugend recht beybringen will/ daß man jede frage in dem catechiſmo in ſehr viele fragen/ gleichſam ſo viel als nur zeilen oder worte ſind/ zertheile/ und die antwort fordere: auch einerley frage offtmal variire/ ſo dann ſie mei- ſtens ſo formire/ daß die befragte aus der frage leicht/ was ſie zu antworten haben/ abnehmen koͤnnen. Da vorher aber erfordert wird/ daß man die materie/ die man fragen will/ erſtlich aufs einfaͤltigſte und deutlichſte vort rage und erklaͤre/ damit ſie die ſache ſelbs einnehmen/ und alsdann aus ſolcher erkaͤntnuͤß antworten. 8. Wo ſie nun etwas beſſer gegruͤndet/ iſts gut/ daß man eine jede ſache lehre mit einem ſpruch aus der Bibel befeſtigen oder er- klaͤren/ und alſo dieſe ſich bekant machen. Daher nichts dienlichers/ als daß man ſie auch bald gewoͤhne in der Bibel oder aufs wenigſte im neuen Te- ſtament (welche die gantze Bibel nicht haben koͤnnen) aufzuſchlagen/ und ſich alſo darauf zu gruͤnden. So iſt alsdann derjenige beſſer unterrichtet/ der einen guten apparatum der kern-ſpruͤche/ als viele fragen auswendig ge- lernet hat. 9. Jn dem fragen iſts nicht ſo gut/ wo man nach einer gewiſſen ordnung/ ſondern bald dieſen bald jenen fragt/ damit ſie allezeit alle auf- merckſam bleiben/ aber daß auch ein anderer als der gefragte antworten doͤrffe. 10. Die antworten ſollen von dem examinatore billig laut/ daß eſ alle k k 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/273>, abgerufen am 22.11.2024.