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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
einer rechtschaffenen reue und angst vor GOttes gericht gebracht wird (so
insgemein bey noch zu zarten gemüthern leichter zu wege zu bringen/ als bey
alten) darinn ists gut/ sie eine weil zu lassen/ daß der heilige Geist in ihnen
wircke/ und daher ein so viel inniglichers verlangen nach der gnade GOttes
erwecket werde/ die man ihnen darnach mit nutzen verkündiget. Dieses al-
les lässet sich mit gantz wenigen auf einmal am besten/ schwer aber mit
mehrern zugleich/ practisiren. Wie mir ein wohl geübter mann/ der sich
sonderlich hierauf gelegt/ und viel gutes ausgerichtet hat/ erzehlet/ er
habe nicht über zwey oder drey zusammen genommen/ wenn es auf das letz-
te gegangen/ und die gnade GOttes alsdenn in so viel kräfftiger wirckung
erkant. 10. Wie aber mehr gedachter massen/ alles GOttes werck in der
sachen ist/ mags unsere arbeit nicht ausrichten/ sondern es kommet alles auf
Gottes gnade an: Daher der prediger/ wie zu andern also auch dieser wichti-
gen amts verrichtung/ sich allezeit mit gebet bereiten/ und das nöthige liecht
und krafft des heiligen Geistes darzu zu erbitten hat. 11. Es ist auch nö-
thig/ daß solche candidati stets angewiesen werden/ nicht nur bey solchen
geistlichen übungen selbs/ sondern immerfort/ GOTT um seinen heiligen
Geist zu bitten/ der ihr hertz erfüllen möge/ und zwar solches nicht allein mit
auswendig gelerneten worten/ sondern aus dem hertzen und kindlicher ein-
falt/ daher man sie gewöhnen muß/ wenn sie etwas hören und lernen/ oder
mit einem sprüchlein umgehen/ wie sie gleich ein gebetlein daraus machen/
und ihr hertz zu GOtt erheben sollen. Welches von der jugend/ wo sie geü-
bet wird/ so unmüglich nicht ist/ als die es nicht versuchet/ sich einbilden
werden/ wie dann unser seliger Herr Schad schöne proben darvon gewiesen
hat. Wo auch die jugend anfängt dahin gewohnt zu werden/ in allen sich
zu ihrem himmlischen vater zu wenden/ ists nicht müglich/ daß nicht ins hertz
käme/ was mit ihnen gehandelt wird. 12. Dieses wäre die art/ die ich vor-
zuschlagen hätte/ darzu ferner sehr dienlich ist/ wo die kinder offentlich vor
der gemeinde/ nach gethaner bekäntnüß und neuem gelübde/ unter dem gebet
der gemeinde durch hand auflegung der ältesten und mit sprechung des se-
gens confirmiret werden. Welcher actus, worinn sie auf ihre tauff son-
derlich geführet werden/ wo er mit hertzlicher andacht verrichtet wird/ durch
GOttes gnade einen starcken eindruck in die seelen thut. Wie zwar ins-
gesamt der jugend ihre tauff und darinnen gemachter bund/ stets wie zum
grund des trostes also steten antrieb des glaubigen gehorsams gelegt/ und
solche erinnerung stets wiederholet werden sollen. Der liebste vater aber/
der uns so wol seine lämmer als schafe anvertrauet hat/ gebe uns die nöthi-
ge weißheit und treue/ wie wir mit beyden zu dero heyl um zu gehen/ und sie
zu ihrem ertz-hirten zu sühren haben/ und segne was wir an ihnen thun/ zu
seinem preiß und ihrer seligkeit.


SECT.

Das ſiebende Capitel.
einer rechtſchaffenen reue und angſt vor GOttes gericht gebracht wird (ſo
insgemein bey noch zu zarten gemuͤthern leichter zu wege zu bringen/ als bey
alten) darinn iſts gut/ ſie eine weil zu laſſen/ daß der heilige Geiſt in ihnen
wircke/ und daher ein ſo viel inniglichers verlangen nach der gnade GOttes
erwecket werde/ die man ihnen darnach mit nutzen verkuͤndiget. Dieſes al-
les laͤſſet ſich mit gantz wenigen auf einmal am beſten/ ſchwer aber mit
mehrern zugleich/ practiſiren. Wie mir ein wohl geuͤbter mann/ der ſich
ſonderlich hierauf gelegt/ und viel gutes ausgerichtet hat/ erzehlet/ er
habe nicht uͤber zwey oder drey zuſammen genommen/ wenn es auf das letz-
te gegangen/ und die gnade GOttes alsdenn in ſo viel kraͤfftiger wirckung
erkant. 10. Wie aber mehr gedachter maſſen/ alles GOttes werck in der
ſachen iſt/ mags unſere arbeit nicht ausrichten/ ſondern es kommet alles auf
Gottes gnade an: Daher der prediger/ wie zu andern alſo auch dieſer wichti-
gen amts verrichtung/ ſich allezeit mit gebet bereiten/ und das noͤthige liecht
und krafft des heiligen Geiſtes darzu zu erbitten hat. 11. Es iſt auch noͤ-
thig/ daß ſolche candidati ſtets angewieſen werden/ nicht nur bey ſolchen
geiſtlichen uͤbungen ſelbs/ ſondern immerfort/ GOTT um ſeinen heiligen
Geiſt zu bitten/ der ihr hertz erfuͤllen moͤge/ und zwar ſolches nicht allein mit
auswendig gelerneten worten/ ſondern aus dem hertzen und kindlicher ein-
falt/ daher man ſie gewoͤhnen muß/ wenn ſie etwas hoͤren und lernen/ oder
mit einem ſpruͤchlein umgehen/ wie ſie gleich ein gebetlein daraus machen/
und ihr hertz zu GOtt erheben ſollen. Welches von der jugend/ wo ſie geuͤ-
bet wird/ ſo unmuͤglich nicht iſt/ als die es nicht verſuchet/ ſich einbilden
werden/ wie dann unſer ſeliger Herr Schad ſchoͤne proben darvon gewieſen
hat. Wo auch die jugend anfaͤngt dahin gewohnt zu werden/ in allen ſich
zu ihrem himmliſchen vater zu wenden/ iſts nicht muͤglich/ daß nicht ins hertz
kaͤme/ was mit ihnen gehandelt wird. 12. Dieſes waͤre die art/ die ich vor-
zuſchlagen haͤtte/ darzu ferner ſehr dienlich iſt/ wo die kinder offentlich vor
der gemeinde/ nach gethaner bekaͤntnuͤß und neuem geluͤbde/ unter dem gebet
der gemeinde durch hand auflegung der aͤlteſten und mit ſprechung des ſe-
gens confirmiret werden. Welcher actus, worinn ſie auf ihre tauff ſon-
derlich gefuͤhret werden/ wo er mit hertzlicher andacht verrichtet wird/ durch
GOttes gnade einen ſtarcken eindruck in die ſeelen thut. Wie zwar ins-
geſamt der jugend ihre tauff und darinnen gemachter bund/ ſtets wie zum
grund des troſtes alſo ſteten antrieb des glaubigen gehorſams gelegt/ und
ſolche erinnerung ſtets wiederholet werden ſollen. Der liebſte vater aber/
der uns ſo wol ſeine laͤmmer als ſchafe anvertrauet hat/ gebe uns die noͤthi-
ge weißheit und treue/ wie wir mit beyden zu dero heyl um zu gehen/ und ſie
zu ihrem ertz-hirten zu ſuͤhren haben/ und ſegne was wir an ihnen thun/ zu
ſeinem preiß und ihrer ſeligkeit.


SECT.
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[268/0280] Das ſiebende Capitel. einer rechtſchaffenen reue und angſt vor GOttes gericht gebracht wird (ſo insgemein bey noch zu zarten gemuͤthern leichter zu wege zu bringen/ als bey alten) darinn iſts gut/ ſie eine weil zu laſſen/ daß der heilige Geiſt in ihnen wircke/ und daher ein ſo viel inniglichers verlangen nach der gnade GOttes erwecket werde/ die man ihnen darnach mit nutzen verkuͤndiget. Dieſes al- les laͤſſet ſich mit gantz wenigen auf einmal am beſten/ ſchwer aber mit mehrern zugleich/ practiſiren. Wie mir ein wohl geuͤbter mann/ der ſich ſonderlich hierauf gelegt/ und viel gutes ausgerichtet hat/ erzehlet/ er habe nicht uͤber zwey oder drey zuſammen genommen/ wenn es auf das letz- te gegangen/ und die gnade GOttes alsdenn in ſo viel kraͤfftiger wirckung erkant. 10. Wie aber mehr gedachter maſſen/ alles GOttes werck in der ſachen iſt/ mags unſere arbeit nicht ausrichten/ ſondern es kommet alles auf Gottes gnade an: Daher der prediger/ wie zu andern alſo auch dieſer wichti- gen amts verrichtung/ ſich allezeit mit gebet bereiten/ und das noͤthige liecht und krafft des heiligen Geiſtes darzu zu erbitten hat. 11. Es iſt auch noͤ- thig/ daß ſolche candidati ſtets angewieſen werden/ nicht nur bey ſolchen geiſtlichen uͤbungen ſelbs/ ſondern immerfort/ GOTT um ſeinen heiligen Geiſt zu bitten/ der ihr hertz erfuͤllen moͤge/ und zwar ſolches nicht allein mit auswendig gelerneten worten/ ſondern aus dem hertzen und kindlicher ein- falt/ daher man ſie gewoͤhnen muß/ wenn ſie etwas hoͤren und lernen/ oder mit einem ſpruͤchlein umgehen/ wie ſie gleich ein gebetlein daraus machen/ und ihr hertz zu GOtt erheben ſollen. Welches von der jugend/ wo ſie geuͤ- bet wird/ ſo unmuͤglich nicht iſt/ als die es nicht verſuchet/ ſich einbilden werden/ wie dann unſer ſeliger Herr Schad ſchoͤne proben darvon gewieſen hat. Wo auch die jugend anfaͤngt dahin gewohnt zu werden/ in allen ſich zu ihrem himmliſchen vater zu wenden/ iſts nicht muͤglich/ daß nicht ins hertz kaͤme/ was mit ihnen gehandelt wird. 12. Dieſes waͤre die art/ die ich vor- zuſchlagen haͤtte/ darzu ferner ſehr dienlich iſt/ wo die kinder offentlich vor der gemeinde/ nach gethaner bekaͤntnuͤß und neuem geluͤbde/ unter dem gebet der gemeinde durch hand auflegung der aͤlteſten und mit ſprechung des ſe- gens confirmiret werden. Welcher actus, worinn ſie auf ihre tauff ſon- derlich gefuͤhret werden/ wo er mit hertzlicher andacht verrichtet wird/ durch GOttes gnade einen ſtarcken eindruck in die ſeelen thut. Wie zwar ins- geſamt der jugend ihre tauff und darinnen gemachter bund/ ſtets wie zum grund des troſtes alſo ſteten antrieb des glaubigen gehorſams gelegt/ und ſolche erinnerung ſtets wiederholet werden ſollen. Der liebſte vater aber/ der uns ſo wol ſeine laͤmmer als ſchafe anvertrauet hat/ gebe uns die noͤthi- ge weißheit und treue/ wie wir mit beyden zu dero heyl um zu gehen/ und ſie zu ihrem ertz-hirten zu ſuͤhren haben/ und ſegne was wir an ihnen thun/ zu ſeinem preiß und ihrer ſeligkeit. 1700. SECT.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/280>, abgerufen am 22.11.2024.