Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECTIO XXIX. lutionen der absonderung/ und göttliches gericht wird über eine gemeindedadurch gehäuffet. Daß also nicht gezweiffelt werden kan/ daß dieses werck eines von den wichtigsten seye. §. 11. Voraus gesetzt dessen/ so ist der göttlichen weißheit nicht ge- durch- n n 3
ARTIC. II. SECTIO XXIX. lutionen der abſonderung/ und goͤttliches gericht wird uͤber eine gemeindedadurch gehaͤuffet. Daß alſo nicht gezweiffelt werden kan/ daß dieſes werck eines von den wichtigſten ſeye. §. 11. Voraus geſetzt deſſen/ ſo iſt der goͤttlichen weißheit nicht ge- durch- n n 3
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ARTIC. II. SECTIO XXIX.
lutionen der abſonderung/ und goͤttliches gericht wird uͤber eine gemeinde
dadurch gehaͤuffet. Daß alſo nicht gezweiffelt werden kan/ daß dieſes werck
eines von den wichtigſten ſeye.
§. 11. Voraus geſetzt deſſen/ ſo iſt der goͤttlichen weißheit nicht ge-
maͤß/ daß ſie ſolte die vornehmſte gewalt in einer die gantze kirch angehenden
ſchweren ſache einer perſon allein (zum exempel an ſolchen orten/ wo ein einiger
prediger bey einer gemeinde iſt) oder etlichen perſonen eines ordinis (welche zu-
weilen das gemeine intereſſe ihres ſtandes zu einer einſtimmung in einer nicht
beſten ſache bringen kan) anvertrauet haben/ daß in ihrer macht ſtuͤnde/ nach
ihrem gutbefinden diejenige anzunehmen oder auszuſchlieſſen/ welche ſie vor
glieder der gemeinde wolten geachtet haben/ oder nicht. Dann dieſes waͤre
der gantzen kirche allzugefaͤhrlich/ und wuͤrde nicht weit davon ſeyn/ daß die
prediger zu Herren der gemeinde wuͤrden/ dero diener ſie ſeyn ſolten/ und ſich
alſo nennen. Wir wiſſen ja/ wie wir arme menſchen alle (daher auch wir
prediger/ uns aus der zahl nicht auszunehmen haben) unſer verderbtes fleiſch
an uns tragen/ das gar leicht in allerley unordentliche affecten ausbrechen
kan. Wir ſehen auch leyder der exempel allzuviele/ derjenigen in unſerem
ſtand/ an dero unchriſtlichem leben offenbar wird/ daß die heiligkeit des
amts nicht eben ein gnugſames mittel ſeye/ die unheiligen luͤſte zu daͤmpffen/
ſondern daß dieſe bey vielen nur allzu offentlich herrſchen. Daher es leicht
geſchehen kan/ daß unter den predigern leute angetroffen wuͤrden/ die die-
ſer gewalt recht boßhafftig und mit vorſetzlichem muthwillen zu ausuͤbung ih-
rer rache gegen perſonen/ welchen ſie nicht gut ſind/ und anderer ſtraͤfflichen
affecten, mißbraucheten: Da es vielleicht auch dergleichen da und dort ge-
ſchehen zu ſeyn an exempeln nicht mangelt; Darauf ſich hin und wieder die
obrigkeitliche verordnungen beziehen/ daß ſie deßwegen die anmaſſende ge-
walt einiger prediger auf gewiſſe weiſe einſchrencken. Ja derjenigen/ die
recht boßhafftig ſich ſolcher macht mißbrauchen moͤchten/ nicht zu gedencken/
ſo duͤrffen wir/ auch die die beſten unter uns ſind/ dieſes uns nicht einbilden/
daß wir nicht leicht in ſo ſchwerer ſache gefaͤhrlich anſtoſſen koͤnten. Wir er-
fahren etwa in andern dingen/ wie ſo offt unſere menſchliche affecten auch
unwiſſend/ und da wir meinen/ wir eyfferten gantz wol und vor GOtt/
uns uͤbernehmen und betriegen/ welches andere eher/ wir aber offt erſt nach-
dem die ſach vorbey/ und das gemuͤth ſich beſſer recolligiret/ gewahr werden
koͤnnen: Und ſeynd die beſte und beſtmeinende gemuͤther offters am meiſten
ſolchem gebrechen unterworffen/ daß wo ſie einmal von andern oder durch
ſich ſelbſt præoccupiret/ und auf eine gewiſſe meinung gerathen ſind/ der
eyffer in dingen/ darinnen ſie gleichwol unrecht haben/ ſo viel hefftiger
durch-
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