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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
bey ihnen fruchtet. Auf diese weise aber/ weil man leute nehme aus der ge-
meinde selbs/ welche die Christlichste wären/ und zu ihren verrichtungen der
studiorum nicht/ sondern allein einer einfältigen doch gründlichen erkäntnüß
der wahrheit/ bedörfften/ daher ihre andere arbeit/ handlungen/ handwercke/
hätten/ und davon lebten/ geschehe es ohne neue kosten und beschwerden/
und solche leute bedörfften auch das ihrige wenig dabey zu versäumen/ und
wo sie Christlich gesinnet/ würden es gern thun. Daher ob man auch schon
einiger orten mittel hätte/ ihnen einige besoldungen oder genuß davon zu
machen/ riethe ich es auch nicht/ damit nicht um der ursach willen einige
anfingen darnach zu streben/ welche es nicht in redlicher liebe zu GOtt thä-
ten/ und also von denen nachmal wenig nutzen zu hoffen wäre. Hingegen
zweifele ich nicht/ da es die Menisten dahin bringen können/ und auch vor
diesen die Waldenser gethan/ daß ihre prediger ohne besoldung gelebt/ und
sich ihrer handarbeit genehret/ auch bey jenen noch jetzo nehren/ daß man in
den gemeinden solche leute würde finden können/ die zu der ehre GOTTes
einig dergleichen wenigere arbeit/ weil sie unter mehrere ausgetheilet wür-
de/ ohne entgeld verrichteten/ womit gewißlich der zweck unsers predigamts
in der absonderlichen seelensorge stattlich befördert und unsere last des gewis-
sens trefflich würde erleichtert werden. Wolte man sagen/ wo man solche
leute finden könte: So meinte/ ein gottseliger prediger solte in nicht langer
zeit/ wo er keine dergleichen anträffe/ sie selbs formiren/ und dazu geschickt
machen können/ wo er denn ohne das Christlichste gemüther unter den glie-
dern seiner gemeinde erstlich mit mehrern fleiß vornehme/ und sie dazu berei-
tete. Hätte man nun bey einer jeden gemeinde ein solches collegium pres-
byterorum utriusque ordinis,
so wäre schon viel gewonnen/ und stünde
dasselbe bereits etlicher massen an statt der gantzen gemeinde. So wäre es
auch eine bessere gelegenheit/ daß was vor leute jeglichen orts sind/ welche
von GOtt ein seines geistliches talent empfangen haben/ dieselbe damit solches
desto fruchtbarer zu nutzen des nechsten anwenden könten/ die jetzo fast zu
nichts dergleichen einigen anlaß haben. Jch bitte meinen geliebten bruder/ er
geruhe in der furcht des HERRN der sache etwas nachzudencken und mit
Herr Superintendenten, den ich kindlich in dem HErrn grüsse/ und ihm die
kraft des freudigen geistes von hertzen anwünsche/ daraus zu communiciren/
so denn mir ihre liebe gedancken darüber wiederum mitzutheilen. Ach daß
wir doch endlich in der krafft und liecht des HErrn etwas vorträgliches ab-
sehen/ und aufs wenigste einigerley massen bessern könten/ damit uns nicht
die gerichte des HErrn bey einer solchen anklage des gewissens überfallen/
daß wir gar nichts gethan hätten. Erbiete mich auch hertzlich gern noch von
übrigen dingen/ die hiezu gehören/ in der furcht des HErrn mit meinem wer-

then

Das ſiebende Capitel.
bey ihnen fruchtet. Auf dieſe weiſe aber/ weil man leute nehme aus der ge-
meinde ſelbs/ welche die Chriſtlichſte waͤren/ und zu ihren verrichtungen der
ſtudiorum nicht/ ſondern allein einer einfaͤltigen doch gruͤndlichen erkaͤntnuͤß
der wahrheit/ bedoͤrfften/ daher ihre andere arbeit/ handlungen/ handwercke/
haͤtten/ und davon lebten/ geſchehe es ohne neue koſten und beſchwerden/
und ſolche leute bedoͤrfften auch das ihrige wenig dabey zu verſaͤumen/ und
wo ſie Chriſtlich geſinnet/ wuͤrden es gern thun. Daher ob man auch ſchon
einiger orten mittel haͤtte/ ihnen einige beſoldungen oder genuß davon zu
machen/ riethe ich es auch nicht/ damit nicht um der urſach willen einige
anfingen darnach zu ſtreben/ welche es nicht in redlicher liebe zu GOtt thaͤ-
ten/ und alſo von denen nachmal wenig nutzen zu hoffen waͤre. Hingegen
zweifele ich nicht/ da es die Meniſten dahin bringen koͤnnen/ und auch vor
dieſen die Waldenſer gethan/ daß ihre prediger ohne beſoldung gelebt/ und
ſich ihrer handarbeit genehret/ auch bey jenen noch jetzo nehren/ daß man in
den gemeinden ſolche leute wuͤrde finden koͤnnen/ die zu der ehre GOTTes
einig dergleichen wenigere arbeit/ weil ſie unter mehrere ausgetheilet wuͤr-
de/ ohne entgeld verrichteten/ womit gewißlich der zweck unſers predigamts
in der abſonderlichen ſeelenſorge ſtattlich befoͤrdert und unſere laſt des gewiſ-
ſens trefflich wuͤrde erleichtert werden. Wolte man ſagen/ wo man ſolche
leute finden koͤnte: So meinte/ ein gottſeliger prediger ſolte in nicht langer
zeit/ wo er keine dergleichen antraͤffe/ ſie ſelbs formiren/ und dazu geſchickt
machen koͤnnen/ wo er denn ohne das Chriſtlichſte gemuͤther unter den glie-
dern ſeiner gemeinde erſtlich mit mehrern fleiß vornehme/ und ſie dazu berei-
tete. Haͤtte man nun bey einer jeden gemeinde ein ſolches collegium pres-
byterorum utriusque ordinis,
ſo waͤre ſchon viel gewonnen/ und ſtuͤnde
daſſelbe bereits etlicher maſſen an ſtatt der gantzen gemeinde. So waͤre es
auch eine beſſere gelegenheit/ daß was vor leute jeglichen orts ſind/ welche
von GOtt ein ſeines geiſtliches talent empfangen haben/ dieſelbe damit ſolches
deſto fruchtbarer zu nutzen des nechſten anwenden koͤnten/ die jetzo faſt zu
nichts dergleichen einigen anlaß haben. Jch bitte meinen geliebten bruder/ er
geruhe in der furcht des HERRN der ſache etwas nachzudencken und mit
Herr Superintendenten, den ich kindlich in dem HErrn gruͤſſe/ und ihm die
kraft des freudigen geiſtes von hertzen anwuͤnſche/ daraus zu communiciren/
ſo denn mir ihre liebe gedancken daruͤber wiederum mitzutheilen. Ach daß
wir doch endlich in der krafft und liecht des HErrn etwas vortraͤgliches ab-
ſehen/ und aufs wenigſte einigerley maſſen beſſern koͤnten/ damit uns nicht
die gerichte des HErrn bey einer ſolchen anklage des gewiſſens uͤberfallen/
daß wir gar nichts gethan haͤtten. Erbiete mich auch hertzlich gern noch von
uͤbrigen dingen/ die hiezu gehoͤren/ in der furcht des HErrn mit meinem wer-

then
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[310/0322] Das ſiebende Capitel. bey ihnen fruchtet. Auf dieſe weiſe aber/ weil man leute nehme aus der ge- meinde ſelbs/ welche die Chriſtlichſte waͤren/ und zu ihren verrichtungen der ſtudiorum nicht/ ſondern allein einer einfaͤltigen doch gruͤndlichen erkaͤntnuͤß der wahrheit/ bedoͤrfften/ daher ihre andere arbeit/ handlungen/ handwercke/ haͤtten/ und davon lebten/ geſchehe es ohne neue koſten und beſchwerden/ und ſolche leute bedoͤrfften auch das ihrige wenig dabey zu verſaͤumen/ und wo ſie Chriſtlich geſinnet/ wuͤrden es gern thun. Daher ob man auch ſchon einiger orten mittel haͤtte/ ihnen einige beſoldungen oder genuß davon zu machen/ riethe ich es auch nicht/ damit nicht um der urſach willen einige anfingen darnach zu ſtreben/ welche es nicht in redlicher liebe zu GOtt thaͤ- ten/ und alſo von denen nachmal wenig nutzen zu hoffen waͤre. Hingegen zweifele ich nicht/ da es die Meniſten dahin bringen koͤnnen/ und auch vor dieſen die Waldenſer gethan/ daß ihre prediger ohne beſoldung gelebt/ und ſich ihrer handarbeit genehret/ auch bey jenen noch jetzo nehren/ daß man in den gemeinden ſolche leute wuͤrde finden koͤnnen/ die zu der ehre GOTTes einig dergleichen wenigere arbeit/ weil ſie unter mehrere ausgetheilet wuͤr- de/ ohne entgeld verrichteten/ womit gewißlich der zweck unſers predigamts in der abſonderlichen ſeelenſorge ſtattlich befoͤrdert und unſere laſt des gewiſ- ſens trefflich wuͤrde erleichtert werden. Wolte man ſagen/ wo man ſolche leute finden koͤnte: So meinte/ ein gottſeliger prediger ſolte in nicht langer zeit/ wo er keine dergleichen antraͤffe/ ſie ſelbs formiren/ und dazu geſchickt machen koͤnnen/ wo er denn ohne das Chriſtlichſte gemuͤther unter den glie- dern ſeiner gemeinde erſtlich mit mehrern fleiß vornehme/ und ſie dazu berei- tete. Haͤtte man nun bey einer jeden gemeinde ein ſolches collegium pres- byterorum utriusque ordinis, ſo waͤre ſchon viel gewonnen/ und ſtuͤnde daſſelbe bereits etlicher maſſen an ſtatt der gantzen gemeinde. So waͤre es auch eine beſſere gelegenheit/ daß was vor leute jeglichen orts ſind/ welche von GOtt ein ſeines geiſtliches talent empfangen haben/ dieſelbe damit ſolches deſto fruchtbarer zu nutzen des nechſten anwenden koͤnten/ die jetzo faſt zu nichts dergleichen einigen anlaß haben. Jch bitte meinen geliebten bruder/ er geruhe in der furcht des HERRN der ſache etwas nachzudencken und mit Herr Superintendenten, den ich kindlich in dem HErrn gruͤſſe/ und ihm die kraft des freudigen geiſtes von hertzen anwuͤnſche/ daraus zu communiciren/ ſo denn mir ihre liebe gedancken daruͤber wiederum mitzutheilen. Ach daß wir doch endlich in der krafft und liecht des HErrn etwas vortraͤgliches ab- ſehen/ und aufs wenigſte einigerley maſſen beſſern koͤnten/ damit uns nicht die gerichte des HErrn bey einer ſolchen anklage des gewiſſens uͤberfallen/ daß wir gar nichts gethan haͤtten. Erbiete mich auch hertzlich gern noch von uͤbrigen dingen/ die hiezu gehoͤren/ in der furcht des HErrn mit meinem wer- then

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/322>, abgerufen am 22.11.2024.