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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO XXXVIII.
derselbe selbs bezeuget/ daß bereits einige/ nachdem sie seine predigten ge-
höret/ andere gedancken zu fassen angefangen haben: Welches GOTT an
andern mit der zeit nach seinem rath auch geben wird: ob wol nicht zu hof-
fen/ daß alle die jetzo die wahrheit lästern/ sich von derselben überwinden
lassen/ indem sorglich viele ihre hertzen zusehr dagegen bereits verhärtet
haben. Der HErr aber gebe uns selbs in allen dingen/ sonderlich in un-
serm amt/ die weißheit seinen willen zu erkennen/ und die krafft denselben
zu vollbringen.

SECTIO XXXVIII.
Als ein prediger mit seiner gemeinde in einige
mißhelligkeit gerathen.

ES war mir von grund der seelen lieb/ daß meine offenhertzigkeit in
meinem vorigen brieff/ so liebreich aufgenommen worden/ und er-
kläre mich auf diese antwort dahin/ daß willig meiner seits dasje-
nige fahren lasse/ was mir ungleiche gedancken gemacht/ und glauben will/
daß mein werther bruder in dem gantzen werck vor GOTT aufrichtig und
nach besten wissen und gewissen gehandelt haben werde. So fern aber ei-
niges mit in solche relation einfleust/ welches hinwiederum andere ziemlich
graviret, von denen auch hoffe/ nicht ursach zu haben/ ihnen einige boßheit
zu zutrauen/ so suspendire billig mein urtheil/ und will hoffen/ auf wel-
cher seite der fehler sich wahrhafftig befunden/ seye eine schwachheit vielmehr
als vorsatz jemand zu wider zu thun gewesen: Wie dann auch müglich ist/
daß zwo partheyen über eine sache gantz widrige meinungen haben/ und
diese dieses die andere jenes der kirchen das vorträglichste zu seyn festiglich
glauben/ auch darüber gegen einander in eine hefftigkeit verfallen können/ da
doch beyde nach ihrem gewissen/ ob wol das wahre wissen nicht bey beyden
sich recht findet/ wahrhafftig in dem gemeinen zweck/ die ehre GOTTes
und der kirchen wolfarth zu befordern/ übereinstimmen mögen. Derglei-
chen achte in der sache geschehen zu seyn/ und achte hinwieder meinem gewis-
sen das sicherste/ nicht weiter mit meinem urtheil zu gehen/ oder jemand
damit/ worin leicht anstossen möchte/ zu beschweren. Der HErr wird
selbs in den hertzen etwa zu seiner zeit zeigen/ wo gefehlt seyn mag worden.
Jhm dancke indessen billig/ der die gemeinde sehr gnädig versorget hat/ daß
auch die von dannen herkommende des jetzigen lieben predigers gaben und
fleiß sonderlich rühmen: Nur wünschte/ daß man sich nicht in den unnöti-
gen kirchen-bau gestecket hätte/ davon der gemeinde mehr schaden sorge
als nutzen vorsehe/ auch insgesamt nicht achte/ jetzo zeit zu seyn/ daß wir

viele
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ARTIC. II. SECTIO XXXVIII.
derſelbe ſelbs bezeuget/ daß bereits einige/ nachdem ſie ſeine predigten ge-
hoͤret/ andere gedancken zu faſſen angefangen haben: Welches GOTT an
andern mit der zeit nach ſeinem rath auch geben wird: ob wol nicht zu hof-
fen/ daß alle die jetzo die wahrheit laͤſtern/ ſich von derſelben uͤberwinden
laſſen/ indem ſorglich viele ihre hertzen zuſehr dagegen bereits verhaͤrtet
haben. Der HErr aber gebe uns ſelbs in allen dingen/ ſonderlich in un-
ſerm amt/ die weißheit ſeinen willen zu erkennen/ und die krafft denſelben
zu vollbringen.

SECTIO XXXVIII.
Als ein prediger mit ſeiner gemeinde in einige
mißhelligkeit gerathen.

ES war mir von grund der ſeelen lieb/ daß meine offenhertzigkeit in
meinem vorigen brieff/ ſo liebreich aufgenommen worden/ und er-
klaͤre mich auf dieſe antwort dahin/ daß willig meiner ſeits dasje-
nige fahren laſſe/ was mir ungleiche gedancken gemacht/ und glauben will/
daß mein werther bruder in dem gantzen werck vor GOTT aufrichtig und
nach beſten wiſſen und gewiſſen gehandelt haben werde. So fern aber ei-
niges mit in ſolche relation einfleuſt/ welches hinwiederum andere ziemlich
graviret, von denen auch hoffe/ nicht urſach zu haben/ ihnen einige boßheit
zu zutrauen/ ſo ſuſpendire billig mein urtheil/ und will hoffen/ auf wel-
cher ſeite der fehler ſich wahrhafftig befunden/ ſeye eine ſchwachheit vielmehr
als vorſatz jemand zu wider zu thun geweſen: Wie dann auch muͤglich iſt/
daß zwo partheyen uͤber eine ſache gantz widrige meinungen haben/ und
dieſe dieſes die andere jenes der kirchen das vortraͤglichſte zu ſeyn feſtiglich
glauben/ auch daruͤber gegen einander in eine hefftigkeit verfallen koͤnnen/ da
doch beyde nach ihrem gewiſſen/ ob wol das wahre wiſſen nicht bey beyden
ſich recht findet/ wahrhafftig in dem gemeinen zweck/ die ehre GOTTes
und der kirchen wolfarth zu befordern/ uͤbereinſtimmen moͤgen. Derglei-
chen achte in der ſache geſchehen zu ſeyn/ und achte hinwieder meinem gewiſ-
ſen das ſicherſte/ nicht weiter mit meinem urtheil zu gehen/ oder jemand
damit/ worin leicht anſtoſſen moͤchte/ zu beſchweren. Der HErr wird
ſelbs in den hertzen etwa zu ſeiner zeit zeigen/ wo gefehlt ſeyn mag worden.
Jhm dancke indeſſen billig/ der die gemeinde ſehr gnaͤdig verſorget hat/ daß
auch die von dannen herkommende des jetzigen lieben predigers gaben und
fleiß ſonderlich ruͤhmen: Nur wuͤnſchte/ daß man ſich nicht in den unnoͤti-
gen kirchen-bau geſtecket haͤtte/ davon der gemeinde mehr ſchaden ſorge
als nutzen vorſehe/ auch insgeſamt nicht achte/ jetzo zeit zu ſeyn/ daß wir

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[317/0329] ARTIC. II. SECTIO XXXVIII. derſelbe ſelbs bezeuget/ daß bereits einige/ nachdem ſie ſeine predigten ge- hoͤret/ andere gedancken zu faſſen angefangen haben: Welches GOTT an andern mit der zeit nach ſeinem rath auch geben wird: ob wol nicht zu hof- fen/ daß alle die jetzo die wahrheit laͤſtern/ ſich von derſelben uͤberwinden laſſen/ indem ſorglich viele ihre hertzen zuſehr dagegen bereits verhaͤrtet haben. Der HErr aber gebe uns ſelbs in allen dingen/ ſonderlich in un- ſerm amt/ die weißheit ſeinen willen zu erkennen/ und die krafft denſelben zu vollbringen. 1697. SECTIO XXXVIII. Als ein prediger mit ſeiner gemeinde in einige mißhelligkeit gerathen. ES war mir von grund der ſeelen lieb/ daß meine offenhertzigkeit in meinem vorigen brieff/ ſo liebreich aufgenommen worden/ und er- klaͤre mich auf dieſe antwort dahin/ daß willig meiner ſeits dasje- nige fahren laſſe/ was mir ungleiche gedancken gemacht/ und glauben will/ daß mein werther bruder in dem gantzen werck vor GOTT aufrichtig und nach beſten wiſſen und gewiſſen gehandelt haben werde. So fern aber ei- niges mit in ſolche relation einfleuſt/ welches hinwiederum andere ziemlich graviret, von denen auch hoffe/ nicht urſach zu haben/ ihnen einige boßheit zu zutrauen/ ſo ſuſpendire billig mein urtheil/ und will hoffen/ auf wel- cher ſeite der fehler ſich wahrhafftig befunden/ ſeye eine ſchwachheit vielmehr als vorſatz jemand zu wider zu thun geweſen: Wie dann auch muͤglich iſt/ daß zwo partheyen uͤber eine ſache gantz widrige meinungen haben/ und dieſe dieſes die andere jenes der kirchen das vortraͤglichſte zu ſeyn feſtiglich glauben/ auch daruͤber gegen einander in eine hefftigkeit verfallen koͤnnen/ da doch beyde nach ihrem gewiſſen/ ob wol das wahre wiſſen nicht bey beyden ſich recht findet/ wahrhafftig in dem gemeinen zweck/ die ehre GOTTes und der kirchen wolfarth zu befordern/ uͤbereinſtimmen moͤgen. Derglei- chen achte in der ſache geſchehen zu ſeyn/ und achte hinwieder meinem gewiſ- ſen das ſicherſte/ nicht weiter mit meinem urtheil zu gehen/ oder jemand damit/ worin leicht anſtoſſen moͤchte/ zu beſchweren. Der HErr wird ſelbs in den hertzen etwa zu ſeiner zeit zeigen/ wo gefehlt ſeyn mag worden. Jhm dancke indeſſen billig/ der die gemeinde ſehr gnaͤdig verſorget hat/ daß auch die von dannen herkommende des jetzigen lieben predigers gaben und fleiß ſonderlich ruͤhmen: Nur wuͤnſchte/ daß man ſich nicht in den unnoͤti- gen kirchen-bau geſtecket haͤtte/ davon der gemeinde mehr ſchaden ſorge als nutzen vorſehe/ auch insgeſamt nicht achte/ jetzo zeit zu ſeyn/ daß wir viele r r 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/329>, abgerufen am 22.11.2024.