Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. blut sind/ also auch jene/ daß wir aus einem geist mit jenen gezeuget. (8)Der sieg über die welt und dero ärgernüß/ daß man nicht nur einen haß und feindschafft dagegen hat/ sondern auch dawider kämpffet/ und meistens den sieg davon träget/ oder so man je einige mal überworffen wird/ dannoch so viel männlicher solchen feind wiederum angreifft/ und sich sein erwehret. 1. Joh. 5/ 4. (9) Eine hertzliche begierde nicht eigentlich von dieser welt elend/ sondern von der sünde erlöset zu seyn/ und solches abermal nicht wegen der beschwerde des kampffs dagegen/ sondern weil wir in diesem immer gewahr werden/ wie viel annoch an uns dem HErrn mißfalle/ daß auch unser sieg nie- mal ohne einige sündliche gebrechen bleibet. Rom. 7/ 23. 24. Diese möch- ten die vornehmste kennzeichen der kinder GOttes/ und also der neuen ge- burt und glaubens seyn/ so sonsten auch in weniger zusammen gefast/ hin- wider eben so wol in mehrern ausgetheilet/ oder anders gefast werden könten/ jedoch daß allezeit die hauptsach einerley bleibet. Jch sehe aber aus ihrem schreiben/ daß dieselbe zu solcher zeit an ihro offenbar gnug ge- wesen und also der gedancke/ ob jemal CHristus in ihr eine gestalt gewon- nen/ ohne grund seye. Wo ich aber 2. ansehe/ was von gegenwärtigem zu- stand/ neuer seelen angst und zweiffel gemeldet wird/ so muß daraus schlies- sen/ daß aufs wenigste was die empfindlichkeit anlangt/ dieser von den vo- rigen abgewichen und gleichsam etwas zurücke gefallen. Jedennoch finde aus denjenigen/ worinnen sie mir ihres hertzens beschaffenheit entdecket/ daß die obige zeugnüssen der wahren kindschafft GOttes/ glaubens und neuen ge- burt annoch vorhanden/ sonderlich die hertzliche liebe zu JEsu/ die sorge ihn nicht zu erzürnen/ und welches ein sonderlich treffliches zeichen des glaubens ist/ der entschluß nicht von dem HErrn abzulassen/ sondern unaufhörlich an ihm zu hangen/ ob er sie schon ihrem gefühl nach stäts von sich stossen wolte. Diese kennzeichen betriegen nicht/ und geben also ihr bey mangel anderer fühlung das unzweiffentliche zeugnüß ihres gnadenstandes/ damit sie gleich- wol/ ob sie s hon des empfindlichen trostes stäts ermanglen und in betrüb- nüß ihre tage zubringen müste/ zufrieden zu seyn sich erkläret. Jndessen 3. weil dannoch die empfindung der göttlichen wirckung jetzo geringer und dieser anfechtung ursach/ droben aber bemercket worden ist/ daß solcher mangel auch aus unserer schuld herkommen könne/ und alsdann nicht ohne einige gefahr seye/ wo man sicher dabey seyn wolte/ so habe doch nach demje- nigen recht/ das neben schuldiger liebe gegen aller seelen heil ihr gegen mich bezeugtes vertrauen mir gibet/ solche hertzlich zu erinnern/ daß sie ihren zu- stand und gantze beschaffenheit ihrer seelen und führenden wandels genau vor dem angesicht des heiligen GOttes fleißig und ohne schmeicheley überlege und untersuche/ zufinden ob die änderung allein aus GOttes rath ohne ihr verschuldung herkomme/ weil sie derselbe durch die gegenwärtige dörrigkeit mehr
Das ſiebende Capitel. blut ſind/ alſo auch jene/ daß wir aus einem geiſt mit jenen gezeuget. (8)Der ſieg uͤber die welt und dero aͤrgernuͤß/ daß man nicht nur einen haß und feindſchafft dagegen hat/ ſondern auch dawider kaͤmpffet/ und meiſtens den ſieg davon traͤget/ oder ſo man je einige mal uͤberworffen wird/ dannoch ſo viel maͤnnlicher ſolchen feind wiederum angreifft/ und ſich ſein erwehret. 1. Joh. 5/ 4. (9) Eine hertzliche begierde nicht eigentlich von dieſer welt elend/ ſondern von der ſuͤnde erloͤſet zu ſeyn/ und ſolches abermal nicht wegen der beſchwerde des kampffs dagegen/ ſondern weil wir in dieſem immer gewahr werden/ wie viel annoch an uns dem HErrn mißfalle/ daß auch unſer ſieg nie- mal ohne einige ſuͤndliche gebrechen bleibet. Rom. 7/ 23. 24. Dieſe moͤch- ten die vornehmſte kennzeichen der kinder GOttes/ und alſo der neuen ge- burt und glaubens ſeyn/ ſo ſonſten auch in weniger zuſammen gefaſt/ hin- wider eben ſo wol in mehrern ausgetheilet/ oder anders gefaſt werden koͤnten/ jedoch daß allezeit die hauptſach einerley bleibet. Jch ſehe aber aus ihrem ſchreiben/ daß dieſelbe zu ſolcher zeit an ihro offenbar gnug ge- weſen und alſo der gedancke/ ob jemal CHriſtus in ihr eine geſtalt gewon- nen/ ohne grund ſeye. Wo ich aber 2. anſehe/ was von gegenwaͤrtigem zu- ſtand/ neuer ſeelen angſt und zweiffel gemeldet wird/ ſo muß daraus ſchlieſ- ſen/ daß aufs wenigſte was die empfindlichkeit anlangt/ dieſer von den vo- rigen abgewichen und gleichſam etwas zuruͤcke gefallen. Jedennoch finde aus denjenigen/ worinnen ſie mir ihres hertzens beſchaffenheit entdecket/ daß die obige zeugnuͤſſen der wahren kindſchafft GOttes/ glaubens und neuen ge- burt annoch vorhanden/ ſonderlich die hertzliche liebe zu JEſu/ die ſorge ihn nicht zu erzuͤrnen/ und welches ein ſonderlich treffliches zeichen des glaubens iſt/ der entſchluß nicht von dem HErrn abzulaſſen/ ſondern unaufhoͤrlich an ihm zu hangen/ ob er ſie ſchon ihrem gefuͤhl nach ſtaͤts von ſich ſtoſſen wolte. Dieſe kennzeichen betriegen nicht/ und geben alſo ihr bey mangel anderer fuͤhlung das unzweiffentliche zeugnuͤß ihres gnadenſtandes/ damit ſie gleich- wol/ ob ſie ſ hon des empfindlichen troſtes ſtaͤts ermanglen und in betruͤb- nuͤß ihre tage zubringen muͤſte/ zufrieden zu ſeyn ſich erklaͤret. Jndeſſen 3. weil dannoch die empfindung der goͤttlichen wirckung jetzo geringer und dieſer anfechtung urſach/ droben aber bemercket worden iſt/ daß ſolcher mangel auch aus unſerer ſchuld herkommen koͤnne/ und alsdann nicht ohne einige gefahr ſeye/ wo man ſicher dabey ſeyn wolte/ ſo habe doch nach demje- nigen recht/ das neben ſchuldiger liebe gegen aller ſeelen heil ihr gegen mich bezeugtes vertrauen mir gibet/ ſolche hertzlich zu erinnern/ daß ſie ihren zu- ſtand und gantze beſchaffenheit ihrer ſeelen und fuͤhrenden wandels genau vor dem angeſicht des heiligen GOttes fleißig und ohne ſchmeicheley uͤberlege und unterſuche/ zufinden ob die aͤnderung allein aus GOttes rath ohne ihr verſchuldung herkomme/ weil ſie derſelbe durch die gegenwaͤrtige doͤrrigkeit mehr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0350" n="338"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/> blut ſind/ alſo auch jene/ daß wir aus einem geiſt mit jenen gezeuget. (8)<lb/> Der ſieg uͤber die welt und dero aͤrgernuͤß/ daß man nicht nur einen haß und<lb/> feindſchafft dagegen hat/ ſondern auch dawider kaͤmpffet/ und meiſtens den<lb/> ſieg davon traͤget/ oder ſo man je einige mal uͤberworffen wird/ dannoch ſo<lb/> viel maͤnnlicher ſolchen feind wiederum angreifft/ und ſich ſein erwehret.<lb/> 1. <hi rendition="#fr">Joh. 5/ 4.</hi> (9) Eine hertzliche begierde nicht eigentlich von dieſer welt elend/<lb/> ſondern von der ſuͤnde erloͤſet zu ſeyn/ und ſolches abermal nicht wegen der<lb/> beſchwerde des kampffs dagegen/ ſondern weil wir in dieſem immer gewahr<lb/> werden/ wie viel annoch an uns dem HErrn mißfalle/ daß auch unſer ſieg nie-<lb/> mal ohne einige ſuͤndliche gebrechen bleibet. <hi rendition="#fr">Rom. 7/ 23. 24.</hi> Dieſe moͤch-<lb/> ten die vornehmſte kennzeichen der kinder GOttes/ und alſo der neuen ge-<lb/> burt und glaubens ſeyn/ ſo ſonſten auch in weniger zuſammen gefaſt/ hin-<lb/> wider eben ſo wol in mehrern ausgetheilet/ oder anders gefaſt werden<lb/> koͤnten/ jedoch daß allezeit die hauptſach einerley bleibet. Jch ſehe aber<lb/> aus ihrem ſchreiben/ daß dieſelbe zu ſolcher zeit an ihro offenbar gnug ge-<lb/> weſen und alſo der gedancke/ ob jemal CHriſtus in ihr eine geſtalt gewon-<lb/> nen/ ohne grund ſeye. Wo ich aber 2. anſehe/ was von gegenwaͤrtigem zu-<lb/> ſtand/ neuer ſeelen angſt und zweiffel gemeldet wird/ ſo muß daraus ſchlieſ-<lb/> ſen/ daß aufs wenigſte was die empfindlichkeit anlangt/ dieſer von den vo-<lb/> rigen abgewichen und gleichſam etwas zuruͤcke gefallen. Jedennoch finde<lb/> aus denjenigen/ worinnen ſie mir ihres hertzens beſchaffenheit entdecket/ daß<lb/> die obige zeugnuͤſſen der wahren kindſchafft GOttes/ glaubens und neuen ge-<lb/> burt annoch vorhanden/ ſonderlich die hertzliche liebe zu JEſu/ die ſorge ihn<lb/> nicht zu erzuͤrnen/ und welches ein ſonderlich treffliches zeichen des glaubens<lb/> iſt/ der entſchluß nicht von dem HErrn abzulaſſen/ ſondern unaufhoͤrlich an<lb/> ihm zu hangen/ ob er ſie ſchon ihrem gefuͤhl nach ſtaͤts von ſich ſtoſſen wolte.<lb/> Dieſe kennzeichen betriegen nicht/ und geben alſo ihr bey mangel anderer<lb/> fuͤhlung das unzweiffentliche zeugnuͤß ihres gnadenſtandes/ damit ſie gleich-<lb/> wol/ ob ſie ſ hon des empfindlichen troſtes ſtaͤts ermanglen und in betruͤb-<lb/> nuͤß ihre tage zubringen muͤſte/ zufrieden zu ſeyn ſich erklaͤret. Jndeſſen<lb/> 3. weil dannoch die empfindung der goͤttlichen wirckung jetzo geringer und<lb/> dieſer anfechtung urſach/ droben aber bemercket worden iſt/ daß ſolcher<lb/> mangel auch aus unſerer ſchuld herkommen koͤnne/ und alsdann nicht ohne<lb/> einige gefahr ſeye/ wo man ſicher dabey ſeyn wolte/ ſo habe doch nach demje-<lb/> nigen recht/ das neben ſchuldiger liebe gegen aller ſeelen heil ihr gegen mich<lb/> bezeugtes vertrauen mir gibet/ ſolche hertzlich zu erinnern/ daß ſie ihren zu-<lb/> ſtand und gantze beſchaffenheit ihrer ſeelen und fuͤhrenden wandels genau<lb/> vor dem angeſicht des heiligen GOttes fleißig und ohne ſchmeicheley uͤberlege<lb/> und unterſuche/ zufinden ob die aͤnderung allein aus GOttes rath ohne ihr<lb/> verſchuldung herkomme/ weil ſie derſelbe durch die gegenwaͤrtige doͤrrigkeit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0350]
Das ſiebende Capitel.
blut ſind/ alſo auch jene/ daß wir aus einem geiſt mit jenen gezeuget. (8)
Der ſieg uͤber die welt und dero aͤrgernuͤß/ daß man nicht nur einen haß und
feindſchafft dagegen hat/ ſondern auch dawider kaͤmpffet/ und meiſtens den
ſieg davon traͤget/ oder ſo man je einige mal uͤberworffen wird/ dannoch ſo
viel maͤnnlicher ſolchen feind wiederum angreifft/ und ſich ſein erwehret.
1. Joh. 5/ 4. (9) Eine hertzliche begierde nicht eigentlich von dieſer welt elend/
ſondern von der ſuͤnde erloͤſet zu ſeyn/ und ſolches abermal nicht wegen der
beſchwerde des kampffs dagegen/ ſondern weil wir in dieſem immer gewahr
werden/ wie viel annoch an uns dem HErrn mißfalle/ daß auch unſer ſieg nie-
mal ohne einige ſuͤndliche gebrechen bleibet. Rom. 7/ 23. 24. Dieſe moͤch-
ten die vornehmſte kennzeichen der kinder GOttes/ und alſo der neuen ge-
burt und glaubens ſeyn/ ſo ſonſten auch in weniger zuſammen gefaſt/ hin-
wider eben ſo wol in mehrern ausgetheilet/ oder anders gefaſt werden
koͤnten/ jedoch daß allezeit die hauptſach einerley bleibet. Jch ſehe aber
aus ihrem ſchreiben/ daß dieſelbe zu ſolcher zeit an ihro offenbar gnug ge-
weſen und alſo der gedancke/ ob jemal CHriſtus in ihr eine geſtalt gewon-
nen/ ohne grund ſeye. Wo ich aber 2. anſehe/ was von gegenwaͤrtigem zu-
ſtand/ neuer ſeelen angſt und zweiffel gemeldet wird/ ſo muß daraus ſchlieſ-
ſen/ daß aufs wenigſte was die empfindlichkeit anlangt/ dieſer von den vo-
rigen abgewichen und gleichſam etwas zuruͤcke gefallen. Jedennoch finde
aus denjenigen/ worinnen ſie mir ihres hertzens beſchaffenheit entdecket/ daß
die obige zeugnuͤſſen der wahren kindſchafft GOttes/ glaubens und neuen ge-
burt annoch vorhanden/ ſonderlich die hertzliche liebe zu JEſu/ die ſorge ihn
nicht zu erzuͤrnen/ und welches ein ſonderlich treffliches zeichen des glaubens
iſt/ der entſchluß nicht von dem HErrn abzulaſſen/ ſondern unaufhoͤrlich an
ihm zu hangen/ ob er ſie ſchon ihrem gefuͤhl nach ſtaͤts von ſich ſtoſſen wolte.
Dieſe kennzeichen betriegen nicht/ und geben alſo ihr bey mangel anderer
fuͤhlung das unzweiffentliche zeugnuͤß ihres gnadenſtandes/ damit ſie gleich-
wol/ ob ſie ſ hon des empfindlichen troſtes ſtaͤts ermanglen und in betruͤb-
nuͤß ihre tage zubringen muͤſte/ zufrieden zu ſeyn ſich erklaͤret. Jndeſſen
3. weil dannoch die empfindung der goͤttlichen wirckung jetzo geringer und
dieſer anfechtung urſach/ droben aber bemercket worden iſt/ daß ſolcher
mangel auch aus unſerer ſchuld herkommen koͤnne/ und alsdann nicht ohne
einige gefahr ſeye/ wo man ſicher dabey ſeyn wolte/ ſo habe doch nach demje-
nigen recht/ das neben ſchuldiger liebe gegen aller ſeelen heil ihr gegen mich
bezeugtes vertrauen mir gibet/ ſolche hertzlich zu erinnern/ daß ſie ihren zu-
ſtand und gantze beſchaffenheit ihrer ſeelen und fuͤhrenden wandels genau
vor dem angeſicht des heiligen GOttes fleißig und ohne ſchmeicheley uͤberlege
und unterſuche/ zufinden ob die aͤnderung allein aus GOttes rath ohne ihr
verſchuldung herkomme/ weil ſie derſelbe durch die gegenwaͤrtige doͤrrigkeit
mehr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/350 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/350>, abgerufen am 26.06.2024. |