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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
verrichtet zu werden pfleget: Und daher unsere mahlzeiten vielmehr damit beschä-
met als beschönet und vertheidiget werden können (Tertullianussagt apolog. c. 39.
darvon also: Ita saturantur, ut qui meminerint, etiam per noctem adoran-
dum Deum sibi esse: ita fabulantur, ut qui sciant, Dominum audire.

Sie sätigen sich also, daß sie dabey gedencken, daß sie auch GOtt noch
zu nacht anbeten müssen. Sie haben solche gespräch, daß sie wissen, der
HERR höre sie
) 2. Ob nicht vielmehr die allermeiste/ sehr wenig ausgenom-
men/ die meiste obiger excessen darinnen begehen/ u. selten einige nüchtern aus dem
wirts-hause kommen? 3. Und also ob das jenige nicht vor das gewöhnliche zu hal-
ten seye/ daß man allezeit geschehen siehet. 4. Ob auch zu hoffen seye/ daß bey
dem unter uns Lutherischen leider so eingerissenen laster der trunckenheit/ da ins
gemein dasselbe nicht mehr vor sünde/ oder ja so schwere sünde als sie an sich selbsten
ist/ gehalten wird/ zu hoffen seye/ daß ob schon verordnung gemacht würde/ wie in
denen wirtshäusern denen gästen zu begegnen wäre/ solchen nachgelebt/ und nicht
vielmehr der mißbrauch bey dem gebrauch so viel als von demselben inseparabel
gefunden würde werden. Daher ich ja nicht zweiffele/ die folge zu machen: wie
aus göttlichen gebot unverneinlich die trunckenheit auf den Sonntag so vielmehr
als auf andere tage verboten ist/ daß denn denen jenigen/ die über göttliches gebot
zu halten schuldig sind/ so geistlichen als weltlichen/ auch obliege/ jeglicher auf seine
art gleichfals das jenige/ nemlich das sonntag-gäst setzen/ zu verbieten haben/
aus welchem ohnzweiffel allezeit/ oder je die allermeiste mal/ die trunckenheit fol-
gen wird. Nicht nur wegen vermeidung bösen scheins/ dazu dennoch Christen
auch gehalten sind. 1. Thess. 5. sondern weilen man auch denen gelegenheiten/ aus
welchen man die sünden zu entstehen vorsiehet/ zu begegnen verpflichtet ist. 4. Aus
besagten folgern wir auch weiter/ daß solches gäst setzen und so genannte aber üppi-
ge frölich seyn in denen wirtshäusern den sonntag mehr entheilige/ als wo
man die ordentliche berufs-arbeit verrichtete. Jndem diese weder an sich selbst
sündlich noch dazu gelegenheit giebet/ so dann der ruhe der seelen in GOTT/ so zu
der göttlichen wirckung in denselben auf den Sonntag erfordert wird/ vielweniger
entgegen stehet/ als das trincken in denen wirts-häusern. Wann also der heilige
alt-vater Augustinus schreiben darf [in ps. 32. serm. 1.] Observa diem Sab-
bathi non carnaliter, non judaicis deliciis, qui otio abutuntur ad nequiti-
am: melius enim utique tota die foderent, quam tota die saltarent.
Halte
den sabbath nicht fleischlich, nicht in jüdischen üppigen wollüsten dazu sie
sich der feyer mißbrauchen: denn es ja besser wäre sie arbeiteten den gantzen
tag im erdreich, als daß sie den gantzen tag über tantzen.
[dergleichen wir
auch von ihme lesen c. 3. de 10. chordis] solche seine rede auch bisher allen gottseli-
gen lehrern gefallen hat/ und gebilliget ist worden; so mögen wir auch gleicher mas-
sen sagen: Es sey besser/ andere an sich gut und erlaubte hand-arbeit zu thun/ als up-

pige

Das ſiebende Capitel.
verrichtet zu werden pfleget: Und daher unſere mahlzeiten vielmehr damit beſchaͤ-
met als beſchoͤnet und vertheidiget werden koͤnnen (Tertullianusſagt apolog. c. 39.
darvon alſo: Ita ſaturantur, ut qui meminerint, etiam per noctem adoran-
dum Deum ſibi eſſe: ita fabulantur, ut qui ſciant, Dominum audire.

Sie ſaͤtigen ſich alſo, daß ſie dabey gedencken, daß ſie auch GOtt noch
zu nacht anbeten muͤſſen. Sie haben ſolche geſpraͤch, daß ſie wiſſen, der
HERR hoͤre ſie
) 2. Ob nicht vielmehr die allermeiſte/ ſehr wenig ausgenom-
men/ die meiſte obiger exceſſen darinnen begehen/ u. ſelten einige nuͤchtern aus dem
wirts-hauſe kommen? 3. Und alſo ob das jenige nicht vor das gewoͤhnliche zu hal-
ten ſeye/ daß man allezeit geſchehen ſiehet. 4. Ob auch zu hoffen ſeye/ daß bey
dem unter uns Lutheriſchen leider ſo eingeriſſenen laſter der trunckenheit/ da ins
gemein daſſelbe nicht mehr vor ſuͤnde/ oder ja ſo ſchwere ſuͤnde als ſie an ſich ſelbſten
iſt/ gehalten wird/ zu hoffen ſeye/ daß ob ſchon verordnung gemacht wuͤrde/ wie in
denen wirtshaͤuſern denen gaͤſten zu begegnen waͤre/ ſolchen nachgelebt/ und nicht
vielmehr der mißbrauch bey dem gebrauch ſo viel als von demſelben inſeparabel
gefunden wuͤrde werden. Daher ich ja nicht zweiffele/ die folge zu machen: wie
aus goͤttlichen gebot unverneinlich die trunckenheit auf den Sonntag ſo vielmehr
als auf andere tage verboten iſt/ daß denn denen jenigen/ die uͤber goͤttliches gebot
zu halten ſchuldig ſind/ ſo geiſtlichen als weltlichen/ auch obliege/ jeglicher auf ſeine
art gleichfals das jenige/ nemlich das ſonntag-gaͤſt ſetzen/ zu verbieten haben/
aus welchem ohnzweiffel allezeit/ oder je die allermeiſte mal/ die trunckenheit fol-
gen wird. Nicht nur wegen vermeidung boͤſen ſcheins/ dazu dennoch Chriſten
auch gehalten ſind. 1. Theſſ. 5. ſondern weilen man auch denen gelegenheiten/ aus
welchen man die ſuͤnden zu entſtehen vorſiehet/ zu begegnen verpflichtet iſt. 4. Aus
beſagten folgern wir auch weiter/ daß ſolches gaͤſt ſetzen und ſo genannte aber uͤppi-
ge froͤlich ſeyn in denen wirtshaͤuſern den ſonntag mehr entheilige/ als wo
man die ordentliche berufs-arbeit verrichtete. Jndem dieſe weder an ſich ſelbſt
ſuͤndlich noch dazu gelegenheit giebet/ ſo dann der ruhe der ſeelen in GOTT/ ſo zu
der goͤttlichen wirckung in denſelben auf den Sonntag erfordert wird/ vielweniger
entgegen ſtehet/ als das trincken in denen wirts-haͤuſern. Wann alſo der heilige
alt-vater Auguſtinus ſchreiben darf [in pſ. 32. ſerm. 1.] Obſerva diem Sab-
bathi non carnaliter, non judaicis deliciis, qui otio abutuntur ad nequiti-
am: melius enim utique tota die foderent, quam tota die ſaltarent.
Halte
den ſabbath nicht fleiſchlich, nicht in juͤdiſchen uͤppigen wolluͤſten dazu ſie
ſich der feyer mißbrauchen: denn es ja beſſer waͤre ſie arbeiteten den gantzen
tag im erdreich, als daß ſie den gantzen tag uͤber tantzen.
[dergleichen wir
auch von ihme leſen c. 3. de 10. chordis] ſolche ſeine rede auch bisher allen gottſeli-
gen lehrern gefallen hat/ und gebilliget iſt worden; ſo moͤgen wir auch gleicher maſ-
ſen ſagen: Es ſey beſſer/ andere an ſich gut und erlaubte hand-arbeit zu thun/ als up-

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[382/0394] Das ſiebende Capitel. verrichtet zu werden pfleget: Und daher unſere mahlzeiten vielmehr damit beſchaͤ- met als beſchoͤnet und vertheidiget werden koͤnnen (Tertullianusſagt apolog. c. 39. darvon alſo: Ita ſaturantur, ut qui meminerint, etiam per noctem adoran- dum Deum ſibi eſſe: ita fabulantur, ut qui ſciant, Dominum audire. Sie ſaͤtigen ſich alſo, daß ſie dabey gedencken, daß ſie auch GOtt noch zu nacht anbeten muͤſſen. Sie haben ſolche geſpraͤch, daß ſie wiſſen, der HERR hoͤre ſie) 2. Ob nicht vielmehr die allermeiſte/ ſehr wenig ausgenom- men/ die meiſte obiger exceſſen darinnen begehen/ u. ſelten einige nuͤchtern aus dem wirts-hauſe kommen? 3. Und alſo ob das jenige nicht vor das gewoͤhnliche zu hal- ten ſeye/ daß man allezeit geſchehen ſiehet. 4. Ob auch zu hoffen ſeye/ daß bey dem unter uns Lutheriſchen leider ſo eingeriſſenen laſter der trunckenheit/ da ins gemein daſſelbe nicht mehr vor ſuͤnde/ oder ja ſo ſchwere ſuͤnde als ſie an ſich ſelbſten iſt/ gehalten wird/ zu hoffen ſeye/ daß ob ſchon verordnung gemacht wuͤrde/ wie in denen wirtshaͤuſern denen gaͤſten zu begegnen waͤre/ ſolchen nachgelebt/ und nicht vielmehr der mißbrauch bey dem gebrauch ſo viel als von demſelben inſeparabel gefunden wuͤrde werden. Daher ich ja nicht zweiffele/ die folge zu machen: wie aus goͤttlichen gebot unverneinlich die trunckenheit auf den Sonntag ſo vielmehr als auf andere tage verboten iſt/ daß denn denen jenigen/ die uͤber goͤttliches gebot zu halten ſchuldig ſind/ ſo geiſtlichen als weltlichen/ auch obliege/ jeglicher auf ſeine art gleichfals das jenige/ nemlich das ſonntag-gaͤſt ſetzen/ zu verbieten haben/ aus welchem ohnzweiffel allezeit/ oder je die allermeiſte mal/ die trunckenheit fol- gen wird. Nicht nur wegen vermeidung boͤſen ſcheins/ dazu dennoch Chriſten auch gehalten ſind. 1. Theſſ. 5. ſondern weilen man auch denen gelegenheiten/ aus welchen man die ſuͤnden zu entſtehen vorſiehet/ zu begegnen verpflichtet iſt. 4. Aus beſagten folgern wir auch weiter/ daß ſolches gaͤſt ſetzen und ſo genannte aber uͤppi- ge froͤlich ſeyn in denen wirtshaͤuſern den ſonntag mehr entheilige/ als wo man die ordentliche berufs-arbeit verrichtete. Jndem dieſe weder an ſich ſelbſt ſuͤndlich noch dazu gelegenheit giebet/ ſo dann der ruhe der ſeelen in GOTT/ ſo zu der goͤttlichen wirckung in denſelben auf den Sonntag erfordert wird/ vielweniger entgegen ſtehet/ als das trincken in denen wirts-haͤuſern. Wann alſo der heilige alt-vater Auguſtinus ſchreiben darf [in pſ. 32. ſerm. 1.] Obſerva diem Sab- bathi non carnaliter, non judaicis deliciis, qui otio abutuntur ad nequiti- am: melius enim utique tota die foderent, quam tota die ſaltarent. Halte den ſabbath nicht fleiſchlich, nicht in juͤdiſchen uͤppigen wolluͤſten dazu ſie ſich der feyer mißbrauchen: denn es ja beſſer waͤre ſie arbeiteten den gantzen tag im erdreich, als daß ſie den gantzen tag uͤber tantzen. [dergleichen wir auch von ihme leſen c. 3. de 10. chordis] ſolche ſeine rede auch bisher allen gottſeli- gen lehrern gefallen hat/ und gebilliget iſt worden; ſo moͤgen wir auch gleicher maſ- ſen ſagen: Es ſey beſſer/ andere an ſich gut und erlaubte hand-arbeit zu thun/ als up- pige

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/394>, abgerufen am 22.11.2024.