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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECTIO XIIX.
weil alles was voller mühseligkeit seye an dem dienst GOTTES hindere. Wel-
ches alles in gewisser maaß und verstand war ist/ jedoch nichts gegen diese änderung
schliesset; wir müssen alles eitele und vergängliche fahren lassen/ in dem verstand/
daß wir unsere liebe/ vertrauen u. begierde nicht darauf oder darnach setzen und stre-
cken/ als die wir wissen müssen/ daß solches unser rechtes gut nicht seye/ sondern daß
wir m die welt gesetzet um höherer nemlich göttlicher güter willen/ also bleiben diese
billich allein unsere freude/ liebe und gantzer lebens-zweck. Jndessen müssen wir
freylich mit eiteln und vergänglichen dingen umgehen/ massen ja alle irdische din-
ge unter solche titul gehören: von welchen und der beschäfftigung mit denselben wir
uns/ als lang wir hier in dem fleisch und nach dem willen GOttes auf erden leben/
nicht loßreissen können oder sollen: weil es ja ein stück göttlicher ordnung/ daß wir
nach dem fall im schweiß unsers angesichts/ und also in arbeiten/ die auch mit ver-
gänglichen dingen umgehen/ unter brod essen sollen. Ja dieses ist eine übung un-
serer gedult/ daß wir mit den geschäfften umgehen müssen/ welche eben unserer see-
le so angenehm nicht seynd/ aber göttliche ordnung solche erfordert/ und wir also mit
dem gehorsam in demselben den HErrn preisen/ und des nechsten nutzen befördern.
Sehen wir nun in aller unsrer arbeit/ darinnen wirs mit vergänglichen dingen zu
thun haben/ auf diesen zweck/ und thun dieselbe mit einem solchen gemüth/ so werden
sie wahrhafftig zu einem GOttesdienst. Hingegen ist uns nicht erlaubt/ daß wir
gleichsam zu frühe GOtt dem HErrn aus dem arbeit-hauß/ darein er uns einge-
sperret hat/ entlauffen/ und nur ein solches leben suchen wolten/ da wirs unmittel-
bar allein mit geistlichen dingen und erbauung unserer eigenen seele zu thun haben
wolten. Ja wo wir ein solches leben haben könten/ und ich es mit dem andern ar-
beitsamen vergleichen solte/ achte ich jenes vor anmuthiger und uns selbs vergnügli-
cher/ dieses aber vor liebreicher und GOttes ordnung gemässer: in dem diese ohne
das erfordert/ daß wir mehr sehen auf das/ was des nechsten als das unsrige ist.
Nechst dem ist nicht so wol eigentlich hie die frage/ ob er sich zu gewissen weitlichen
geschäfften resolvire oder eine änderung in demselben selbs treffen wolle/ in dem er ja
wo er jetzt ist/ und wo er hin komt/ einerley profession treiben muß/ sondern an
welchem ort dasselbe geschehen solle. Wo ich nicht leugne/ daß wo er jetzt ist/ ein
von grossen geräusch der leute freyerer und so fern stillerer ort gegen NN. seye/ a-
ber die ruhe unsers gemüths dependiret nicht von der eusserlichen stille des orts/
sondern kan auch dasselbe an dem stillesten ort gantz unruhig/ an einem unmüßigen a-
ber manchmal stiller seyn. So viel ist nicht ohn/ daß in ihrer profession an die-
sem ort sich mehr arbeit zeigen wird. Jch bitte aber zu erwegen/ ob nicht die mehr-
malige sorgen und je weilige beänstigungen/ wie bey so weniger arbeit dennoch
die nothdurfft zu erwerben/ so dann wie dieses oder jenes des wegen in andern sa-
chen anzufangen/ der ruhe des gemüths mehr zu wider seye/ als die arbeit an sich

selbs
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ARTIC. III. SECTIO XIIX.
weil alles was voller muͤhſeligkeit ſeye an dem dienſt GOTTES hindere. Wel-
ches alles in gewiſſer maaß und verſtand war iſt/ jedoch nichts gegen dieſe aͤnderung
ſchlieſſet; wir muͤſſen alles eitele und vergaͤngliche fahren laſſen/ in dem verſtand/
daß wir unſere liebe/ vertrauen u. begierde nicht darauf oder darnach ſetzen und ſtre-
cken/ als die wir wiſſen muͤſſen/ daß ſolches unſer rechtes gut nicht ſeye/ ſondern daß
wir m die welt geſetzet um hoͤherer nemlich goͤttlicher guͤter willen/ alſo bleiben dieſe
billich allein unſere freude/ liebe und gantzer lebens-zweck. Jndeſſen muͤſſen wir
freylich mit eiteln und vergaͤnglichen dingen umgehen/ maſſen ja alle irdiſche din-
ge unter ſolche titul gehoͤren: von welchen und der beſchaͤfftigung mit denſelben wir
uns/ als lang wir hier in dem fleiſch und nach dem willen GOttes auf erden leben/
nicht loßreiſſen koͤnnen oder ſollen: weil es ja ein ſtuͤck goͤttlicher ordnung/ daß wir
nach dem fall im ſchweiß unſers angeſichts/ und alſo in arbeiten/ die auch mit ver-
gaͤnglichen dingen umgehen/ unter brod eſſen ſollen. Ja dieſes iſt eine uͤbung un-
ſerer gedult/ daß wir mit den geſchaͤfften umgehen muͤſſen/ welche eben unſerer ſee-
le ſo angenehm nicht ſeynd/ aber goͤttliche ordnung ſolche erfordert/ und wir alſo mit
dem gehorſam in demſelben den HErrn preiſen/ und des nechſten nutzen befoͤrdern.
Sehen wir nun in aller unſrer arbeit/ darinnen wirs mit vergaͤnglichen dingen zu
thun haben/ auf dieſen zweck/ und thun dieſelbe mit einem ſolchen gemuͤth/ ſo werden
ſie wahrhafftig zu einem GOttesdienſt. Hingegen iſt uns nicht erlaubt/ daß wir
gleichſam zu fruͤhe GOtt dem HErrn aus dem arbeit-hauß/ darein er uns einge-
ſperret hat/ entlauffen/ und nur ein ſolches leben ſuchen wolten/ da wirs unmittel-
bar allein mit geiſtlichen dingen und erbauung unſerer eigenen ſeele zu thun haben
wolten. Ja wo wir ein ſolches leben haben koͤnten/ und ich es mit dem andern ar-
beitſamen vergleichen ſolte/ achte ich jenes vor anmuthiger und uns ſelbs vergnuͤgli-
cher/ dieſes aber vor liebreicher und GOttes ordnung gemaͤſſer: in dem dieſe ohne
das erfordert/ daß wir mehr ſehen auf das/ was des nechſten als das unſrige iſt.
Nechſt dem iſt nicht ſo wol eigentlich hie die frage/ ob er ſich zu gewiſſen weitlichen
geſchaͤfften reſolvire oder eine aͤnderung in demſelben ſelbs treffen wolle/ in dem er ja
wo er jetzt iſt/ und wo er hin komt/ einerley profeſſion treiben muß/ ſondern an
welchem ort daſſelbe geſchehen ſolle. Wo ich nicht leugne/ daß wo er jetzt iſt/ ein
von groſſen geraͤuſch der leute freyerer und ſo fern ſtillerer ort gegen NN. ſeye/ a-
ber die ruhe unſers gemuͤths dependiret nicht von der euſſerlichen ſtille des orts/
ſondeꝛn kan auch daſſelbe an dem ſtilleſten ort gantz unꝛuhig/ an einem unmuͤßigen a-
ber manchmal ſtiller ſeyn. So viel iſt nicht ohn/ daß in ihrer profeſſion an die-
ſem ort ſich mehr arbeit zeigen wird. Jch bitte aber zu erwegen/ ob nicht die mehr-
malige ſorgen und je weilige beaͤnſtigungen/ wie bey ſo weniger arbeit dennoch
die nothdurfft zu erwerben/ ſo dann wie dieſes oder jenes des wegen in andern ſa-
chen anzufangen/ der ruhe des gemuͤths mehr zu wider ſeye/ als die arbeit an ſich

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[395/0407] ARTIC. III. SECTIO XIIX. weil alles was voller muͤhſeligkeit ſeye an dem dienſt GOTTES hindere. Wel- ches alles in gewiſſer maaß und verſtand war iſt/ jedoch nichts gegen dieſe aͤnderung ſchlieſſet; wir muͤſſen alles eitele und vergaͤngliche fahren laſſen/ in dem verſtand/ daß wir unſere liebe/ vertrauen u. begierde nicht darauf oder darnach ſetzen und ſtre- cken/ als die wir wiſſen muͤſſen/ daß ſolches unſer rechtes gut nicht ſeye/ ſondern daß wir m die welt geſetzet um hoͤherer nemlich goͤttlicher guͤter willen/ alſo bleiben dieſe billich allein unſere freude/ liebe und gantzer lebens-zweck. Jndeſſen muͤſſen wir freylich mit eiteln und vergaͤnglichen dingen umgehen/ maſſen ja alle irdiſche din- ge unter ſolche titul gehoͤren: von welchen und der beſchaͤfftigung mit denſelben wir uns/ als lang wir hier in dem fleiſch und nach dem willen GOttes auf erden leben/ nicht loßreiſſen koͤnnen oder ſollen: weil es ja ein ſtuͤck goͤttlicher ordnung/ daß wir nach dem fall im ſchweiß unſers angeſichts/ und alſo in arbeiten/ die auch mit ver- gaͤnglichen dingen umgehen/ unter brod eſſen ſollen. Ja dieſes iſt eine uͤbung un- ſerer gedult/ daß wir mit den geſchaͤfften umgehen muͤſſen/ welche eben unſerer ſee- le ſo angenehm nicht ſeynd/ aber goͤttliche ordnung ſolche erfordert/ und wir alſo mit dem gehorſam in demſelben den HErrn preiſen/ und des nechſten nutzen befoͤrdern. Sehen wir nun in aller unſrer arbeit/ darinnen wirs mit vergaͤnglichen dingen zu thun haben/ auf dieſen zweck/ und thun dieſelbe mit einem ſolchen gemuͤth/ ſo werden ſie wahrhafftig zu einem GOttesdienſt. Hingegen iſt uns nicht erlaubt/ daß wir gleichſam zu fruͤhe GOtt dem HErrn aus dem arbeit-hauß/ darein er uns einge- ſperret hat/ entlauffen/ und nur ein ſolches leben ſuchen wolten/ da wirs unmittel- bar allein mit geiſtlichen dingen und erbauung unſerer eigenen ſeele zu thun haben wolten. Ja wo wir ein ſolches leben haben koͤnten/ und ich es mit dem andern ar- beitſamen vergleichen ſolte/ achte ich jenes vor anmuthiger und uns ſelbs vergnuͤgli- cher/ dieſes aber vor liebreicher und GOttes ordnung gemaͤſſer: in dem dieſe ohne das erfordert/ daß wir mehr ſehen auf das/ was des nechſten als das unſrige iſt. Nechſt dem iſt nicht ſo wol eigentlich hie die frage/ ob er ſich zu gewiſſen weitlichen geſchaͤfften reſolvire oder eine aͤnderung in demſelben ſelbs treffen wolle/ in dem er ja wo er jetzt iſt/ und wo er hin komt/ einerley profeſſion treiben muß/ ſondern an welchem ort daſſelbe geſchehen ſolle. Wo ich nicht leugne/ daß wo er jetzt iſt/ ein von groſſen geraͤuſch der leute freyerer und ſo fern ſtillerer ort gegen NN. ſeye/ a- ber die ruhe unſers gemuͤths dependiret nicht von der euſſerlichen ſtille des orts/ ſondeꝛn kan auch daſſelbe an dem ſtilleſten ort gantz unꝛuhig/ an einem unmuͤßigen a- ber manchmal ſtiller ſeyn. So viel iſt nicht ohn/ daß in ihrer profeſſion an die- ſem ort ſich mehr arbeit zeigen wird. Jch bitte aber zu erwegen/ ob nicht die mehr- malige ſorgen und je weilige beaͤnſtigungen/ wie bey ſo weniger arbeit dennoch die nothdurfft zu erwerben/ ſo dann wie dieſes oder jenes des wegen in andern ſa- chen anzufangen/ der ruhe des gemuͤths mehr zu wider ſeye/ als die arbeit an ſich ſelbs d d d 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/407>, abgerufen am 22.11.2024.