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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
taten vor sie (davon doch wenig nutzen hoffe) und wo es müglich wäre/ mit stär-
ckung derjenigen/ die noch im reich beständig geblieben sind. Ausser diesen stü-
cken/ sehe nicht/ wie man sich ihrer annehmen könte/ ja ist zu sorgen/ daß mensch-
licher weiß in weniger zeit sie gar nicht mehr seyn sondern allerdings zu grunde gehen
werden. Jndessen 2. soll uns dieser kirchen/ in dero gewiß vor den meisten andern
christlichen partheyen die feinste anordnung von langer zeit gewesen/ und noch bis
dahin zimlich darüber gehalten worden (daher auch GOtt sich einen vortrofflichen
saamen darinnen erhalten hatte) fall vieles erinnern/ so wol zu bedencken/ was
uns etwa vor gleiche gerichte noch möchten bevorstehen/ denselben/ so viel müglich/
zu rechter zeit annoch vorzukommen und zu begegnen/ als auch durch die zunehmen-
de macht des pabsthums uns die augen recht öffnen zu lassen/ ob es müglich wäre/
daß unsere kirchen miteinander vereiniget würden/ vor einen mann gleichsam wi-
der das pabstthum zu stehen/ nicht zwar zu ergreiffung leiblicher waffen/ so ich wi-
derrathe/ noch viel segen davon hoffte/ sondern zur vereinigung der gemüther/ ge-
bets/ raths und anderer pflichten/ darinnen die zugleich beträngte einander zu hülff
kommen können. 3. Jn solcher vereinigung muß aber wol vorgesehen werden/
daß sie ohne verlust oder abbruch unserer wahrheit geschehe/ die uns der HErr ver-
liehen hat/ und die also werth ist/ auf alle weise beybehalten zu werden. 4. Die-
se vereinigung achte ich nicht schlechter dings unmöglich/ gleichwie die vereinigung
mit der römischen kirchen durch unterschiedene dero principia, sonderlich aber das
tridentinische concilium, unmöglich gemacht ist worden. Jn dem wir mit den
reformirten noch ein gemeines principium haben/ nemlich die schrifft/ wie sie al-
lein aus ihr selbst erkläret werden müste/ mit ausschliessung aller andern princi-
piorum,
die man jenem einigen beyzusetzen sich unterstehen wolte; sodann stehet
beyderseits das haupt-fundament des heils zwischen uns und den reformirten fest/
nemlich daß wir selig werden einig und allein durch die gnade GOttes aus dem ver-
dienst und gnugthuung JEsu Christi seines wesentlichen fohnes/ ohn einig unser o-
der eines andern werck und krafft/ durch den von GOttes Geist aus seinem wort in
uns gewirckten glauben. Dieses bekennen mit uns alle reformirte/ und setzen dar-
innen ihren grund/ aus nichts anders gerecht und selig zu werden verlangende.
Nun ists zwar an dem/ daß deroselben irrthume in ein und andern stücken diesen
grund angreiffen/ jedoch nicht gantz umstossen/ wiewol der irrthum von dem abso-
luto decreto
ihn bey diesem und jenem auch umstossen kan/ da er den glauben bey
ihm/ sonderlich in dem stand der anfechtung und mangel der empfindung/ hin-
dert oder aufhebet. 5. Solches möchte auch so viel ehe müglich gemacht werden

können/

Das ſiebende Capitel.
taten vor ſie (davon doch wenig nutzen hoffe) und wo es muͤglich waͤre/ mit ſtaͤr-
ckung derjenigen/ die noch im reich beſtaͤndig geblieben ſind. Auſſer dieſen ſtuͤ-
cken/ ſehe nicht/ wie man ſich ihrer annehmen koͤnte/ ja iſt zu ſorgen/ daß menſch-
licheꝛ weiß in weniger zeit ſie gar nicht mehꝛ ſeyn ſondern allerdings zu grunde gehen
werden. Jndeſſen 2. ſoll uns dieſer kirchen/ in dero gewiß vor den meiſten andern
chriſtlichen partheyen die feinſte anordnung von langer zeit geweſen/ und noch bis
dahin zimlich daruͤber gehalten worden (daher auch GOtt ſich einen vortrofflichen
ſaamen darinnen erhalten hatte) fall vieles erinnern/ ſo wol zu bedencken/ was
uns etwa vor gleiche gerichte noch moͤchten bevorſtehen/ denſelben/ ſo viel muͤglich/
zu rechter zeit annoch vorzukommen und zu begegnen/ als auch durch die zunehmen-
de macht des pabſthums uns die augen recht oͤffnen zu laſſen/ ob es muͤglich waͤre/
daß unſere kirchen miteinander vereiniget wuͤrden/ vor einen mann gleichſam wi-
der das pabſtthum zu ſtehen/ nicht zwar zu ergreiffung leiblicher waffen/ ſo ich wi-
derrathe/ noch viel ſegen davon hoffte/ ſondern zur vereinigung der gemuͤther/ ge-
bets/ raths und anderer pflichten/ darinnen die zugleich betraͤngte einander zu huͤlff
kommen koͤnnen. 3. Jn ſolcher vereinigung muß aber wol vorgeſehen werden/
daß ſie ohne verluſt oder abbruch unſerer wahrheit geſchehe/ die uns der HErr ver-
liehen hat/ und die alſo werth iſt/ auf alle weiſe beybehalten zu werden. 4. Die-
ſe vereinigung achte ich nicht ſchlechter dings unmoͤglich/ gleichwie die vereinigung
mit der roͤmiſchen kirchen durch unterſchiedene dero principia, ſonderlich aber das
tridentiniſche concilium, unmoͤglich gemacht iſt worden. Jn dem wir mit den
reformirten noch ein gemeines principium haben/ nemlich die ſchrifft/ wie ſie al-
lein aus ihr ſelbſt erklaͤret werden muͤſte/ mit ausſchlieſſung aller andern princi-
piorum,
die man jenem einigen beyzuſetzen ſich unterſtehen wolte; ſodann ſtehet
beyderſeits das haupt-fundament des heils zwiſchen uns und den reformirten feſt/
nemlich daß wir ſelig werden einig und allein durch die gnade GOttes aus dem ver-
dienſt und gnugthuung JEſu Chriſti ſeines weſentlichen fohnes/ ohn einig unſer o-
der eines andern werck und krafft/ durch den von GOttes Geiſt aus ſeinem wort in
uns gewirckten glauben. Dieſes bekennen mit uns alle reformirte/ und ſetzen dar-
innen ihren grund/ aus nichts anders gerecht und ſelig zu werden verlangende.
Nun iſts zwar an dem/ daß deroſelben irrthume in ein und andern ſtuͤcken dieſen
grund angreiffen/ jedoch nicht gantz umſtoſſen/ wiewol der irrthum von dem abſo-
luto decreto
ihn bey dieſem und jenem auch umſtoſſen kan/ da er den glauben bey
ihm/ ſonderlich in dem ſtand der anfechtung und mangel der empfindung/ hin-
dert oder aufhebet. 5. Solches moͤchte auch ſo viel ehe muͤglich gemacht werden

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[494/0506] Das ſiebende Capitel. taten vor ſie (davon doch wenig nutzen hoffe) und wo es muͤglich waͤre/ mit ſtaͤr- ckung derjenigen/ die noch im reich beſtaͤndig geblieben ſind. Auſſer dieſen ſtuͤ- cken/ ſehe nicht/ wie man ſich ihrer annehmen koͤnte/ ja iſt zu ſorgen/ daß menſch- licheꝛ weiß in weniger zeit ſie gar nicht mehꝛ ſeyn ſondern allerdings zu grunde gehen werden. Jndeſſen 2. ſoll uns dieſer kirchen/ in dero gewiß vor den meiſten andern chriſtlichen partheyen die feinſte anordnung von langer zeit geweſen/ und noch bis dahin zimlich daruͤber gehalten worden (daher auch GOtt ſich einen vortrofflichen ſaamen darinnen erhalten hatte) fall vieles erinnern/ ſo wol zu bedencken/ was uns etwa vor gleiche gerichte noch moͤchten bevorſtehen/ denſelben/ ſo viel muͤglich/ zu rechter zeit annoch vorzukommen und zu begegnen/ als auch durch die zunehmen- de macht des pabſthums uns die augen recht oͤffnen zu laſſen/ ob es muͤglich waͤre/ daß unſere kirchen miteinander vereiniget wuͤrden/ vor einen mann gleichſam wi- der das pabſtthum zu ſtehen/ nicht zwar zu ergreiffung leiblicher waffen/ ſo ich wi- derrathe/ noch viel ſegen davon hoffte/ ſondern zur vereinigung der gemuͤther/ ge- bets/ raths und anderer pflichten/ darinnen die zugleich betraͤngte einander zu huͤlff kommen koͤnnen. 3. Jn ſolcher vereinigung muß aber wol vorgeſehen werden/ daß ſie ohne verluſt oder abbruch unſerer wahrheit geſchehe/ die uns der HErr ver- liehen hat/ und die alſo werth iſt/ auf alle weiſe beybehalten zu werden. 4. Die- ſe vereinigung achte ich nicht ſchlechter dings unmoͤglich/ gleichwie die vereinigung mit der roͤmiſchen kirchen durch unterſchiedene dero principia, ſonderlich aber das tridentiniſche concilium, unmoͤglich gemacht iſt worden. Jn dem wir mit den reformirten noch ein gemeines principium haben/ nemlich die ſchrifft/ wie ſie al- lein aus ihr ſelbſt erklaͤret werden muͤſte/ mit ausſchlieſſung aller andern princi- piorum, die man jenem einigen beyzuſetzen ſich unterſtehen wolte; ſodann ſtehet beyderſeits das haupt-fundament des heils zwiſchen uns und den reformirten feſt/ nemlich daß wir ſelig werden einig und allein durch die gnade GOttes aus dem ver- dienſt und gnugthuung JEſu Chriſti ſeines weſentlichen fohnes/ ohn einig unſer o- der eines andern werck und krafft/ durch den von GOttes Geiſt aus ſeinem wort in uns gewirckten glauben. Dieſes bekennen mit uns alle reformirte/ und ſetzen dar- innen ihren grund/ aus nichts anders gerecht und ſelig zu werden verlangende. Nun iſts zwar an dem/ daß deroſelben irrthume in ein und andern ſtuͤcken dieſen grund angreiffen/ jedoch nicht gantz umſtoſſen/ wiewol der irrthum von dem abſo- luto decreto ihn bey dieſem und jenem auch umſtoſſen kan/ da er den glauben bey ihm/ ſonderlich in dem ſtand der anfechtung und mangel der empfindung/ hin- dert oder aufhebet. 5. Solches moͤchte auch ſo viel ehe muͤglich gemacht werden koͤnnen/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/506>, abgerufen am 22.11.2024.