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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
gen gemeinschafft des glaubens mit uns stehen. 6. Setze ich noch dieses dar-
zu/ daß die irrthume der reformirten alle mehr in der theorie bestehen/ und
in die praxin nicht dermassen/ wie bey den papisten/ mit dero vielem aber-
gläubischen und abgöttischen dienst geschiehet/ sich ergiessen. Vielmehr was
wir lutherische lehren in dem gottesdienst zu thun/ und auch in dem leben zu
üben/ eben dasjenige/ was die sache selbst anlangt/ wird der reformirte auch er-
fordern. Wo aber einiges in die praxin lauffet/ geschiehet es durch dergleichen
consequenzen, welche theils von ihren lehrern selbst nicht erkant/ theils von den
übrigen gliedern der kirchen nicht begriffen werden. Bey dieser bewandnüß aber
ist einmal zwar keine einigkeit noch unter der kirchen/ aber die vereinigung nicht so
unmüglich. 7. Die art anlangend/ bin ich von langer zeit in den gedancken gewe-
sen/ es solte dieses heilsame werck am besten geschehen können/ wo GOTT nach
seinem rath die hertzen der könige eines theils in Schweden und Dännemarck/ an-
dern theils in Engelland dahin gerühret hätte/ es anzugreiffen/ u. beyderseits gründ-
lich gelehrte der wahrheit beflissene/ und gleichwol auch friedfertige theologos zu-
sammen zusetzen/ und zu versuchen/ wie weit in der sache auszulangen wäre; eines
theils weil unter solchen reichen/ kirchen und theologis noch niemal streitschrifften
gewechselt oder die gemüther gegen einander erhitzet worden; andern theils weil
die engellische kirche ohn das uns am allernechsten (wie in der vierten frag wol prae-
supponiret
wird) indem sonderlich jetzo die bischoffe und also offentliche engellische
(so den nonconformisten und so bresbyterianern als independenten entgegen
stehet) von dem absoluto decreto gantz werden abgetreten seyn/ und mit den re-
monstranten
(da ich auch hoffen will/ solches solle von den quinque articulari-
bus,
nicht aber episcopianis und semisocinianis zu verstehen seyn) daher folglich
fast gantz in solchem articul mit uns einstimmen: so weiß ich auch aus dem mun-
de eines gelehrten und nun in vornehmer würde und ansehen stehenden theologi,
so sich in Engelland eine gute zeit aufgehalten/ daß derselbe auch so gar in dem
articul von dem heiligen abendmahl mit einem vortrefflichen theologo in En-
gelland conferiret, und solche bekäntnüß endlich von ihm bekommen/ daß er sagte/
nichts mehr daran desideriren zu können: hierzu setze billig/ daß als lang die frantzö-
sische kirche noch gestanden/ so mit der engellischen die genauste verbindung gehabt/
zu hoffen gewesen/ so bald diese mit uns vereiniget worden/ jene stracks gefolget/ und
also das meiste der reformirten kirche uns zugesellet worden wäre. Jn teutschland a-
ber die sache erst anzufangen/ hätte stets vor schwerer geachtet/ nachdem die gemüther
durch viele streitschrifften/ u. andere verunwilligungen längst gegen einander zimlich
erbittert sind/ in welchem zustand so viel nicht auszurichten. Jndessen würde nach ge-

won-

Das ſiebende Capitel.
gen gemeinſchafft des glaubens mit uns ſtehen. 6. Setze ich noch dieſes dar-
zu/ daß die irrthume der reformirten alle mehr in der theorie beſtehen/ und
in die praxin nicht dermaſſen/ wie bey den papiſten/ mit dero vielem aber-
glaͤubiſchen und abgoͤttiſchen dienſt geſchiehet/ ſich ergieſſen. Vielmehr was
wir lutheriſche lehren in dem gottesdienſt zu thun/ und auch in dem leben zu
uͤben/ eben dasjenige/ was die ſache ſelbſt anlangt/ wird der reformirte auch er-
fordern. Wo aber einiges in die praxin lauffet/ geſchiehet es durch dergleichen
conſequenzen, welche theils von ihren lehrern ſelbſt nicht erkant/ theils von den
uͤbrigen gliedern der kirchen nicht begriffen werden. Bey dieſer bewandnuͤß aber
iſt einmal zwar keine einigkeit noch unter der kirchen/ aber die vereinigung nicht ſo
unmuͤglich. 7. Die art anlangend/ bin ich von langer zeit in den gedancken gewe-
ſen/ es ſolte dieſes heilſame werck am beſten geſchehen koͤnnen/ wo GOTT nach
ſeinem rath die hertzen der koͤnige eines theils in Schweden und Daͤnnemarck/ an-
dern theils in Engelland dahin geruͤhret haͤtte/ es anzugreiffen/ u. beyderſeits gruͤnd-
lich gelehrte der wahrheit befliſſene/ und gleichwol auch friedfertige theologos zu-
ſammen zuſetzen/ und zu verſuchen/ wie weit in der ſache auszulangen waͤre; eines
theils weil unter ſolchen reichen/ kirchen und theologis noch niemal ſtreitſchrifften
gewechſelt oder die gemuͤther gegen einander erhitzet worden; andern theils weil
die engelliſche kirche ohn das uns am allernechſten (wie in der vierten frag wol præ-
ſupponiret
wird) indem ſonderlich jetzo die biſchoffe und alſo offentliche engelliſche
(ſo den nonconformiſten und ſo bresbyterianern als independenten entgegen
ſtehet) von dem abſoluto decreto gantz werden abgetreten ſeyn/ und mit den re-
monſtranten
(da ich auch hoffen will/ ſolches ſolle von den quinque articulari-
bus,
nicht aber epiſcopianis und ſemiſocinianis zu verſtehen ſeyn) daher folglich
faſt gantz in ſolchem articul mit uns einſtimmen: ſo weiß ich auch aus dem mun-
de eines gelehrten und nun in vornehmer wuͤrde und anſehen ſtehenden theologi,
ſo ſich in Engelland eine gute zeit aufgehalten/ daß derſelbe auch ſo gar in dem
articul von dem heiligen abendmahl mit einem vortrefflichen theologo in En-
gelland conferiret, und ſolche bekaͤntnuͤß endlich von ihm bekommen/ daß er ſagte/
nichts mehr daran deſideriren zu koͤnnen: hierzu ſetze billig/ daß als lang die frantzoͤ-
ſiſche kirche noch geſtanden/ ſo mit der engelliſchen die genauſte verbindung gehabt/
zu hoffen geweſen/ ſo bald dieſe mit uns vereiniget worden/ jene ſtracks gefolget/ und
alſo das meiſte der reformirten kirche uns zugeſellet worden waͤre. Jn teutſchland a-
ber die ſache erſt anzufangen/ haͤtte ſtets vor ſchwereꝛ geachtet/ nachdem die gemuͤtheꝛ
durch viele ſtreitſchrifften/ u. andere verunwilligungen laͤngſt gegen einander zimlich
erbittert ſind/ in welchem zuſtand ſo viel nicht auszurichten. Jndeſſen wuͤrde nach ge-

won-
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[496/0508] Das ſiebende Capitel. gen gemeinſchafft des glaubens mit uns ſtehen. 6. Setze ich noch dieſes dar- zu/ daß die irrthume der reformirten alle mehr in der theorie beſtehen/ und in die praxin nicht dermaſſen/ wie bey den papiſten/ mit dero vielem aber- glaͤubiſchen und abgoͤttiſchen dienſt geſchiehet/ ſich ergieſſen. Vielmehr was wir lutheriſche lehren in dem gottesdienſt zu thun/ und auch in dem leben zu uͤben/ eben dasjenige/ was die ſache ſelbſt anlangt/ wird der reformirte auch er- fordern. Wo aber einiges in die praxin lauffet/ geſchiehet es durch dergleichen conſequenzen, welche theils von ihren lehrern ſelbſt nicht erkant/ theils von den uͤbrigen gliedern der kirchen nicht begriffen werden. Bey dieſer bewandnuͤß aber iſt einmal zwar keine einigkeit noch unter der kirchen/ aber die vereinigung nicht ſo unmuͤglich. 7. Die art anlangend/ bin ich von langer zeit in den gedancken gewe- ſen/ es ſolte dieſes heilſame werck am beſten geſchehen koͤnnen/ wo GOTT nach ſeinem rath die hertzen der koͤnige eines theils in Schweden und Daͤnnemarck/ an- dern theils in Engelland dahin geruͤhret haͤtte/ es anzugreiffen/ u. beyderſeits gruͤnd- lich gelehrte der wahrheit befliſſene/ und gleichwol auch friedfertige theologos zu- ſammen zuſetzen/ und zu verſuchen/ wie weit in der ſache auszulangen waͤre; eines theils weil unter ſolchen reichen/ kirchen und theologis noch niemal ſtreitſchrifften gewechſelt oder die gemuͤther gegen einander erhitzet worden; andern theils weil die engelliſche kirche ohn das uns am allernechſten (wie in der vierten frag wol præ- ſupponiret wird) indem ſonderlich jetzo die biſchoffe und alſo offentliche engelliſche (ſo den nonconformiſten und ſo bresbyterianern als independenten entgegen ſtehet) von dem abſoluto decreto gantz werden abgetreten ſeyn/ und mit den re- monſtranten (da ich auch hoffen will/ ſolches ſolle von den quinque articulari- bus, nicht aber epiſcopianis und ſemiſocinianis zu verſtehen ſeyn) daher folglich faſt gantz in ſolchem articul mit uns einſtimmen: ſo weiß ich auch aus dem mun- de eines gelehrten und nun in vornehmer wuͤrde und anſehen ſtehenden theologi, ſo ſich in Engelland eine gute zeit aufgehalten/ daß derſelbe auch ſo gar in dem articul von dem heiligen abendmahl mit einem vortrefflichen theologo in En- gelland conferiret, und ſolche bekaͤntnuͤß endlich von ihm bekommen/ daß er ſagte/ nichts mehr daran deſideriren zu koͤnnen: hierzu ſetze billig/ daß als lang die frantzoͤ- ſiſche kirche noch geſtanden/ ſo mit der engelliſchen die genauſte verbindung gehabt/ zu hoffen geweſen/ ſo bald dieſe mit uns vereiniget worden/ jene ſtracks gefolget/ und alſo das meiſte der reformirten kirche uns zugeſellet worden waͤre. Jn teutſchland a- ber die ſache erſt anzufangen/ haͤtte ſtets vor ſchwereꝛ geachtet/ nachdem die gemuͤtheꝛ durch viele ſtreitſchrifften/ u. andere verunwilligungen laͤngſt gegen einander zimlich erbittert ſind/ in welchem zuſtand ſo viel nicht auszurichten. Jndeſſen wuͤrde nach ge- won-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/508>, abgerufen am 22.11.2024.