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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO IX.
men werden, und vielen verstand finden. Jst ein stück dessen, das wir noch
zu erwarten haben, aber immer demselben näher kommen.
3. Daß 2. Thess. 2 auf die frage antworte: ob die zukunfft des HErrn
damal zu erwarten gewesen seye oder nicht, bekenne ich gern, und also wird
decisive geantwortet, daß der tag des HErrn damal noch nicht kommen sol-
te, weil dis und jenes noch nicht geschehen, das gleichwol vorher geschehen
mußte, daß aber Paulus daselbs alle zeichen, die vor dem jüngsten tag zu er-
warten seyen, erzehlet oder habe erzehlen sollen, daß demnach wann die von
ihm erzehlte erfüllet, nichts mehr zu erwarten wäre, gestehe ich nicht. 1. Die
wort bringens nicht mit 2. Der zweck der antwort erforderte es auch nicht,
als welchem genug geschehen, wann nun die Thessalonicher wüßten, daß um
einer ursach willen sie des tags noch nicht erwarten dörfften: also bedurfften
sie nicht alle übrige zeichen dißmal zu wissen. 3. Jsts wider die übrige schrifft,
in dem die schrifft anderwertlich, und auch Paulus selbs, noch anderer dinge
meldung thut, die vor dem ende der welt geschehen müßten, die er hie nicht
austruckt. Zu geschweigen, 4. daß auch aus solchem loco gegen die nähe
des letzten gerichts, also geschlossen werden kan. Paulus setzt drey gra-
dus 1.
der Antichrist solle geoffenbahret, 2. umgebracht. 3. sein ein ende ge-
macht werden. Davon ist erst das erste geschehen. Das zweyte ist noch nicht
voll erfüllet: Jn dem die wenige lande, die ihm durch die reformation ent-
zogen, noch nicht genug sind, daß es heisse, er sey umgebracht, sondern
sein leben ist noch starck. Also kommts noch nicht an das dritte: folglich
auch noch nicht an das letzte gericht.
4. Jch bekenne gern, daß es nicht rathsam seye, bis an das ende der
welt, gleich den Juden, auf etwas ungewisses zu warten, ich heisse es auch
keinen. Aber daß wir des jenigen warten, was Christus uns durch die
schrifft gewiß lassen offenbahren, heisset nicht auf ungewisses warten. Und
welche ehre ich göttlichem wort an einem ort, als 2. Thess. 2. zu tragen schuldig
bin, nemlich daß ich es glaube, und darauf warte, solche bin ich ihm auch
an andern stellen eben so wol schuldig; denn es ist alles von einem geist
eingegeben, und ich auf einen ort so wol als den andern gewiesen: So
müssen die klare sprüche die wir darvor erkennen, so wenig den andern ent-
gegen stehen/ als jene durch diese in zweiffel gezogen werden. Die schrifft ist
eine durchgehende harmonia.
5. Daß wir keinen bessern zustand oder besserung zu hoffen haben, ist
das krinomenon. Jch halte es vor falsch und versehe mich aus GOttes ver-
heissung in einigen dingen einer besserung und doch glaube ich Christo, daß
die allerletzten zeiten werden grosse noth mit sich bringen, aber diese muß
erst
ARTIC. I. SECTIO IX.
men werden, und vielen verſtand finden. Jſt ein ſtuͤck deſſen, das wir noch
zu erwarten haben, aber immer demſelben naͤher kommen.
3. Daß 2. Theſſ. 2 auf die frage antworte: ob die zukunfft des HErrn
damal zu erwarten geweſen ſeye oder nicht, bekenne ich gern, und alſo wird
deciſive geantwortet, daß der tag des HErrn damal noch nicht kommen ſol-
te, weil dis und jenes noch nicht geſchehen, das gleichwol vorher geſchehen
mußte, daß aber Paulus daſelbs alle zeichen, die vor dem juͤngſten tag zu er-
warten ſeyen, erzehlet oder habe erzehlen ſollen, daß demnach wann die von
ihm erzehlte erfuͤllet, nichts mehr zu erwarten waͤre, geſtehe ich nicht. 1. Die
wort bringens nicht mit 2. Der zweck der antwort erforderte es auch nicht,
als welchem genug geſchehen, wann nun die Theſſalonicher wuͤßten, daß um
einer urſach willen ſie des tags noch nicht erwarten doͤrfften: alſo bedurfften
ſie nicht alle uͤbrige zeichen dißmal zu wiſſen. 3. Jſts wider die uͤbrige ſchrifft,
in dem die ſchrifft anderwertlich, und auch Paulus ſelbs, noch anderer dinge
meldung thut, die vor dem ende der welt geſchehen muͤßten, die er hie nicht
austruckt. Zu geſchweigen, 4. daß auch aus ſolchem loco gegen die naͤhe
des letzten gerichts, alſo geſchloſſen werden kan. Paulus ſetzt drey gra-
dus 1.
der Antichriſt ſolle geoffenbahret, 2. umgebracht. 3. ſein ein ende ge-
macht werden. Davon iſt erſt das eꝛſte geſchehen. Das zweyte iſt noch nicht
voll erfuͤllet: Jn dem die wenige lande, die ihm durch die reformation ent-
zogen, noch nicht genug ſind, daß es heiſſe, er ſey umgebracht, ſondern
ſein leben iſt noch ſtarck. Alſo kommts noch nicht an das dritte: folglich
auch noch nicht an das letzte gericht.
4. Jch bekenne gern, daß es nicht rathſam ſeye, bis an das ende der
welt, gleich den Juden, auf etwas ungewiſſes zu warten, ich heiſſe es auch
keinen. Aber daß wir des jenigen warten, was Chriſtus uns durch die
ſchrifft gewiß laſſen offenbahren, heiſſet nicht auf ungewiſſes warten. Und
welche ehre ich goͤttlichem wort an einem ort, als 2. Theſſ. 2. zu tꝛagen ſchuldig
bin, nemlich daß ich es glaube, und darauf warte, ſolche bin ich ihm auch
an andern ſtellen eben ſo wol ſchuldig; denn es iſt alles von einem geiſt
eingegeben, und ich auf einen ort ſo wol als den andern gewieſen: So
muͤſſen die klare ſpruͤche die wir darvor erkennen, ſo wenig den andern ent-
gegen ſtehen/ als jene durch dieſe in zweiffel gezogen werden. Die ſchrifft iſt
eine durchgehende harmonia.
5. Daß wir keinen beſſern zuſtand oder beſſerung zu hoffen haben, iſt
das ϰρινόμενον. Jch halte es vor falſch und verſehe mich aus GOttes ver-
heiſſung in einigen dingen einer beſſerung und doch glaube ich Chriſto, daß
die allerletzten zeiten werden groſſe noth mit ſich bringen, aber dieſe muß
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[39/0051] ARTIC. I. SECTIO IX. men werden, und vielen verſtand finden. Jſt ein ſtuͤck deſſen, das wir noch zu erwarten haben, aber immer demſelben naͤher kommen. 3. Daß 2. Theſſ. 2 auf die frage antworte: ob die zukunfft des HErrn damal zu erwarten geweſen ſeye oder nicht, bekenne ich gern, und alſo wird deciſive geantwortet, daß der tag des HErrn damal noch nicht kommen ſol- te, weil dis und jenes noch nicht geſchehen, das gleichwol vorher geſchehen mußte, daß aber Paulus daſelbs alle zeichen, die vor dem juͤngſten tag zu er- warten ſeyen, erzehlet oder habe erzehlen ſollen, daß demnach wann die von ihm erzehlte erfuͤllet, nichts mehr zu erwarten waͤre, geſtehe ich nicht. 1. Die wort bringens nicht mit 2. Der zweck der antwort erforderte es auch nicht, als welchem genug geſchehen, wann nun die Theſſalonicher wuͤßten, daß um einer urſach willen ſie des tags noch nicht erwarten doͤrfften: alſo bedurfften ſie nicht alle uͤbrige zeichen dißmal zu wiſſen. 3. Jſts wider die uͤbrige ſchrifft, in dem die ſchrifft anderwertlich, und auch Paulus ſelbs, noch anderer dinge meldung thut, die vor dem ende der welt geſchehen muͤßten, die er hie nicht austruckt. Zu geſchweigen, 4. daß auch aus ſolchem loco gegen die naͤhe des letzten gerichts, alſo geſchloſſen werden kan. Paulus ſetzt drey gra- dus 1. der Antichriſt ſolle geoffenbahret, 2. umgebracht. 3. ſein ein ende ge- macht werden. Davon iſt erſt das eꝛſte geſchehen. Das zweyte iſt noch nicht voll erfuͤllet: Jn dem die wenige lande, die ihm durch die reformation ent- zogen, noch nicht genug ſind, daß es heiſſe, er ſey umgebracht, ſondern ſein leben iſt noch ſtarck. Alſo kommts noch nicht an das dritte: folglich auch noch nicht an das letzte gericht. 4. Jch bekenne gern, daß es nicht rathſam ſeye, bis an das ende der welt, gleich den Juden, auf etwas ungewiſſes zu warten, ich heiſſe es auch keinen. Aber daß wir des jenigen warten, was Chriſtus uns durch die ſchrifft gewiß laſſen offenbahren, heiſſet nicht auf ungewiſſes warten. Und welche ehre ich goͤttlichem wort an einem ort, als 2. Theſſ. 2. zu tꝛagen ſchuldig bin, nemlich daß ich es glaube, und darauf warte, ſolche bin ich ihm auch an andern ſtellen eben ſo wol ſchuldig; denn es iſt alles von einem geiſt eingegeben, und ich auf einen ort ſo wol als den andern gewieſen: So muͤſſen die klare ſpruͤche die wir darvor erkennen, ſo wenig den andern ent- gegen ſtehen/ als jene durch dieſe in zweiffel gezogen werden. Die ſchrifft iſt eine durchgehende harmonia. 5. Daß wir keinen beſſern zuſtand oder beſſerung zu hoffen haben, iſt das ϰρινόμενον. Jch halte es vor falſch und verſehe mich aus GOttes ver- heiſſung in einigen dingen einer beſſerung und doch glaube ich Chriſto, daß die allerletzten zeiten werden groſſe noth mit ſich bringen, aber dieſe muß erſt

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/51>, abgerufen am 28.11.2024.