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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXXIII.
schmecken giebet: Welche freude wol grösser ist als alles/ was die thörichte welt
vor freude achtet. Dahero gewiß/ daß aus solcher lehr und dero ernstlichem
treiben niemalen etwas böses entstehen kan/ sondern wo es also schiene/ würde es
ein mißbrauch seyn/ der sich auch bey den allerbesten dingen einschleichen könte/ hin-
gegen sorgfältig zu verhüten/ nicht aber das gute darum zu unterlassen ist. Wir
sind uns unser unvollkommenheit gantz wol bewust/ und weiß ich niemand/ der sich
weiter kommen zu seyn einbildete/ als daß wir junge kinder seyn ist CHRJSTO.
Jedoch trachten wir nach der vollkommenheit/ damit wir nicht immer möchten kin-
der bleiben: wie die schrifft auch pfleget dasjenige eine vollkommenheit zu nennen/
wo wir nunmehr zunehmen in dem werck des HERRN/ ob wol die höchste vollkom-
menheit/ daß man nicht mehr weiter vollkommen werden könte/ in jenes leben ver-
sparet bleibet. Daß nun diese lehr so hefftig verlästert wird/ wundere ich mich
gantz nicht/ massen es unmüglich ist/ daß die welt dieselbe leiden könte: sie ist CHri-
sto zuwider/ und also auch seiner lehr/ so kan der teufel nichts weniger leiden/ als
womit ihm sein reich kräfftig angegriffen wird. Er wirds wol tragen können/ daß
wir lehren und glauben/ der glaube mache allein selig/ so lange er noch die leute in
der blindheit erhalten kan/ daß sie dasjenige noch bey sich vor glauben halten/ was
doch nichts als sein/ des satans/ gespenst in ihnen ist: aber wo er siehet/ daß den
leuten die augen wollen aufgehen/ zu erkennen/ was wahrer glaube oder fleischli-
che sicherheit seye/ da ists nicht müglich/ daß er solte ruhen können/ dann es gehet
ihm an das hertz. Daher ich nicht allein dergleichen calumnien in der krafft des
HERRN getrost aufnehme/ sondern mich auch auf schwere widerwertigkeiten
und etwa verfolgungen gefaßt mache. Der HERR HERR gebe uns allen gna-
de/ daß wir es vor eine gnade erkennen/ wie es in der that ist/ nicht nur allein an
seinen namen zu glauben/ sondern auch um desselben willen zu leiden. Lasset uns
indessen hertzlich vor einander beten/ und dem HERREN seine und unsre sache
empfehlen. Daß venerandi Theologi Tübingenses annoch eine so hertzlich
und christliche meinung von mir und meiner sache haben/ so ich auch anderwär-
tig her verstanden/ freut mich von hertzen/ und dancke GOTT und ihnen davor.
Der grosse GOTT erhalte sie seiner kirchen lang/ und lasse sie ferner theure werck-
zeuge seiner gnade bleiben!

SECTIO
IV. Theil. t t t

ARTIC. IV. SECTIO XXXIII.
ſchmecken giebet: Welche freude wol groͤſſer iſt als alles/ was die thoͤrichte welt
vor freude achtet. Dahero gewiß/ daß aus ſolcher lehr und dero ernſtlichem
treiben niemalen etwas boͤſes entſtehen kan/ ſondern wo es alſo ſchiene/ wuͤrde es
ein mißbrauch ſeyn/ der ſich auch bey den allerbeſten dingen einſchleichen koͤnte/ hin-
gegen ſorgfaͤltig zu verhuͤten/ nicht aber das gute darum zu unterlaſſen iſt. Wir
ſind uns unſer unvollkommenheit gantz wol bewuſt/ und weiß ich niemand/ der ſich
weiter kommen zu ſeyn einbildete/ als daß wir junge kinder ſeyn iſt CHRJSTO.
Jedoch trachten wir nach der vollkommenheit/ damit wir nicht immer moͤchten kin-
der bleiben: wie die ſchrifft auch pfleget dasjenige eine vollkommenheit zu nennen/
wo wir nunmehr zunehmen in dem werck des HERRN/ ob wol die hoͤchſte vollkom-
menheit/ daß man nicht mehr weiter vollkommen werden koͤnte/ in jenes leben ver-
ſparet bleibet. Daß nun dieſe lehr ſo hefftig verlaͤſtert wird/ wundere ich mich
gantz nicht/ maſſen es unmuͤglich iſt/ daß die welt dieſelbe leiden koͤnte: ſie iſt CHri-
ſto zuwider/ und alſo auch ſeiner lehr/ ſo kan der teufel nichts weniger leiden/ als
womit ihm ſein reich kraͤfftig angegriffen wird. Er wirds wol tragen koͤnnen/ daß
wir lehren und glauben/ der glaube mache allein ſelig/ ſo lange er noch die leute in
der blindheit erhalten kan/ daß ſie dasjenige noch bey ſich vor glauben halten/ was
doch nichts als ſein/ des ſatans/ geſpenſt in ihnen iſt: aber wo er ſiehet/ daß den
leuten die augen wollen aufgehen/ zu erkennen/ was wahrer glaube oder fleiſchli-
che ſicherheit ſeye/ da iſts nicht muͤglich/ daß er ſolte ruhen koͤnnen/ dann es gehet
ihm an das hertz. Daher ich nicht allein dergleichen calumnien in der krafft des
HERRN getroſt aufnehme/ ſondern mich auch auf ſchwere widerwertigkeiten
und etwa verfolgungen gefaßt mache. Der HERR HERR gebe uns allen gna-
de/ daß wir es vor eine gnade erkennen/ wie es in der that iſt/ nicht nur allein an
ſeinen namen zu glauben/ ſondern auch um deſſelben willen zu leiden. Laſſet uns
indeſſen hertzlich vor einander beten/ und dem HERREN ſeine und unſre ſache
empfehlen. Daß venerandi Theologi Tübingenſes annoch eine ſo hertzlich
und chriſtliche meinung von mir und meiner ſache haben/ ſo ich auch anderwaͤr-
tig her verſtanden/ freut mich von hertzen/ und dancke GOTT und ihnen davor.
Der groſſe GOTT erhalte ſie ſeiner kirchen lang/ und laſſe ſie ferner theure werck-
zeuge ſeiner gnade bleiben!

SECTIO
IV. Theil. t t t
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[513/0525] ARTIC. IV. SECTIO XXXIII. ſchmecken giebet: Welche freude wol groͤſſer iſt als alles/ was die thoͤrichte welt vor freude achtet. Dahero gewiß/ daß aus ſolcher lehr und dero ernſtlichem treiben niemalen etwas boͤſes entſtehen kan/ ſondern wo es alſo ſchiene/ wuͤrde es ein mißbrauch ſeyn/ der ſich auch bey den allerbeſten dingen einſchleichen koͤnte/ hin- gegen ſorgfaͤltig zu verhuͤten/ nicht aber das gute darum zu unterlaſſen iſt. Wir ſind uns unſer unvollkommenheit gantz wol bewuſt/ und weiß ich niemand/ der ſich weiter kommen zu ſeyn einbildete/ als daß wir junge kinder ſeyn iſt CHRJSTO. Jedoch trachten wir nach der vollkommenheit/ damit wir nicht immer moͤchten kin- der bleiben: wie die ſchrifft auch pfleget dasjenige eine vollkommenheit zu nennen/ wo wir nunmehr zunehmen in dem werck des HERRN/ ob wol die hoͤchſte vollkom- menheit/ daß man nicht mehr weiter vollkommen werden koͤnte/ in jenes leben ver- ſparet bleibet. Daß nun dieſe lehr ſo hefftig verlaͤſtert wird/ wundere ich mich gantz nicht/ maſſen es unmuͤglich iſt/ daß die welt dieſelbe leiden koͤnte: ſie iſt CHri- ſto zuwider/ und alſo auch ſeiner lehr/ ſo kan der teufel nichts weniger leiden/ als womit ihm ſein reich kraͤfftig angegriffen wird. Er wirds wol tragen koͤnnen/ daß wir lehren und glauben/ der glaube mache allein ſelig/ ſo lange er noch die leute in der blindheit erhalten kan/ daß ſie dasjenige noch bey ſich vor glauben halten/ was doch nichts als ſein/ des ſatans/ geſpenſt in ihnen iſt: aber wo er ſiehet/ daß den leuten die augen wollen aufgehen/ zu erkennen/ was wahrer glaube oder fleiſchli- che ſicherheit ſeye/ da iſts nicht muͤglich/ daß er ſolte ruhen koͤnnen/ dann es gehet ihm an das hertz. Daher ich nicht allein dergleichen calumnien in der krafft des HERRN getroſt aufnehme/ ſondern mich auch auf ſchwere widerwertigkeiten und etwa verfolgungen gefaßt mache. Der HERR HERR gebe uns allen gna- de/ daß wir es vor eine gnade erkennen/ wie es in der that iſt/ nicht nur allein an ſeinen namen zu glauben/ ſondern auch um deſſelben willen zu leiden. Laſſet uns indeſſen hertzlich vor einander beten/ und dem HERREN ſeine und unſre ſache empfehlen. Daß venerandi Theologi Tübingenſes annoch eine ſo hertzlich und chriſtliche meinung von mir und meiner ſache haben/ ſo ich auch anderwaͤr- tig her verſtanden/ freut mich von hertzen/ und dancke GOTT und ihnen davor. Der groſſe GOTT erhalte ſie ſeiner kirchen lang/ und laſſe ſie ferner theure werck- zeuge ſeiner gnade bleiben! SECTIO IV. Theil. t t t

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/525>, abgerufen am 22.11.2024.