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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXXIX.
ihr haupt-studium zu seyn ihnen gleich anfangs gezeiget würde (wie es hingegen
sch ade ist/ daß ich mit studiosis theologiae geredet/ die unterschiedliche jahr auf
academien gelebet/ und nicht ein einiges collegium über ein librum biblicum
gehalten/ oder nur von einem solchen/ daß eins gehalten würde/ gehöret hatten/
ja nicht die geringste anleitung empfangen/ wie sie die schrifft mit nutzen ihres studii
lesen solten: komts hoch/ so hält man collegia oder lectionnes über die loca diffi-
ciliora
und sonderlich controversa, welche den meisten etwa die tage ihres lebens
nicht viel nutzen werden/ denen nützlicher gewesen/ in einem oder andern libro
biblico
geübt zu werden; die nicht anzeigen/ wie mit einem text umzugehen/ wie die
collatio antecedentium & consequentium & parallelorum geschehen müsse/
wie die fructus, usus und anders dergleichen heraus zu ziehen/ und anderes/ diesen
gemässes/ was ihnen nachmal in ihrem amt das gantze leben durch/ so wol in pre-
digten/ als anderen verrichtungen nutzen würde) nachmal sie so wol zu der praxi
des wahren christenthums beweglich angemahnet/ als auf sie acht gegeben/ die
hoffnung ihrer promotion solcher condition angehänget/ aber auch von den pro-
fessoribus
selbst vorgeleuchtet/ und alles/ was an denselben von geitz/ ehrsucht/
welt-liebe und dergleichen ärgerliches seyn möchte/ abgeschaffet würde/ weil son-
sten die bösen exempel alles übrige zu schlagen pflegen. Jch habe vor dem einen
kleinen aufsatz gemachet/ wie ein collegium Pietatis von einem christlichen pro-
fessore
auf einer universität möchte nützlich angestellet werden/ darüber drey
christliche freunde ihre observationes und animadversiones mir communiciret.
Solte es beliebig seyn/ wolte solches abgeschrieben zu dero censur auch schicken. Jch
unternehme mich nicht/ diejenigen zu lehren/ die an statt meiner praeceptorum si-
tzen. Jedoch mag auch ein wenig erfahrner offt nicht ohne nutzen einigen vor-
schlag thun/ den die verständigere alsdann zu beurtheilen und zu verbessern haben.
Jch sorge aber/ etwas dergleichen zu introduciren wird deswegen schwer:
Es muß ein solcher professor sobald bey solcher sache sich resolviren, eine gewal-
tige invidiam novitatis, anderer hasse und übele nachreden/ wol gar verdacht fal-
scher lehr und gefährlicher machinationen, auf sich mit gedult zu nehmen/ und et-
was vor die ehre des HErrn zu wagen: Hingegen dörffte wol die erfahrung zei-
gen/ daß derjenigen wenig sich finden möchten/ welche ihre gute habende reputa-
tion
unter den gelehrten in die schantz zu schlagen bereit wären/ etwas zu thun/
wovon zwar die studirende jugend grossen nutzen haben würde/ sie hingegen nicht
viel anders/ als ungemach und verlust ihrer renommee zu erwarten hätten.
Jch weiß/ wie es bey einigen gelautet/ wo man mit ihnen von der materie gere-
det: wie man die hohe nutzbarkeit und nothdurfft erkant/ aber hand anzule-

gen
IV. Theil. x x x

ARTIC. IV. SECTIO XXXIX.
ihr haupt-ſtudium zu ſeyn ihnen gleich anfangs gezeiget wuͤrde (wie es hingegen
ſch ade iſt/ daß ich mit ſtudioſis theologiæ geredet/ die unterſchiedliche jahr auf
academien gelebet/ und nicht ein einiges collegium uͤber ein librum biblicum
gehalten/ oder nur von einem ſolchen/ daß eins gehalten wuͤrde/ gehoͤret hatten/
ja nicht die geringſte anleitung empfangen/ wie ſie die ſchrifft mit nutzen ihres ſtudii
leſen ſolten: komts hoch/ ſo haͤlt man collegia oder lection̄es uͤber die loca diffi-
ciliora
und ſonderlich controverſa, welche den meiſten etwa die tage ihres lebens
nicht viel nutzen werden/ denen nuͤtzlicher geweſen/ in einem oder andern libro
biblico
geuͤbt zu werden; die nicht anzeigen/ wie mit einem text umzugehen/ wie die
collatio antecedentium & conſequentium & parallelorum geſchehen muͤſſe/
wie die fructus, uſus und anders dergleichen heraus zu ziehen/ und anderes/ dieſen
gemaͤſſes/ was ihnen nachmal in ihrem amt das gantze leben durch/ ſo wol in pre-
digten/ als anderen verrichtungen nutzen wuͤrde) nachmal ſie ſo wol zu der praxi
des wahren chriſtenthums beweglich angemahnet/ als auf ſie acht gegeben/ die
hoffnung ihrer promotion ſolcher condition angehaͤnget/ aber auch von den pro-
feſſoribus
ſelbſt vorgeleuchtet/ und alles/ was an denſelben von geitz/ ehrſucht/
welt-liebe und dergleichen aͤrgerliches ſeyn moͤchte/ abgeſchaffet wuͤrde/ weil ſon-
ſten die boͤſen exempel alles uͤbrige zu ſchlagen pflegen. Jch habe vor dem einen
kleinen aufſatz gemachet/ wie ein collegium Pietatis von einem chriſtlichen pro-
feſſore
auf einer univerſitaͤt moͤchte nuͤtzlich angeſtellet werden/ daruͤber drey
chriſtliche freunde ihre obſervationes und animadverſiones mir communiciret.
Solte es beliebig ſeyn/ wolte ſolches abgeſchrieben zu dero cenſur auch ſchicken. Jch
unternehme mich nicht/ diejenigen zu lehren/ die an ſtatt meiner præceptorum ſi-
tzen. Jedoch mag auch ein wenig erfahrner offt nicht ohne nutzen einigen vor-
ſchlag thun/ den die verſtaͤndigere alsdann zu beurtheilen und zu verbeſſern haben.
Jch ſorge aber/ etwas dergleichen zu introduciren wird deswegen ſchwer:
Es muß ein ſolcher profeſſor ſobald bey ſolcher ſache ſich reſolviren, eine gewal-
tige invidiam novitatis, anderer haſſe und uͤbele nachreden/ wol gar verdacht fal-
ſcher lehr und gefaͤhrlicher machinationen, auf ſich mit gedult zu nehmen/ und et-
was vor die ehre des HErrn zu wagen: Hingegen doͤrffte wol die erfahrung zei-
gen/ daß derjenigen wenig ſich finden moͤchten/ welche ihre gute habende reputa-
tion
unter den gelehrten in die ſchantz zu ſchlagen bereit waͤren/ etwas zu thun/
wovon zwar die ſtudirende jugend groſſen nutzen haben wuͤrde/ ſie hingegen nicht
viel anders/ als ungemach und verluſt ihrer renommée zu erwarten haͤtten.
Jch weiß/ wie es bey einigen gelautet/ wo man mit ihnen von der materie gere-
det: wie man die hohe nutzbarkeit und nothdurfft erkant/ aber hand anzule-

gen
IV. Theil. x x x
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[529/0541] ARTIC. IV. SECTIO XXXIX. ihr haupt-ſtudium zu ſeyn ihnen gleich anfangs gezeiget wuͤrde (wie es hingegen ſch ade iſt/ daß ich mit ſtudioſis theologiæ geredet/ die unterſchiedliche jahr auf academien gelebet/ und nicht ein einiges collegium uͤber ein librum biblicum gehalten/ oder nur von einem ſolchen/ daß eins gehalten wuͤrde/ gehoͤret hatten/ ja nicht die geringſte anleitung empfangen/ wie ſie die ſchrifft mit nutzen ihres ſtudii leſen ſolten: komts hoch/ ſo haͤlt man collegia oder lection̄es uͤber die loca diffi- ciliora und ſonderlich controverſa, welche den meiſten etwa die tage ihres lebens nicht viel nutzen werden/ denen nuͤtzlicher geweſen/ in einem oder andern libro biblico geuͤbt zu werden; die nicht anzeigen/ wie mit einem text umzugehen/ wie die collatio antecedentium & conſequentium & parallelorum geſchehen muͤſſe/ wie die fructus, uſus und anders dergleichen heraus zu ziehen/ und anderes/ dieſen gemaͤſſes/ was ihnen nachmal in ihrem amt das gantze leben durch/ ſo wol in pre- digten/ als anderen verrichtungen nutzen wuͤrde) nachmal ſie ſo wol zu der praxi des wahren chriſtenthums beweglich angemahnet/ als auf ſie acht gegeben/ die hoffnung ihrer promotion ſolcher condition angehaͤnget/ aber auch von den pro- feſſoribus ſelbſt vorgeleuchtet/ und alles/ was an denſelben von geitz/ ehrſucht/ welt-liebe und dergleichen aͤrgerliches ſeyn moͤchte/ abgeſchaffet wuͤrde/ weil ſon- ſten die boͤſen exempel alles uͤbrige zu ſchlagen pflegen. Jch habe vor dem einen kleinen aufſatz gemachet/ wie ein collegium Pietatis von einem chriſtlichen pro- feſſore auf einer univerſitaͤt moͤchte nuͤtzlich angeſtellet werden/ daruͤber drey chriſtliche freunde ihre obſervationes und animadverſiones mir communiciret. Solte es beliebig ſeyn/ wolte ſolches abgeſchrieben zu dero cenſur auch ſchicken. Jch unternehme mich nicht/ diejenigen zu lehren/ die an ſtatt meiner præceptorum ſi- tzen. Jedoch mag auch ein wenig erfahrner offt nicht ohne nutzen einigen vor- ſchlag thun/ den die verſtaͤndigere alsdann zu beurtheilen und zu verbeſſern haben. Jch ſorge aber/ etwas dergleichen zu introduciren wird deswegen ſchwer: Es muß ein ſolcher profeſſor ſobald bey ſolcher ſache ſich reſolviren, eine gewal- tige invidiam novitatis, anderer haſſe und uͤbele nachreden/ wol gar verdacht fal- ſcher lehr und gefaͤhrlicher machinationen, auf ſich mit gedult zu nehmen/ und et- was vor die ehre des HErrn zu wagen: Hingegen doͤrffte wol die erfahrung zei- gen/ daß derjenigen wenig ſich finden moͤchten/ welche ihre gute habende reputa- tion unter den gelehrten in die ſchantz zu ſchlagen bereit waͤren/ etwas zu thun/ wovon zwar die ſtudirende jugend groſſen nutzen haben wuͤrde/ ſie hingegen nicht viel anders/ als ungemach und verluſt ihrer renommée zu erwarten haͤtten. Jch weiß/ wie es bey einigen gelautet/ wo man mit ihnen von der materie gere- det: wie man die hohe nutzbarkeit und nothdurfft erkant/ aber hand anzule- gen IV. Theil. x x x

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/541>, abgerufen am 22.11.2024.