Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. V. SECTIO VI.
etwa vor dem bemerckte steine des anstosses dißmal so viel sorgfältiger zu meiden/
sonderlich aber unsere bekante evangelische wahrheit zum festen grund aller erbau-
ung zu legen/ und zu keinem verdacht gegen diese/ gelegenheit zu geben/ u. insgesamt
zu weisen/ daß nicht fürwitz und fremde meinungen/ sondern die lebendige frucht
unsers einfältigen glaubens der wahre zweck seye. Wo solches zur regel behalten
wird/ wird zwar der teufel in seinen werckzeugen nicht ruhen oder unterlassen/ aller-
hand unter die füsse zu werffen/ auch wol zu lästern/ aber er wird nicht durchtrin-
gen/ noch zu wege bringen/ daß sich auch einige/ die es mit dem HErrn gut meinen/
widersetzen/ sondern jemehr sie die aufrichtigkeit der absicht erkennen/ sich selbs
näher herbey thun werden. Nun der HErr fördre in uns allen sein werck/ und
mache uns tüchtig je länger je mehr fruchtbare werckzeuge seiner ehre zu werden.

SECTIO VI.
Als einer seinen göttlichen aber mühsamen beruff
verlassen wolte/ weil ihm viele hindernüssen gemacht wurden
sein amt recht fruchtbarlich auszurichten. Anmahnung
zur gedultiger ausharrung.

ES war mir lieb aus dem angenehmen brieffe zu ersehen/ daß derselbe bey sei-
nem sorg- und mühsamen beruff annoch so lange zu verharren gedencke/ bis
GOtt selbs seines willens und winckes klärere zeugnussen zeigen/ und ihn ander-
wärts hinsenden wird. Mein werther Herr Gevatter/ es ist einmal dieses dem ge-
wissen das gemäßeste/ hingegen müste ich bey selbs suchender änderung/ daß wider
des HErrn willen gethan würde/ starcke sorge tragen. Derselbe weißt/ daß er ge-
wißlich von GOtt in solche stelle gesetzt/ und dazu beruffen worden/ da ich versichert
bin/ gleich wie er selbs nichts gesucht oder dazu gethan/ daß auch diejenige/ welche
in dem werck beschäfftiget gewesen/ in der wahrheit nichts fleischliches/ sondern gött-
licher ehre und der liebe gemäßes gesuchet haben: weßwegen an solchem göttlichen
beruff der geringste zweiffel nicht ist. Wie solten wir aber mit gutem gewissen aus
einem unzweifflich göttlichen beruff ausgehen/ ohne daß der HErr nicht weniger
kantlich uns anderswohin ruffe? Gewißlich eigenthätliche änderung dörffte son-
sten dem gewissen einmal sehr schwer werden/ da doch dessen ruhe nechst göttlicher
gnade/ damit sie auch selbst genau verbunden ist/ in diesem leben das höchste ist. So
ist es eine stelle/ darinnen gewißlich zu GOttes ehre u. des nechsten besten sich viel aus-
richten lässet. Zwar klaget mein werther Herr Gevatter/ daß demselbigen viel miß-
fällige und dem gewissen beschwerliche dinge begegnen/ ich glaube es auch wol/
versichere auch hinwieder/ daß keine stelle in der welt ist/ wo etwas gutes auszurich-

ten
z z z 3

ARTIC. V. SECTIO VI.
etwa vor dem bemerckte ſteine des anſtoſſes dißmal ſo viel ſorgfaͤltiger zu meiden/
ſonderlich aber unſere bekante evangeliſche wahrheit zum feſten grund aller erbau-
ung zu legen/ und zu keinem verdacht gegen dieſe/ gelegenheit zu geben/ u. insgeſamt
zu weiſen/ daß nicht fuͤrwitz und fremde meinungen/ ſondern die lebendige frucht
unſers einfaͤltigen glaubens der wahre zweck ſeye. Wo ſolches zur regel behalten
wird/ wird zwar der teufel in ſeinen werckzeugen nicht ruhen oder unterlaſſen/ aller-
hand unter die fuͤſſe zu werffen/ auch wol zu laͤſtern/ aber er wird nicht durchtrin-
gen/ noch zu wege bringen/ daß ſich auch einige/ die es mit dem HErrn gut meinen/
widerſetzen/ ſondern jemehr ſie die aufrichtigkeit der abſicht erkennen/ ſich ſelbs
naͤher herbey thun werden. Nun der HErr foͤrdre in uns allen ſein werck/ und
mache uns tuͤchtig je laͤnger je mehr fruchtbare werckzeuge ſeiner ehre zu werden.

SECTIO VI.
Als einer ſeinen goͤttlichen aber muͤhſamen beruff
verlaſſen wolte/ weil ihm viele hindernuͤſſen gemacht wurden
ſein amt recht fruchtbarlich auszurichten. Anmahnung
zur gedultiger ausharrung.

ES war mir lieb aus dem angenehmen brieffe zu erſehen/ daß derſelbe bey ſei-
nem ſorg- und muͤhſamen beruff annoch ſo lange zu verharren gedencke/ bis
GOtt ſelbs ſeines willens und winckes klaͤrere zeugnuſſen zeigen/ und ihn ander-
waͤrts hinſenden wird. Mein werther Herr Gevatter/ es iſt einmal dieſes dem ge-
wiſſen das gemaͤßeſte/ hingegen muͤſte ich bey ſelbs ſuchender aͤnderung/ daß wider
des HErrn willen gethan wuͤrde/ ſtarcke ſorge tragen. Derſelbe weißt/ daß er ge-
wißlich von GOtt in ſolche ſtelle geſetzt/ und dazu beruffen worden/ da ich verſichert
bin/ gleich wie er ſelbs nichts geſucht oder dazu gethan/ daß auch diejenige/ welche
in dem werck beſchaͤfftiget geweſen/ in der wahrheit nichts fleiſchliches/ ſondern goͤtt-
licher ehre und der liebe gemaͤßes geſuchet haben: weßwegen an ſolchem goͤttlichen
beruff der geringſte zweiffel nicht iſt. Wie ſolten wir aber mit gutem gewiſſen aus
einem unzweifflich goͤttlichen beruff ausgehen/ ohne daß der HErr nicht weniger
kantlich uns anderswohin ruffe? Gewißlich eigenthaͤtliche aͤnderung doͤrffte ſon-
ſten dem gewiſſen einmal ſehr ſchwer werden/ da doch deſſen ruhe nechſt goͤttlicher
gnade/ damit ſie auch ſelbſt genau verbunden iſt/ in dieſem leben das hoͤchſte iſt. So
iſt es eine ſtelle/ darinnen gewißlich zu GOttes ehre u. des nechſten beſten ſich viel aus-
richten laͤſſet. Zwar klaget mein werther Herr Gevatter/ daß demſelbigen viel miß-
faͤllige und dem gewiſſen beſchwerliche dinge begegnen/ ich glaube es auch wol/
verſichere auch hinwieder/ daß keine ſtelle in der welt iſt/ wo etwas gutes auszurich-

ten
z z z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0561" n="549"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. V. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> VI.</hi></hi></fw><lb/>
etwa vor dem bemerckte &#x017F;teine des an&#x017F;to&#x017F;&#x017F;es dißmal &#x017F;o viel &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger zu meiden/<lb/>
&#x017F;onderlich aber un&#x017F;ere bekante evangeli&#x017F;che wahrheit zum fe&#x017F;ten grund aller erbau-<lb/>
ung zu legen/ und zu keinem verdacht gegen die&#x017F;e/ gelegenheit zu geben/ u. insge&#x017F;amt<lb/>
zu wei&#x017F;en/ daß nicht fu&#x0364;rwitz und fremde meinungen/ &#x017F;ondern die lebendige frucht<lb/>
un&#x017F;ers einfa&#x0364;ltigen glaubens der wahre zweck &#x017F;eye. Wo &#x017F;olches zur regel behalten<lb/>
wird/ wird zwar der teufel in &#x017F;einen werckzeugen nicht ruhen oder unterla&#x017F;&#x017F;en/ aller-<lb/>
hand unter die fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu werffen/ auch wol zu la&#x0364;&#x017F;tern/ aber er wird nicht durchtrin-<lb/>
gen/ noch zu wege bringen/ daß &#x017F;ich auch einige/ die es mit dem HErrn gut meinen/<lb/>
wider&#x017F;etzen/ &#x017F;ondern jemehr &#x017F;ie die aufrichtigkeit der ab&#x017F;icht erkennen/ &#x017F;ich &#x017F;elbs<lb/>
na&#x0364;her herbey thun werden. Nun der HErr fo&#x0364;rdre in uns allen &#x017F;ein werck/ und<lb/>
mache uns tu&#x0364;chtig je la&#x0364;nger je mehr fruchtbare werckzeuge &#x017F;einer ehre zu werden.</p><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#aq">7. Jan. 1687.</hi> </dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> VI.</hi><lb/>
Als einer &#x017F;einen go&#x0364;ttlichen aber mu&#x0364;h&#x017F;amen beruff<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en wolte/ weil ihm viele hindernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gemacht wurden<lb/>
&#x017F;ein amt recht fruchtbarlich auszurichten. Anmahnung<lb/>
zur gedultiger ausharrung.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>S war mir lieb aus dem angenehmen brieffe zu er&#x017F;ehen/ daß der&#x017F;elbe bey &#x017F;ei-<lb/>
nem &#x017F;org- und mu&#x0364;h&#x017F;amen beruff annoch &#x017F;o lange zu verharren gedencke/ bis<lb/>
GOtt &#x017F;elbs &#x017F;eines willens und winckes kla&#x0364;rere zeugnu&#x017F;&#x017F;en zeigen/ und ihn ander-<lb/>
wa&#x0364;rts hin&#x017F;enden wird. Mein werther Herr Gevatter/ es i&#x017F;t einmal die&#x017F;es dem ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en das gema&#x0364;ße&#x017F;te/ hingegen mu&#x0364;&#x017F;te ich bey &#x017F;elbs &#x017F;uchender a&#x0364;nderung/ daß wider<lb/>
des HErrn willen gethan wu&#x0364;rde/ &#x017F;tarcke &#x017F;orge tragen. Der&#x017F;elbe weißt/ daß er ge-<lb/>
wißlich von GOtt in &#x017F;olche &#x017F;telle ge&#x017F;etzt/ und dazu beruffen worden/ da ich ver&#x017F;ichert<lb/>
bin/ gleich wie er &#x017F;elbs nichts ge&#x017F;ucht oder dazu gethan/ daß auch diejenige/ welche<lb/>
in dem werck be&#x017F;cha&#x0364;fftiget gewe&#x017F;en/ in der wahrheit nichts flei&#x017F;chliches/ &#x017F;ondern go&#x0364;tt-<lb/>
licher ehre und der liebe gema&#x0364;ßes ge&#x017F;uchet haben: weßwegen an &#x017F;olchem go&#x0364;ttlichen<lb/>
beruff der gering&#x017F;te zweiffel nicht i&#x017F;t. Wie &#x017F;olten wir aber mit gutem gewi&#x017F;&#x017F;en aus<lb/>
einem unzweifflich go&#x0364;ttlichen beruff ausgehen/ ohne daß der HErr nicht weniger<lb/>
kantlich uns anderswohin ruffe? Gewißlich eigentha&#x0364;tliche a&#x0364;nderung do&#x0364;rffte &#x017F;on-<lb/>
&#x017F;ten dem gewi&#x017F;&#x017F;en einmal &#x017F;ehr &#x017F;chwer werden/ da doch de&#x017F;&#x017F;en ruhe nech&#x017F;t go&#x0364;ttlicher<lb/>
gnade/ damit &#x017F;ie auch &#x017F;elb&#x017F;t genau verbunden i&#x017F;t/ in die&#x017F;em leben das ho&#x0364;ch&#x017F;te i&#x017F;t. So<lb/>
i&#x017F;t es eine &#x017F;telle/ darinnen gewißlich zu GOttes ehre u. des nech&#x017F;ten be&#x017F;ten &#x017F;ich viel aus-<lb/>
richten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Zwar klaget mein werther Herr Gevatter/ daß dem&#x017F;elbigen viel miß-<lb/>
fa&#x0364;llige und dem gewi&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;chwerliche dinge begegnen/ ich glaube es auch wol/<lb/>
ver&#x017F;ichere auch hinwieder/ daß keine &#x017F;telle in der welt i&#x017F;t/ wo etwas gutes auszurich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">z z z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[549/0561] ARTIC. V. SECTIO VI. etwa vor dem bemerckte ſteine des anſtoſſes dißmal ſo viel ſorgfaͤltiger zu meiden/ ſonderlich aber unſere bekante evangeliſche wahrheit zum feſten grund aller erbau- ung zu legen/ und zu keinem verdacht gegen dieſe/ gelegenheit zu geben/ u. insgeſamt zu weiſen/ daß nicht fuͤrwitz und fremde meinungen/ ſondern die lebendige frucht unſers einfaͤltigen glaubens der wahre zweck ſeye. Wo ſolches zur regel behalten wird/ wird zwar der teufel in ſeinen werckzeugen nicht ruhen oder unterlaſſen/ aller- hand unter die fuͤſſe zu werffen/ auch wol zu laͤſtern/ aber er wird nicht durchtrin- gen/ noch zu wege bringen/ daß ſich auch einige/ die es mit dem HErrn gut meinen/ widerſetzen/ ſondern jemehr ſie die aufrichtigkeit der abſicht erkennen/ ſich ſelbs naͤher herbey thun werden. Nun der HErr foͤrdre in uns allen ſein werck/ und mache uns tuͤchtig je laͤnger je mehr fruchtbare werckzeuge ſeiner ehre zu werden. 7. Jan. 1687. SECTIO VI. Als einer ſeinen goͤttlichen aber muͤhſamen beruff verlaſſen wolte/ weil ihm viele hindernuͤſſen gemacht wurden ſein amt recht fruchtbarlich auszurichten. Anmahnung zur gedultiger ausharrung. ES war mir lieb aus dem angenehmen brieffe zu erſehen/ daß derſelbe bey ſei- nem ſorg- und muͤhſamen beruff annoch ſo lange zu verharren gedencke/ bis GOtt ſelbs ſeines willens und winckes klaͤrere zeugnuſſen zeigen/ und ihn ander- waͤrts hinſenden wird. Mein werther Herr Gevatter/ es iſt einmal dieſes dem ge- wiſſen das gemaͤßeſte/ hingegen muͤſte ich bey ſelbs ſuchender aͤnderung/ daß wider des HErrn willen gethan wuͤrde/ ſtarcke ſorge tragen. Derſelbe weißt/ daß er ge- wißlich von GOtt in ſolche ſtelle geſetzt/ und dazu beruffen worden/ da ich verſichert bin/ gleich wie er ſelbs nichts geſucht oder dazu gethan/ daß auch diejenige/ welche in dem werck beſchaͤfftiget geweſen/ in der wahrheit nichts fleiſchliches/ ſondern goͤtt- licher ehre und der liebe gemaͤßes geſuchet haben: weßwegen an ſolchem goͤttlichen beruff der geringſte zweiffel nicht iſt. Wie ſolten wir aber mit gutem gewiſſen aus einem unzweifflich goͤttlichen beruff ausgehen/ ohne daß der HErr nicht weniger kantlich uns anderswohin ruffe? Gewißlich eigenthaͤtliche aͤnderung doͤrffte ſon- ſten dem gewiſſen einmal ſehr ſchwer werden/ da doch deſſen ruhe nechſt goͤttlicher gnade/ damit ſie auch ſelbſt genau verbunden iſt/ in dieſem leben das hoͤchſte iſt. So iſt es eine ſtelle/ darinnen gewißlich zu GOttes ehre u. des nechſten beſten ſich viel aus- richten laͤſſet. Zwar klaget mein werther Herr Gevatter/ daß demſelbigen viel miß- faͤllige und dem gewiſſen beſchwerliche dinge begegnen/ ich glaube es auch wol/ verſichere auch hinwieder/ daß keine ſtelle in der welt iſt/ wo etwas gutes auszurich- ten z z z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/561
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/561>, abgerufen am 22.11.2024.