mehrern jahren mein seliger praeantecessor der rechtschaffene Herr D. Geier auf meine pia desideria in brieffe mir geantwortet, er habe aus seiner langen erfahrung bey dem Consistorio gesehen, daß man kaum das längsten angeordnete und befoh- lene zu werck richten können, geschweige, daß man hoffnung haben solte, neue heilsa- me anstalten zu machen, daran ich offtmal gedencke. Zum beschluß ist mir lieb gewesen, daß geliebter Bruder auch des seligen Großgebauers (dessen sohn, ei- nen Candidatum theologiae ich bey mir in dem hause habe) Wächter-stimm gelesen, und sein vergnügen daran habe. Jch versichere, daß ich das buch noch als ein studiosus mit hertzlicher bewegung und erbauung gelesen, daher auch noch sehr aestimire, und andern gern recommendire. Desto weher aber hat mirs gethan, als D. Calovius in seinem Anti Bohemo den wolverdienten lehrer unter die Böhmisten mit höchstem unrecht setzt, da vielleicht ein grosser zweiffel seyn mag, ob der liebe mann nur etwas von deroselben meinungen gewust. Jedoch wird solche unziemliche beschuldigung nicht hindern, daß seine gedächtnüß bey gottseligen her- tzen nicht in stätem segen verbleibe, noch ihm etwas von seiner cron nehmen.
den 27. Febt. 1688.
SECTIO XVI. An einen Superintendenten. Jn Sachsen sie- het es noch düster aus. Zeiten des gerichts/ da wenig auszurichten. Verlangen nach visitation.
DAs christenthum anlangend, wie ich es bey meinem antritt in diesen landen gefunden, ists freylich wahr, daß nach desselben worten es düster gnung aussiehet. So mich zwar, wie alle, die es redlich mit GOtt meinen, und es lieber besser sähen, billich betrübet, aber nicht befremdet, der ich schon lange mei- ne augen hin und her an alle orte gekehret, aber immer mehr finsternüß als licht ge- sehen; das macht, wir leben noch in der zeit der göttlichen gerichte, und möchten wir auch wol sagen, dis seye der geistlichen feinde stunde, und die macht der finster- nüß. Dahero bis einige schwere uns obschwebende, und nachmal über die fein- de selbs sich wendende wetter der gerichte werden ausgewütet haben, hoffe ich kei- nen sonderlichen fortgang wichtiger vorhaben von allgemeiner besserung, sondern ob wir wol diese zu suchen nicht aufhören, müssen wir uns doch mit dem wenigen maaß des segens vergnügen, welcher der itzigen zeit gemäß ist, und auf die zeit der besserung mit gedult und verlangen warten. Daß auch diejenige, so sichs einen ernst seyn lassen, verfolgung gegen sich erfahren müssen, ist eben so wenig etwas neues, und was diejenige gegen sich erregen, nicht anders, als ob man einen gantzen schwarm bienen gegen sich gelocket, welche von ernstlicher änderung dessen, was
auch
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ARTIC. V. SECT. XVI.
mehrern jahren mein ſeliger præanteceſſor der rechtſchaffene Herr D. Geier auf meine pia deſideria in brieffe mir geantwortet, er habe aus ſeiner langen erfahrung bey dem Conſiſtorio geſehen, daß man kaum das laͤngſten angeordnete und befoh- lene zu werck richten koͤnnen, geſchweige, daß man hoffnung haben ſolte, neue heilſa- me anſtalten zu machen, daran ich offtmal gedencke. Zum beſchluß iſt mir lieb geweſen, daß geliebter Bruder auch des ſeligen Großgebauers (deſſen ſohn, ei- nen Candidatum theologiæ ich bey mir in dem hauſe habe) Waͤchter-ſtimm geleſen, und ſein vergnuͤgen daran habe. Jch verſichere, daß ich das buch noch als ein ſtudioſus mit hertzlicher bewegung und erbauung geleſen, daher auch noch ſehr æſtimire, und andern gern recommendire. Deſto weher aber hat mirs gethan, als D. Calovius in ſeinem Anti Bohemo den wolverdienten lehrer unter die Boͤhmiſten mit hoͤchſtem unrecht ſetzt, da vielleicht ein groſſer zweiffel ſeyn mag, ob der liebe mann nur etwas von deroſelben meinungen gewuſt. Jedoch wird ſolche unziemliche beſchuldigung nicht hindern, daß ſeine gedaͤchtnuͤß bey gottſeligen her- tzen nicht in ſtaͤtem ſegen verbleibe, noch ihm etwas von ſeiner cron nehmen.
den 27. Febt. 1688.
SECTIO XVI. An einen Superintendenten. Jn Sachſen ſie- het es noch duͤſter aus. Zeiten des gerichts/ da wenig auszurichten. Verlangen nach viſitation.
DAs chriſtenthum anlangend, wie ich es bey meinem antritt in dieſen landen gefunden, iſts freylich wahr, daß nach deſſelben worten es duͤſter gnung ausſiehet. So mich zwar, wie alle, die es redlich mit GOtt meinen, und es lieber beſſer ſaͤhen, billich betruͤbet, aber nicht befremdet, der ich ſchon lange mei- ne augen hin und her an alle orte gekehret, aber immer mehr finſternuͤß als licht ge- ſehen; das macht, wir leben noch in der zeit der goͤttlichen gerichte, und moͤchten wir auch wol ſagen, dis ſeye der geiſtlichen feinde ſtunde, und die macht der finſter- nuͤß. Dahero bis einige ſchwere uns obſchwebende, und nachmal uͤber die fein- de ſelbs ſich wendende wetter der gerichte werden ausgewuͤtet haben, hoffe ich kei- nen ſonderlichen fortgang wichtiger vorhaben von allgemeiner beſſerung, ſondern ob wir wol dieſe zu ſuchen nicht aufhoͤren, muͤſſen wir uns doch mit dem wenigen maaß des ſegens vergnuͤgen, welcher der itzigen zeit gemaͤß iſt, und auf die zeit der beſſerung mit gedult und verlangen warten. Daß auch diejenige, ſo ſichs einen ernſt ſeyn laſſen, verfolgung gegen ſich erfahren muͤſſen, iſt eben ſo wenig etwas neues, und was diejenige gegen ſich erregen, nicht anders, als ob man einen gantzen ſchwarm bienen gegen ſich gelocket, welche von ernſtlicher aͤnderung deſſen, was
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ARTIC. V. SECT. XVI.
mehrern jahren mein ſeliger præanteceſſor der rechtſchaffene Herr D. Geier auf
meine pia deſideria in brieffe mir geantwortet, er habe aus ſeiner langen erfahrung
bey dem Conſiſtorio geſehen, daß man kaum das laͤngſten angeordnete und befoh-
lene zu werck richten koͤnnen, geſchweige, daß man hoffnung haben ſolte, neue heilſa-
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geweſen, daß geliebter Bruder auch des ſeligen Großgebauers (deſſen ſohn, ei-
nen Candidatum theologiæ ich bey mir in dem hauſe habe) Waͤchter-ſtimm
geleſen, und ſein vergnuͤgen daran habe. Jch verſichere, daß ich das buch noch als
ein ſtudioſus mit hertzlicher bewegung und erbauung geleſen, daher auch noch ſehr
æſtimire, und andern gern recommendire. Deſto weher aber hat mirs gethan,
als D. Calovius in ſeinem Anti Bohemo den wolverdienten lehrer unter die
Boͤhmiſten mit hoͤchſtem unrecht ſetzt, da vielleicht ein groſſer zweiffel ſeyn mag, ob
der liebe mann nur etwas von deroſelben meinungen gewuſt. Jedoch wird ſolche
unziemliche beſchuldigung nicht hindern, daß ſeine gedaͤchtnuͤß bey gottſeligen her-
tzen nicht in ſtaͤtem ſegen verbleibe, noch ihm etwas von ſeiner cron nehmen.
den 27. Febt. 1688.
SECTIO XVI.
An einen Superintendenten. Jn Sachſen ſie-
het es noch duͤſter aus. Zeiten des gerichts/ da wenig
auszurichten. Verlangen nach viſitation.
DAs chriſtenthum anlangend, wie ich es bey meinem antritt in dieſen landen
gefunden, iſts freylich wahr, daß nach deſſelben worten es duͤſter gnung
ausſiehet. So mich zwar, wie alle, die es redlich mit GOtt meinen, und
es lieber beſſer ſaͤhen, billich betruͤbet, aber nicht befremdet, der ich ſchon lange mei-
ne augen hin und her an alle orte gekehret, aber immer mehr finſternuͤß als licht ge-
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wir auch wol ſagen, dis ſeye der geiſtlichen feinde ſtunde, und die macht der finſter-
nuͤß. Dahero bis einige ſchwere uns obſchwebende, und nachmal uͤber die fein-
de ſelbs ſich wendende wetter der gerichte werden ausgewuͤtet haben, hoffe ich kei-
nen ſonderlichen fortgang wichtiger vorhaben von allgemeiner beſſerung, ſondern
ob wir wol dieſe zu ſuchen nicht aufhoͤren, muͤſſen wir uns doch mit dem wenigen
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beſſerung mit gedult und verlangen warten. Daß auch diejenige, ſo ſichs einen
ernſt ſeyn laſſen, verfolgung gegen ſich erfahren muͤſſen, iſt eben ſo wenig etwas
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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