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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO XXIIX.
An einen kurtz im amt gestandenen Prediger.
Freude über seine rechtschaffene absicht und treue/ erkän tnüß/
daß es mit eiffer gegen die offentliche laster nicht ausgemachet
seye/ sondern dieser sonderlich gegen die sicherheit bey einem
moral-leben gerichtet werden solle/ auf daß die gemüther das
wort anfangen fühlen/ obwol erst mit unwillen. Rath in der
lehr-art von dem thätigen glauben nichts zu ändern/ den un-
terscheid der gesetzlichen vollkommenheit und evangelischen
aufrichtigkeit zu treiben/ auf der kirchen lehr sich zu beruffen.
Wie anderer widerspruch klüglich zu begegnen/ der vorwand
der einfalt zu widerlegen/ die catechetische examina an-
genehm zu machen/ die zuhörer seiner liebe zu
überzeugen.

DEr innhalt aber des briefes selbs, ob er wol mehr betrübtes als fröliches in
sich fasset, hat mich dennoch nicht wenig erfreuet: nachdem ich sehe, daß der
himmlische Vater geliebten Bruders antritt in seinem amt nicht wenig
segnet. Vielleicht aber wird derselbige gedencken, es seye ja der gantze brief fast
dem entgegen, und eine klage, wie das wort des HErrn nicht wie sichs geziehmet,
aufgenommen werde, daher die gehörige früchten noch nicht bringe, folglich anch
von dem segen sich nichts rühmen lasse. Aber ich ändere meine wort und meinung
nicht, sondern freue mich des bereits mir vorscheinenden segens. Einen segen von
GOtt dem geber aller guten gaben erkenne ich, und zwar einen solchen segen, da
kaum ein ersprießlicher gewünschet werden könte/ daß wie ich sehe, derselbe gelieb-
ten Bruders seele mit einer redlichen intention und begierde sein amt nicht oben
hin, auch nicht, wie er der welt dabey gefallen könte, sondern treulich nach seiner vor-
schrifft, und wie es zu erlangung des heilig vor augen schwebenden zwecks dienlich
und nöthig ist, zu führen, also was des HErrn ist, und nicht das seinige darin zu su-
chen, erfüllet hat. Wol dem, der mit solcher reiner absicht in das amt tritt! dann
dessen arbeit kan nicht beharrlich ohne frucht seyn, noch der HErr es denen allerdings
fehlen lassen, denen es um ihn allein wahrhafftig zu thun ist. Hingegen wo kommet

die
Das ſiebende Capitel.
SECTIO XXIIX.
An einen kurtz im amt geſtandenen Prediger.
Freude uͤber ſeine rechtſchaffene abſicht und treue/ erkaͤn tnuͤß/
daß es mit eiffeꝛ gegen die offentliche laſter nicht ausgemachet
ſeye/ ſondern dieſer ſonderlich gegen die ſicherheit bey einem
moral-leben gerichtet werden ſolle/ auf daß die gemuͤther das
wort anfangen fuͤhlen/ obwol erſt mit unwillen. Rath in der
lehr-art von dem thaͤtigen glauben nichts zu aͤndern/ den un-
terſcheid der geſetzlichen vollkommenheit und evangeliſchen
aufrichtigkeit zu treiben/ auf der kirchen lehr ſich zu beruffen.
Wie anderer widerſpruch kluͤglich zu begegnen/ der vorwand
der einfalt zu widerlegen/ die catechetiſche examina an-
genehm zu machen/ die zuhoͤrer ſeiner liebe zu
uͤberzeugen.

DEr innhalt aber des briefes ſelbs, ob er wol mehr betruͤbtes als froͤliches in
ſich faſſet, hat mich dennoch nicht wenig erfreuet: nachdem ich ſehe, daß der
himmliſche Vater geliebten Bruders antritt in ſeinem amt nicht wenig
ſegnet. Vielleicht aber wird derſelbige gedencken, es ſeye ja der gantze brief faſt
dem entgegen, und eine klage, wie das wort des HErrn nicht wie ſichs geziehmet,
aufgenommen werde, daher die gehoͤrige fruͤchten noch nicht bringe, folglich anch
von dem ſegen ſich nichts ruͤhmen laſſe. Aber ich aͤndere meine wort und meinung
nicht, ſondern freue mich des bereits mir vorſcheinenden ſegens. Einen ſegen von
GOtt dem geber aller guten gaben erkenne ich, und zwar einen ſolchen ſegen, da
kaum ein erſprießlicher gewuͤnſchet werden koͤnte/ daß wie ich ſehe, derſelbe gelieb-
ten Bruders ſeele mit einer redlichen intention und begierde ſein amt nicht oben
hin, auch nicht, wie er der welt dabey gefallen koͤnte, ſondern treulich nach ſeiner vor-
ſchrifft, und wie es zu erlangung des heilig vor augen ſchwebenden zwecks dienlich
und noͤthig iſt, zu fuͤhren, alſo was des HErrn iſt, und nicht das ſeinige darin zu ſu-
chen, erfuͤllet hat. Wol dem, der mit ſolcher reiner abſicht in das amt tritt! dann
deſſen arbeit kan nicht behaꝛꝛlich ohne frucht ſeyn, noch der HErr es denen allerdings
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[606/0618] Das ſiebende Capitel. SECTIO XXIIX. An einen kurtz im amt geſtandenen Prediger. Freude uͤber ſeine rechtſchaffene abſicht und treue/ erkaͤn tnuͤß/ daß es mit eiffeꝛ gegen die offentliche laſter nicht ausgemachet ſeye/ ſondern dieſer ſonderlich gegen die ſicherheit bey einem moral-leben gerichtet werden ſolle/ auf daß die gemuͤther das wort anfangen fuͤhlen/ obwol erſt mit unwillen. Rath in der lehr-art von dem thaͤtigen glauben nichts zu aͤndern/ den un- terſcheid der geſetzlichen vollkommenheit und evangeliſchen aufrichtigkeit zu treiben/ auf der kirchen lehr ſich zu beruffen. Wie anderer widerſpruch kluͤglich zu begegnen/ der vorwand der einfalt zu widerlegen/ die catechetiſche examina an- genehm zu machen/ die zuhoͤrer ſeiner liebe zu uͤberzeugen. DEr innhalt aber des briefes ſelbs, ob er wol mehr betruͤbtes als froͤliches in ſich faſſet, hat mich dennoch nicht wenig erfreuet: nachdem ich ſehe, daß der himmliſche Vater geliebten Bruders antritt in ſeinem amt nicht wenig ſegnet. Vielleicht aber wird derſelbige gedencken, es ſeye ja der gantze brief faſt dem entgegen, und eine klage, wie das wort des HErrn nicht wie ſichs geziehmet, aufgenommen werde, daher die gehoͤrige fruͤchten noch nicht bringe, folglich anch von dem ſegen ſich nichts ruͤhmen laſſe. Aber ich aͤndere meine wort und meinung nicht, ſondern freue mich des bereits mir vorſcheinenden ſegens. Einen ſegen von GOtt dem geber aller guten gaben erkenne ich, und zwar einen ſolchen ſegen, da kaum ein erſprießlicher gewuͤnſchet werden koͤnte/ daß wie ich ſehe, derſelbe gelieb- ten Bruders ſeele mit einer redlichen intention und begierde ſein amt nicht oben hin, auch nicht, wie er der welt dabey gefallen koͤnte, ſondern treulich nach ſeiner vor- ſchrifft, und wie es zu erlangung des heilig vor augen ſchwebenden zwecks dienlich und noͤthig iſt, zu fuͤhren, alſo was des HErrn iſt, und nicht das ſeinige darin zu ſu- chen, erfuͤllet hat. Wol dem, der mit ſolcher reiner abſicht in das amt tritt! dann deſſen arbeit kan nicht behaꝛꝛlich ohne frucht ſeyn, noch der HErr es denen allerdings fehlen laſſen, denen es um ihn allein wahrhafftig zu thun iſt. Hingegen wo kommet die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/618>, abgerufen am 22.11.2024.