SECTIO XXXI. An einen Superintendenten, der mit seinem rath und gemeinde in streit gerathen/ vermahn- und warnungs-schreiben.
ES wird unentfallen seyn, wie nachdem derselbe auf gethanes ansuchen zu itziger inspection denominiret und vociret worden, mir aufgetragen worden, demselben freundlich und nachdrücklich zuzusprechen, alldieweil die meiste ursache gewesen, so dieselbe zu dieser mutation mit seiner person bewogen hatte, auf daß die viele mißhelligkeiten in N. dermaleins ein ende nehmen möchten, daß ja in dem neu-antretenden amt alles nach möglichkeit vermieden werden solte, was ein gleiches unternehmen mit der gemeinde und andern anvertrauten verursa- chen könte. Wie ich auch solche meine gehabte commission abgelegt und aus treu- en hertzen brüderliche remonstration gethan habe. Hierauf haben wir alle ver- hoffet, daß von meinem hochgeehrten Hrn. aus N. niemals nichts anders als des- sen wir uns zu erfreuen hätten, einlauffen solte, auch gefreuet, daß es in der ersten zeit ziemlich stille geblieben. Nachdem aber nicht allein hie jüngsthin über dessen person und verhalten wichtige beschwerden eingegeben, so zwar an gehöriges ort nach N. verwiesen worden, sondern mir auch noch weiter von unterschiedlichen personen mehrers erzehlet worden, was mir nicht wenig leid thät, so habe hiemit als an einen amts-bruder nach voriger vertraulichkeit und aus freundlichen wohlmeinen mein hertz ausschütten und treulich warnen wollen, daß nicht bey continuirung der dinge so geklagt werden, dermaleins unbeliebige folgen entstehen möchten. Es ist nun das erste und gelegenheit zu andern gewesen, daß mein Hochgeehrter Hr. Superint. sol- te von der stadt eine fernere besoldung und zulage gefordert, und nachdem ihm solche von dem rath nicht zugestanden werden wollen, die sache mehrmal auf der cantzel mit harten worten und betrohungen, damit die gewissen geängstet würden, getrie- ben haben. Wo sich nun solches dermassen verhält, wie man sich auf das zeugnüß des gantzen auditorii berufft, siehe ich nicht, wie solches unternehmen justificiret werden könte: indem nicht allein die gesamte besoldung und einkünfften, (massen nicht nur auf das blosse pastorat gesehen werden darf) ein ansehnliches tragen sol- len, wie sich einige erinnern wollen, von demselben hieselbs gehöret zu haben, wie man solches gerühmet, daher auch der antecessor nicht nur seine nothdurfft daselbs ge- habt, sondern auch ein ehrliches hinterlassen, sondern unverborgen ist, daß jeder mit der besoldung der stelle, dazu er beruffen wird, wie gering sie auch seyn solte, zufrieden seyn muß, und sich in annehmung der vocation gleichsam dazu verbindet, dahero keine mehrere mit recht fordern kan: sondern obwol diejenigen, welche dabey man- gel leiden müßten, freundlich und bittlich um eine solche zulage, davon sie ohne ge- bruch leben könten, anzusehen unverboten, keiner gleichwol befugt ist, auf den verwei- gerungs-fall darauf zu tringen, oder in offentlichen predigten solches gleichsam er-
zwin-
ARTIC. V. SECT. XXXI.
SECTIO XXXI. An einen Superintendenten, der mit ſeinem rath und gemeinde in ſtreit gerathen/ vermahn- und warnungs-ſchreiben.
ES wird unentfallen ſeyn, wie nachdem derſelbe auf gethanes anſuchen zu itziger inſpection denominiret und vociret worden, mir aufgetragen worden, demſelben freundlich und nachdruͤcklich zuzuſprechen, alldieweil die meiſte urſache geweſen, ſo dieſelbe zu dieſer mutation mit ſeiner perſon bewogen hatte, auf daß die viele mißhelligkeiten in N. dermaleins ein ende nehmen moͤchten, daß ja in dem neu-antretenden amt alles nach moͤglichkeit vermieden werden ſolte, was ein gleiches unternehmen mit der gemeinde und andern anvertrauten verurſa- chen koͤnte. Wie ich auch ſolche meine gehabte commiſſion abgelegt und aus treu- en hertzen bruͤderliche remonſtration gethan habe. Hierauf haben wir alle ver- hoffet, daß von meinem hochgeehrten Hrn. aus N. niemals nichts anders als deſ- ſen wir uns zu erfreuen haͤtten, einlauffen ſolte, auch gefreuet, daß es in der erſten zeit ziemlich ſtille geblieben. Nachdem aber nicht allein hie juͤngſthin uͤber deſſen perſon und verhalten wichtige beſchwerden eingegeben, ſo zwar an gehoͤriges ort nach N. verwieſen worden, ſondern mir auch noch weiter von unterſchiedlichen perſonen mehrers erzehlet worden, was mir nicht wenig leid thaͤt, ſo habe hiemit als an einen amts-bruder nach voriger vertraulichkeit und aus freundlichen wohlmeinen mein hertz ausſchuͤtten und treulich warnen wollen, daß nicht bey continuirung deꝛ dinge ſo geklagt werden, dermaleins unbeliebige folgen entſtehen moͤchten. Es iſt nun das erſte und gelegenheit zu andern geweſen, daß mein Hochgeehrter Hr. Superint. ſol- te von der ſtadt eine fernere beſoldung und zulage gefordeꝛt, und nachdem ihm ſolche von dem rath nicht zugeſtanden werden wollen, die ſache mehrmal auf der cantzel mit harten worten und betrohungen, damit die gewiſſen geaͤngſtet wuͤrden, getrie- ben haben. Wo ſich nun ſolches dermaſſen verhaͤlt, wie man ſich auf das zeugnuͤß des gantzen auditorii berufft, ſiehe ich nicht, wie ſolches unternehmen juſtificiret werden koͤnte: indem nicht allein die geſamte beſoldung und einkuͤnfften, (maſſen nicht nur auf das bloſſe paſtorat geſehen werden darf) ein anſehnliches tragen ſol- len, wie ſich einige eꝛinnern wollen, von demſelben hieſelbs gehoͤꝛet zu haben, wie man ſolches geruͤhmet, daher auch der anteceſſor nicht nur ſeine nothdurfft daſelbs ge- habt, ſondern auch ein ehrliches hinterlaſſen, ſondern unverborgen iſt, daß jeder mit der beſoldung der ſtelle, dazu er beruffen wird, wie gering ſie auch ſeyn ſolte, zufrieden ſeyn muß, und ſich in annehmung der vocation gleichſam dazu verbindet, dahero keine mehrere mit recht fordern kan: ſondern obwol diejenigen, welche dabey man- gel leiden muͤßten, freundlich und bittlich um eine ſolche zulage, davon ſie ohne ge- bruch leben koͤnten, anzuſehen unveꝛboten, keiner gleichwol befugt iſt, auf den verwei- gerungs-fall darauf zu tringen, oder in offentlichen predigten ſolches gleichſam er-
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ARTIC. V. SECT. XXXI.
SECTIO XXXI.
An einen Superintendenten, der mit ſeinem
rath und gemeinde in ſtreit gerathen/ vermahn- und
warnungs-ſchreiben.
ES wird unentfallen ſeyn, wie nachdem derſelbe auf gethanes anſuchen zu
itziger inſpection denominiret und vociret worden, mir aufgetragen
worden, demſelben freundlich und nachdruͤcklich zuzuſprechen, alldieweil
die meiſte urſache geweſen, ſo dieſelbe zu dieſer mutation mit ſeiner perſon bewogen
hatte, auf daß die viele mißhelligkeiten in N. dermaleins ein ende nehmen moͤchten,
daß ja in dem neu-antretenden amt alles nach moͤglichkeit vermieden werden ſolte,
was ein gleiches unternehmen mit der gemeinde und andern anvertrauten verurſa-
chen koͤnte. Wie ich auch ſolche meine gehabte commiſſion abgelegt und aus treu-
en hertzen bruͤderliche remonſtration gethan habe. Hierauf haben wir alle ver-
hoffet, daß von meinem hochgeehrten Hrn. aus N. niemals nichts anders als deſ-
ſen wir uns zu erfreuen haͤtten, einlauffen ſolte, auch gefreuet, daß es in der erſten zeit
ziemlich ſtille geblieben. Nachdem aber nicht allein hie juͤngſthin uͤber deſſen perſon
und verhalten wichtige beſchwerden eingegeben, ſo zwar an gehoͤriges ort nach N.
verwieſen worden, ſondern mir auch noch weiter von unterſchiedlichen perſonen
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amts-bruder nach voriger vertraulichkeit und aus freundlichen wohlmeinen mein
hertz ausſchuͤtten und treulich warnen wollen, daß nicht bey continuirung deꝛ dinge
ſo geklagt werden, dermaleins unbeliebige folgen entſtehen moͤchten. Es iſt nun das
erſte und gelegenheit zu andern geweſen, daß mein Hochgeehrter Hr. Superint. ſol-
te von der ſtadt eine fernere beſoldung und zulage gefordeꝛt, und nachdem ihm ſolche
von dem rath nicht zugeſtanden werden wollen, die ſache mehrmal auf der cantzel
mit harten worten und betrohungen, damit die gewiſſen geaͤngſtet wuͤrden, getrie-
ben haben. Wo ſich nun ſolches dermaſſen verhaͤlt, wie man ſich auf das zeugnuͤß
des gantzen auditorii berufft, ſiehe ich nicht, wie ſolches unternehmen juſtificiret
werden koͤnte: indem nicht allein die geſamte beſoldung und einkuͤnfften, (maſſen
nicht nur auf das bloſſe paſtorat geſehen werden darf) ein anſehnliches tragen ſol-
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ſolches geruͤhmet, daher auch der anteceſſor nicht nur ſeine nothdurfft daſelbs ge-
habt, ſondern auch ein ehrliches hinterlaſſen, ſondern unverborgen iſt, daß jeder mit
der beſoldung der ſtelle, dazu er beruffen wird, wie gering ſie auch ſeyn ſolte, zufrieden
ſeyn muß, und ſich in annehmung der vocation gleichſam dazu verbindet, dahero
keine mehrere mit recht fordern kan: ſondern obwol diejenigen, welche dabey man-
gel leiden muͤßten, freundlich und bittlich um eine ſolche zulage, davon ſie ohne ge-
bruch leben koͤnten, anzuſehen unveꝛboten, keiner gleichwol befugt iſt, auf den verwei-
gerungs-fall darauf zu tringen, oder in offentlichen predigten ſolches gleichſam er-
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/627>, abgerufen am 22.11.2024.
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