SECTIO XLII. Meine gesundheit in Oreßden. Versicherung daß die arbeit nicht vergebens aus der gewißheit des beruffs. Zeit des göttlichen gerichts. Mein begriff von dessen ordnung und folgender besserung. Der spruch Luc. 18/ 8. dieser hoffnung nicht entgegen.
WAs dessen christliches mitleiden über meine damal besagte abnehmung der leibes kräfften, und geringere hoffnung der von meinem amt erwar- tenden frucht anlanget, so sage davor christlichen danck, und solches so viel hertzlicher, weil es aus liebreicher wehmuth her entsprungen zu seyn gantz ver- sichert bin, und es auch mit inniglichen wünschen begleitet gewesen. Die gesund- heit hat sich zwar durch GOttes gnade, dazu gottseliger mitbrüder gebet vieles gethan zu haben nicht zweifele, bisher bey mir also befunden, daß ohne den ersten monat, da mir besorglich die schwere gemüths-bewegung über meinen abschied von dem lieben Franckfurt noch ziemlich zugesetzet, ich nicht sagen kan, daß mich in hiesigem lufft anders befunden hätte, als in den Rhein-quartiren, wie dann nun über die zwey jahr nicht nöthig gehabt auch nur ein einig mal mein amt unpäßlich- keit wegen bestellen zu lassen, darüber ich billich die himmlische güte zu preisen mich pflichtig erkenne: obwol, daß es eben in dem vorigen vigor, welcher vor dem 50. jahr bey mir sich gefunden, noch bey mir bleibe, nicht sagen kan. Es ist aber dieses meine wenigste sorge, der ich in allem es des himmlischen Vaters gütigster verord- nung überlasse, wie viele oder wenige jahre er mir zuzumessen beliebet, bereit mit dancksagung auf seinen ruff mich zur ruhe zu legen, oder wo ers zu seinen ehren an- ders dienlich befindet, noch länger in der arbeit auszuhalten. Den succeß aber meines amts betreffend übergebe auch gleichfalls dessen heiliger regierung, zu dessen dienst ich beruffen bin. Also verrichte ich meine arbeit in dem glauben, der sich grün- det auf den unzweiflich göttlichen, und mir zu völliger überzeugung kund gemach- ten beruff, sodann des beruffers unfehlbare treue, nach dero ich es unmöglich ach- te, daß sie mich an diese stelle umsonst, und ohne bestimmung einiger frucht, von ei- ner andern stelle, da derselben hoffnung scheinbarer war, solte versetzet haben. Also bin ich gewiß, der HERR hat mir einen segen in diesem amt bestimmet, ob ich wol nicht sagen kan, worinnen er bestehe, wie groß dessen maaß seyn, oder wenn sich
der-
Das ſiebende Capitel.
SECTIO XLII. Meine geſundheit in Oreßden. Verſicherung daß die arbeit nicht vergebens aus der gewißheit des beruffs. Zeit des goͤttlichen gerichts. Mein begriff von deſſen ordnung und folgender beſſerung. Der ſpruch Luc. 18/ 8. dieſer hoffnung nicht entgegen.
WAs deſſen chriſtliches mitleiden uͤber meine damal beſagte abnehmung der leibes kraͤfften, und geringere hoffnung der von meinem amt erwar- tenden frucht anlanget, ſo ſage davor chriſtlichen danck, und ſolches ſo viel hertzlicher, weil es aus liebreicher wehmuth her entſprungen zu ſeyn gantz ver- ſichert bin, und es auch mit inniglichen wuͤnſchen begleitet geweſen. Die geſund- heit hat ſich zwar durch GOttes gnade, dazu gottſeliger mitbruͤder gebet vieles gethan zu haben nicht zweifele, bisher bey mir alſo befunden, daß ohne den erſten monat, da mir beſorglich die ſchwere gemuͤths-bewegung uͤber meinen abſchied von dem lieben Franckfurt noch ziemlich zugeſetzet, ich nicht ſagen kan, daß mich in hieſigem lufft anders befunden haͤtte, als in den Rhein-quartiren, wie dann nun uͤber die zwey jahr nicht noͤthig gehabt auch nur ein einig mal mein amt unpaͤßlich- keit wegen beſtellen zu laſſen, daruͤber ich billich die himmliſche guͤte zu preiſen mich pflichtig erkenne: obwol, daß es eben in dem vorigen vigor, welcher vor dem 50. jahr bey mir ſich gefunden, noch bey mir bleibe, nicht ſagen kan. Es iſt aber dieſes meine wenigſte ſorge, der ich in allem es des himmliſchen Vaters guͤtigſter verord- nung uͤberlaſſe, wie viele oder wenige jahre er mir zuzumeſſen beliebet, bereit mit danckſagung auf ſeinen ruff mich zur ruhe zu legen, oder wo ers zu ſeinen ehren an- ders dienlich befindet, noch laͤnger in der arbeit auszuhalten. Den ſucceß aber meines amts betreffend uͤbergebe auch gleichfalls deſſen heiliger regierung, zu deſſen dienſt ich beruffen bin. Alſo verrichte ich meine arbeit in dem glauben, der ſich gruͤn- det auf den unzweiflich goͤttlichen, und mir zu voͤlliger uͤberzeugung kund gemach- ten beruff, ſodann des beruffers unfehlbare treue, nach dero ich es unmoͤglich ach- te, daß ſie mich an dieſe ſtelle umſonſt, und ohne beſtimmung einiger frucht, von ei- ner andern ſtelle, da derſelben hoffnung ſcheinbarer war, ſolte verſetzet haben. Alſo bin ich gewiß, der HERR hat mir einen ſegen in dieſem amt beſtimmet, ob ich wol nicht ſagen kan, worinnen er beſtehe, wie groß deſſen maaß ſeyn, oder wenn ſich
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Das ſiebende Capitel.
SECTIO XLII.
Meine geſundheit in Oreßden. Verſicherung
daß die arbeit nicht vergebens aus der gewißheit des beruffs.
Zeit des goͤttlichen gerichts. Mein begriff von deſſen
ordnung und folgender beſſerung. Der ſpruch
Luc. 18/ 8. dieſer hoffnung nicht
entgegen.
WAs deſſen chriſtliches mitleiden uͤber meine damal beſagte abnehmung
der leibes kraͤfften, und geringere hoffnung der von meinem amt erwar-
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viel hertzlicher, weil es aus liebreicher wehmuth her entſprungen zu ſeyn gantz ver-
ſichert bin, und es auch mit inniglichen wuͤnſchen begleitet geweſen. Die geſund-
heit hat ſich zwar durch GOttes gnade, dazu gottſeliger mitbruͤder gebet vieles
gethan zu haben nicht zweifele, bisher bey mir alſo befunden, daß ohne den erſten
monat, da mir beſorglich die ſchwere gemuͤths-bewegung uͤber meinen abſchied
von dem lieben Franckfurt noch ziemlich zugeſetzet, ich nicht ſagen kan, daß mich in
hieſigem lufft anders befunden haͤtte, als in den Rhein-quartiren, wie dann nun
uͤber die zwey jahr nicht noͤthig gehabt auch nur ein einig mal mein amt unpaͤßlich-
keit wegen beſtellen zu laſſen, daruͤber ich billich die himmliſche guͤte zu preiſen mich
pflichtig erkenne: obwol, daß es eben in dem vorigen vigor, welcher vor dem 50.
jahr bey mir ſich gefunden, noch bey mir bleibe, nicht ſagen kan. Es iſt aber dieſes
meine wenigſte ſorge, der ich in allem es des himmliſchen Vaters guͤtigſter verord-
nung uͤberlaſſe, wie viele oder wenige jahre er mir zuzumeſſen beliebet, bereit mit
danckſagung auf ſeinen ruff mich zur ruhe zu legen, oder wo ers zu ſeinen ehren an-
ders dienlich befindet, noch laͤnger in der arbeit auszuhalten. Den ſucceß aber
meines amts betreffend uͤbergebe auch gleichfalls deſſen heiliger regierung, zu deſſen
dienſt ich beruffen bin. Alſo verrichte ich meine arbeit in dem glauben, der ſich gruͤn-
det auf den unzweiflich goͤttlichen, und mir zu voͤlliger uͤberzeugung kund gemach-
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ner andern ſtelle, da derſelben hoffnung ſcheinbarer war, ſolte verſetzet haben. Alſo
bin ich gewiß, der HERR hat mir einen ſegen in dieſem amt beſtimmet, ob ich wol
nicht ſagen kan, worinnen er beſtehe, wie groß deſſen maaß ſeyn, oder wenn ſich
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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