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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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irrthums convinc[i]rte: vielmehr habe nechst eine declaration von ihm gesehen, so
er als vor GOttes angesicht gethan, in der, was den articul anbelanget, der grund
der warheit unverletzt stehet, obwol einige expressiones nicht nach dieser phrasi
eingerichtet sind. Wir wissen aber nicht alleine, wie der mann in allen seinen con-
ceptibus intricat
ist, und sich so schwerlich expliciren kan, dahero man ihm nicht al-
le wort zu poltzen drehen darf: sondern auch wie die liebe altväter, die wir doch als
testes orthodoxiae anzuziehen pflegen, so offte gar viel anders, als wir wünsche-
ten, geredet haben: wir sind aber zufrieden, daß wir zu weilen einige seine sen-
tentias
bey ihnen finden, daraus wir sehen, daß sie den grund behalten haben, und
theils expliciren wir aus denselben die härter scheinende ort, theils halten wir ihnen
einige unbequemere reden zu gut. Dieses führe ich nicht dahin, als ob wir selbst we-
nig auf die formam sanorum verborum achten solten, vielmehr bleibe ich selbst da-
bey, und verbinde mich dazu, sondern daß wir an andern mitbrüdern etwas der-
gleichen auch mit liebe tragen lernen, wenn sie sich in den reden nicht mit uns auf
gleiche art einschrencken lassen. Wie insgesamt ich in keinem pünctlein von der
orthodoxie abschreite, oder solche freyheit mir ausnehme, aber ich breche nicht so
bald das band der gemeinschafft mit denen, die sich auch eine mehrere freyheit aus-
nehmen. Also so lang einer sich zu unserer kirchen öffentlich halten will, (welches
kein papist oder quacker nach seinen principiis thun kan) er widerspricht auch un-
sern libris Symbolicis nicht, oder bekennet sich insgemein zu denselben, ob ich gleich
auch gesaget haben kan, daß er in einigen dingen seine scrupel habe, werde ich we-
der zu starck in ihn setzen, noch ihn aus der geistlichen gemeinschafft setzen: son-
dern erkenne solche scrupel, so vielmehr, da man solche auch nicht getrauet zu
proponiren, aufs höchste vor solche schwachheits-sünden, die der liebste vater ihnen
zu gute hält, und ich mit ihrer schwachheit auch gedult tragen muß. Zeit genug
ists zur trennung alsdenn, wo sie gar ausbrechen, und von uns ausgehen: ich a-
ber stosse mit willen niemand aus, der noch bey uns bleiben will, und also auch
damit unsere kirche so ferne vor eine gemeinde des HErrn erkennet. Geliebter bru-
der gedencke, wenn auf diese weise verfahren worden wäre, wie vieler ungele-
genheit wäre man frey, und die kirchen verschonet blieben? ich habe nie nicht
gehöret, daß auf ihn N. oder seinen mitgenossen in der inquisition einiger eigent-
licher irrthum gebracht worden: denn haben einige ihre eigene meinungen in et-
lichen stücken von sich blicken lassen, weiß ich doch nicht anders, als daß sie expres-
se
bezeuget, denselben von Hn. N. nicht zu haben, oder doch nicht zu wissen, ob ers
auch also halte. Da wär mir nun diese ursache nicht genung sie aus dem um-
gange mit demselben eben solcher irrthüme zu beschuldigen: noch nehme ich mir die
macht, einigem christen die gemeinschafft mit solchen leuten zu verbieten, die falscher

lehr
o o o o 3

ARTIC. V. SECTIO LIII.
irrthums convinc[i]rte: vielmehr habe nechſt eine declaration von ihm geſehen, ſo
er als vor GOttes angeſicht gethan, in der, was den articul anbelanget, der grund
der warheit unverletzt ſtehet, obwol einige expreſſiones nicht nach dieſer phraſi
eingerichtet ſind. Wir wiſſen aber nicht alleine, wie der mann in allen ſeinen con-
ceptibus intricat
iſt, und ſich ſo ſchweꝛlich expliciꝛen kan, dahero man ihm nicht al-
le wort zu poltzen drehen darf: ſondern auch wie die liebe altvaͤter, die wir doch als
teſtes orthodoxiæ anzuziehen pflegen, ſo offte gar viel anders, als wir wuͤnſche-
ten, geredet haben: wir ſind aber zufrieden, daß wir zu weilen einige ſeine ſen-
tentias
bey ihnen finden, daraus wir ſehen, daß ſie den grund behalten haben, und
theils expliciren wir aus denſelben die haͤrter ſcheinende ort, theils halten wir ihnen
einige unbequemere reden zu gut. Dieſes fuͤhre ich nicht dahin, als ob wir ſelbſt we-
nig auf die formam ſanorum verborum achten ſolten, vielmehꝛ bleibe ich ſelbſt da-
bey, und verbinde mich dazu, ſondern daß wir an andern mitbruͤdern etwas der-
gleichen auch mit liebe tragen lernen, wenn ſie ſich in den reden nicht mit uns auf
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orthodoxie abſchreite, oder ſolche freyheit mir ausnehme, aber ich breche nicht ſo
bald das band der gemeinſchafft mit denen, die ſich auch eine mehrere freyheit aus-
nehmen. Alſo ſo lang einer ſich zu unſerer kirchen oͤffentlich halten will, (welches
kein papiſt oder quacker nach ſeinen principiis thun kan) er widerſpricht auch un-
ſern libris Symbolicis nicht, oder bekennet ſich insgemein zu denſelben, ob ich gleich
auch geſaget haben kan, daß er in einigen dingen ſeine ſcrupel habe, werde ich we-
der zu ſtarck in ihn ſetzen, noch ihn aus der geiſtlichen gemeinſchafft ſetzen: ſon-
dern erkenne ſolche ſcrupel, ſo vielmehr, da man ſolche auch nicht getrauet zu
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zu gute haͤlt, und ich mit ihrer ſchwachheit auch gedult tragen muß. Zeit genug
iſts zur trennung alsdenn, wo ſie gar ausbrechen, und von uns ausgehen: ich a-
ber ſtoſſe mit willen niemand aus, der noch bey uns bleiben will, und alſo auch
damit unſere kirche ſo ferne vor eine gemeinde des HErrn erkennet. Geliebter bru-
der gedencke, wenn auf dieſe weiſe verfahren worden waͤre, wie vieler ungele-
genheit waͤre man frey, und die kirchen verſchonet blieben? ich habe nie nicht
gehoͤret, daß auf ihn N. oder ſeinen mitgenoſſen in der inquiſition einiger eigent-
licher irrthum gebracht worden: denn haben einige ihre eigene meinungen in et-
lichen ſtuͤcken von ſich blicken laſſen, weiß ich doch nicht anders, als daß ſie expreſ-
ſe
bezeuget, denſelben von Hn. N. nicht zu haben, oder doch nicht zu wiſſen, ob ers
auch alſo halte. Da waͤr mir nun dieſe urſache nicht genung ſie aus dem um-
gange mit demſelben eben ſolcher irrthuͤme zu beſchuldigen: noch nehme ich mir die
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[661/0673] ARTIC. V. SECTIO LIII. irrthums convincirte: vielmehr habe nechſt eine declaration von ihm geſehen, ſo er als vor GOttes angeſicht gethan, in der, was den articul anbelanget, der grund der warheit unverletzt ſtehet, obwol einige expreſſiones nicht nach dieſer phraſi eingerichtet ſind. Wir wiſſen aber nicht alleine, wie der mann in allen ſeinen con- ceptibus intricat iſt, und ſich ſo ſchweꝛlich expliciꝛen kan, dahero man ihm nicht al- le wort zu poltzen drehen darf: ſondern auch wie die liebe altvaͤter, die wir doch als teſtes orthodoxiæ anzuziehen pflegen, ſo offte gar viel anders, als wir wuͤnſche- ten, geredet haben: wir ſind aber zufrieden, daß wir zu weilen einige ſeine ſen- tentias bey ihnen finden, daraus wir ſehen, daß ſie den grund behalten haben, und theils expliciren wir aus denſelben die haͤrter ſcheinende ort, theils halten wir ihnen einige unbequemere reden zu gut. Dieſes fuͤhre ich nicht dahin, als ob wir ſelbſt we- nig auf die formam ſanorum verborum achten ſolten, vielmehꝛ bleibe ich ſelbſt da- bey, und verbinde mich dazu, ſondern daß wir an andern mitbruͤdern etwas der- gleichen auch mit liebe tragen lernen, wenn ſie ſich in den reden nicht mit uns auf gleiche art einſchrencken laſſen. Wie insgeſamt ich in keinem puͤnctlein von der orthodoxie abſchreite, oder ſolche freyheit mir ausnehme, aber ich breche nicht ſo bald das band der gemeinſchafft mit denen, die ſich auch eine mehrere freyheit aus- nehmen. Alſo ſo lang einer ſich zu unſerer kirchen oͤffentlich halten will, (welches kein papiſt oder quacker nach ſeinen principiis thun kan) er widerſpricht auch un- ſern libris Symbolicis nicht, oder bekennet ſich insgemein zu denſelben, ob ich gleich auch geſaget haben kan, daß er in einigen dingen ſeine ſcrupel habe, werde ich we- der zu ſtarck in ihn ſetzen, noch ihn aus der geiſtlichen gemeinſchafft ſetzen: ſon- dern erkenne ſolche ſcrupel, ſo vielmehr, da man ſolche auch nicht getrauet zu proponiren, aufs hoͤchſte vor ſolche ſchwachheits-ſuͤnden, die der liebſte vater ihnen zu gute haͤlt, und ich mit ihrer ſchwachheit auch gedult tragen muß. Zeit genug iſts zur trennung alsdenn, wo ſie gar ausbrechen, und von uns ausgehen: ich a- ber ſtoſſe mit willen niemand aus, der noch bey uns bleiben will, und alſo auch damit unſere kirche ſo ferne vor eine gemeinde des HErrn erkennet. Geliebter bru- der gedencke, wenn auf dieſe weiſe verfahren worden waͤre, wie vieler ungele- genheit waͤre man frey, und die kirchen verſchonet blieben? ich habe nie nicht gehoͤret, daß auf ihn N. oder ſeinen mitgenoſſen in der inquiſition einiger eigent- licher irrthum gebracht worden: denn haben einige ihre eigene meinungen in et- lichen ſtuͤcken von ſich blicken laſſen, weiß ich doch nicht anders, als daß ſie expreſ- ſe bezeuget, denſelben von Hn. N. nicht zu haben, oder doch nicht zu wiſſen, ob ers auch alſo halte. Da waͤr mir nun dieſe urſache nicht genung ſie aus dem um- gange mit demſelben eben ſolcher irrthuͤme zu beſchuldigen: noch nehme ich mir die macht, einigem chriſten die gemeinſchafft mit ſolchen leuten zu verbieten, die falſcher lehr o o o o 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/673>, abgerufen am 22.11.2024.