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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. VI. SECTIO VIII.
diese straffe wieder weggenommen/ und wo sie eine weile solche erlidten/ fonderlich
aber/ wo der unschuldige theil wircklich wieder geheurathet hat/ eine abermalige
ehe zu verhütung mehreres übels verstattet werden möge. Welches dann bey ei-
ner unglaubigen/ die weniger an unsere gesetze verbunden/ desto leichter angehet.

Dieses wären meine unvorgreifliche gedancken von der materie/ die ferner reif-
fer überlegung überlasse. Der HERR aber erbarme sich selbs bald seines wey-
land auserwehlten volcks nach seinen theuren verheissungen/ damit wir wiederum
eines werden/ und nicht nöthig haben/ nach unterschiedenen gesetzen zu leben: beför-
dere auch solches sein werck auf ihm bekante weise.

SECTIO VIII.
Grosse bewegung unter studiosis. Vonietzi-
ger zeit charactere, da gute und böse bäume aus-
schlagen. Vorsichtigkeit und mäßigung in
erwecktem eyfer.

ES hat mich sehr erfreuet/ also daß ich auch zum lobe GOttes andere christ-
liche freunde derselben freude theilhafftig zu machen mich verbunden erach-
tet/ wann beliebet hat von der göttlichen bewegung meldung zu thun/ die
sich ihres orts auch unter studiosis, und zwar gelehrten/ ereigne/ welche ich gewiß
von grosser wichtigkeit achte/ und in dem/ daß GOtt was sonderbares vorhabe/ be-
kräfftigt werde. Wie ich denn vor mehrern jahren unserer zeit characterem dahin
angesehen/ daß es nun frühling seye/ da die bäume ausschlagen/ und die pflantzen
mit gewalt hervorbrechen/ zwar auch die böse bäume/ dornen und gifftige gewäch-
se/ aber nicht weniger/ ob zwar mit geringerem eusserlichem schein/ feigen-bäume/
weinstöcke/ und zur nahrung und artzney nützliche kräuter und pflantzen: daraus
wir billich aus Luc. 21. schliessen/ daß der sommer nahe seye/ und sich alles in dem zu-
stand finde/ wie zu andern malen/ wann GOtt eine änderung vorgehabt hat/ da ge-
meiniglich gutes und böses zugleich erst in mehrere krafft gehet. Da wir nun zu
solcher zeit leben/ wie auch kein bedencken gehabt habe/ darvon auf öffentli-
cher cantzel zu reden/ so lasset uns den liebsten Heyland so viel inbrünstiger an-
ruffen/ daß er uns seinen rath/ so viel zu unserm verhalten nöthig/ zu erkennen
geben/ und uns mit licht und krafft ausrüsten wolle/ die noch vorstehende und
fast vor den winterlichen gefährliche frühlings-fröste/ die besorglich vieles auszu-
schlagen angefangenes wiederum tödten werden/ zu überstehen/ und hier oder

dort
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ARTIC. VI. SECTIO VIII.
dieſe ſtraffe wieder weggenommen/ und wo ſie eine weile ſolche erlidten/ fonderlich
aber/ wo der unſchuldige theil wircklich wieder geheurathet hat/ eine abermalige
ehe zu verhuͤtung mehreres uͤbels verſtattet werden moͤge. Welches dann bey ei-
ner unglaubigen/ die weniger an unſere geſetze verbunden/ deſto leichter angehet.

Dieſes waͤren meine unvorgreifliche gedancken von der materie/ die ferner reif-
fer uͤberlegung uͤberlaſſe. Der HERR aber erbarme ſich ſelbs bald ſeines wey-
land auserwehlten volcks nach ſeinen theuren verheiſſungen/ damit wir wiederum
eines werden/ und nicht noͤthig haben/ nach unterſchiedenen geſetzen zu leben: befoͤr-
dere auch ſolches ſein werck auf ihm bekante weiſe.

SECTIO VIII.
Groſſe bewegung unter ſtudioſis. Vonietzi-
ger zeit charactere, da gute und boͤſe baͤume aus-
ſchlagen. Vorſichtigkeit und maͤßigung in
erwecktem eyfer.

ES hat mich ſehr erfreuet/ alſo daß ich auch zum lobe GOttes andere chriſt-
liche freunde derſelben freude theilhafftig zu machen mich verbunden erach-
tet/ wann beliebet hat von der goͤttlichen bewegung meldung zu thun/ die
ſich ihres orts auch unter ſtudioſis, und zwar gelehrten/ ereigne/ welche ich gewiß
von groſſer wichtigkeit achte/ und in dem/ daß GOtt was ſonderbares vorhabe/ be-
kraͤfftigt werde. Wie ich denn vor mehrern jahren unſerer zeit characterem dahin
angeſehen/ daß es nun fruͤhling ſeye/ da die baͤume ausſchlagen/ und die pflantzen
mit gewalt hervorbrechen/ zwar auch die boͤſe baͤume/ dornen und gifftige gewaͤch-
ſe/ aber nicht weniger/ ob zwar mit geringerem euſſerlichem ſchein/ feigen-baͤume/
weinſtoͤcke/ und zur nahrung und artzney nuͤtzliche kraͤuter und pflantzen: daraus
wir billich aus Luc. 21. ſchlieſſen/ daß der ſommer nahe ſeye/ und ſich alles in dem zu-
ſtand finde/ wie zu andern malen/ wann GOtt eine aͤnderung vorgehabt hat/ da ge-
meiniglich gutes und boͤſes zugleich erſt in mehrere krafft gehet. Da wir nun zu
ſolcher zeit leben/ wie auch kein bedencken gehabt habe/ darvon auf oͤffentli-
cher cantzel zu reden/ ſo laſſet uns den liebſten Heyland ſo viel inbruͤnſtiger an-
ruffen/ daß er uns ſeinen rath/ ſo viel zu unſerm verhalten noͤthig/ zu erkennen
geben/ und uns mit licht und krafft ausruͤſten wolle/ die noch vorſtehende und
faſt vor den winterlichen gefaͤhrliche fruͤhlings-froͤſte/ die beſorglich vieles auszu-
ſchlagen angefangenes wiederum toͤdten werden/ zu uͤberſtehen/ und hier oder

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[737/0749] ARTIC. VI. SECTIO VIII. dieſe ſtraffe wieder weggenommen/ und wo ſie eine weile ſolche erlidten/ fonderlich aber/ wo der unſchuldige theil wircklich wieder geheurathet hat/ eine abermalige ehe zu verhuͤtung mehreres uͤbels verſtattet werden moͤge. Welches dann bey ei- ner unglaubigen/ die weniger an unſere geſetze verbunden/ deſto leichter angehet. Dieſes waͤren meine unvorgreifliche gedancken von der materie/ die ferner reif- fer uͤberlegung uͤberlaſſe. Der HERR aber erbarme ſich ſelbs bald ſeines wey- land auserwehlten volcks nach ſeinen theuren verheiſſungen/ damit wir wiederum eines werden/ und nicht noͤthig haben/ nach unterſchiedenen geſetzen zu leben: befoͤr- dere auch ſolches ſein werck auf ihm bekante weiſe. SECTIO VIII. Groſſe bewegung unter ſtudioſis. Vonietzi- ger zeit charactere, da gute und boͤſe baͤume aus- ſchlagen. Vorſichtigkeit und maͤßigung in erwecktem eyfer. ES hat mich ſehr erfreuet/ alſo daß ich auch zum lobe GOttes andere chriſt- liche freunde derſelben freude theilhafftig zu machen mich verbunden erach- tet/ wann beliebet hat von der goͤttlichen bewegung meldung zu thun/ die ſich ihres orts auch unter ſtudioſis, und zwar gelehrten/ ereigne/ welche ich gewiß von groſſer wichtigkeit achte/ und in dem/ daß GOtt was ſonderbares vorhabe/ be- kraͤfftigt werde. Wie ich denn vor mehrern jahren unſerer zeit characterem dahin angeſehen/ daß es nun fruͤhling ſeye/ da die baͤume ausſchlagen/ und die pflantzen mit gewalt hervorbrechen/ zwar auch die boͤſe baͤume/ dornen und gifftige gewaͤch- ſe/ aber nicht weniger/ ob zwar mit geringerem euſſerlichem ſchein/ feigen-baͤume/ weinſtoͤcke/ und zur nahrung und artzney nuͤtzliche kraͤuter und pflantzen: daraus wir billich aus Luc. 21. ſchlieſſen/ daß der ſommer nahe ſeye/ und ſich alles in dem zu- ſtand finde/ wie zu andern malen/ wann GOtt eine aͤnderung vorgehabt hat/ da ge- meiniglich gutes und boͤſes zugleich erſt in mehrere krafft gehet. Da wir nun zu ſolcher zeit leben/ wie auch kein bedencken gehabt habe/ darvon auf oͤffentli- cher cantzel zu reden/ ſo laſſet uns den liebſten Heyland ſo viel inbruͤnſtiger an- ruffen/ daß er uns ſeinen rath/ ſo viel zu unſerm verhalten noͤthig/ zu erkennen geben/ und uns mit licht und krafft ausruͤſten wolle/ die noch vorſtehende und faſt vor den winterlichen gefaͤhrliche fruͤhlings-froͤſte/ die beſorglich vieles auszu- ſchlagen angefangenes wiederum toͤdten werden/ zu uͤberſtehen/ und hier oder dort a a a a a

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/749>, abgerufen am 22.11.2024.