SECTIO XVI. Von feuer- und andern vorgebenden oder ge- schehenen wunderzeichen.
WAnn E. Wohl-Ehrw. wegen einiger hin und wieder sich begebenden wunderzeichen erinnerung thut, so weiß ich wol, daß sehr viele in den gedancken stehen, daß dergleichen an den himmels-liechtern, o- der vielmehr in der lufft, oder sonsten erscheinende phaenomena und andere dergleichen davor haltende prodigia ihre sonderbare bedeutung haben, und als warnungen GOttes anzusehen seyen. So lasse ich auch ieglichem Christlichen lehrer in dieser sache seine muthmassungen frey. Jedoch beken- ne ich gern von mir, daß ich noch niemal aus der schrifft habe sehen können, daß uns GOtt dahin weise, auf dergleichen prodigia zu sehen, oder solche für andeutungen seines willens oder gerichts anzusehen. Dann was von den letzten zeichen vor dem jüngsten tage unmittelbar vorgehend gesagt wird, werden dergleichen seyn, die über alle natur sind, und sich mit der- gleichen geringen nicht vergleichen lassen. So habe ich auch in der that er- fahren, wie Athei, wo sie hören, daß wir prediger von ein und andern der- gleichen zeichen, darvon sie die natürliche ursach verstehen, viel sagens ma- chen, und solche vor göttliche wunder ausgeben, sonderlich wo die ausle- gungen so gar ad specialia gehen, ohne rechten grund, werden bewogen, weil sie versichert sind, daß wir hierinnen fehlen, daß sie nachmal auch alles ü- brige unser vorgeben aus göttlichem wort vor gleiche ungegründete vermu- thungen halten, und den namen des HErrn zu lästern gereitzet werden. Ja manche Christliche hertzen, welche in natürlichen dingen so viel verstands haben, daß sie die andern nicht bekante natürliche ursachen dergleichen ins- gemein vor unnatürliche gehaltene dinge erkennen, werden so sehr dardurch geärgert, als bey den gemeinen leuten, die aus der opinion solche dinge vor wunderzeichen halten, mit vorstellung derselben gutes möchte gewircket werden. Daher ich nicht nur selbs nimmermehr die leute auf dergleichen zu achten weise, sondern auch wünschte, daß aufs wenigste nicht anders als mit gröster behutsamkeit von andern von dieser materie gehandlet wür- de. Daß zu 1. keines angezogen würde, das nicht von vielen glaubwürdi- gen zeugen gesehen worden, und zwar solchen zeugen, die guten verstand der natürlichen dinge haben, und also wissen, was die natürliche phaenomena seyn können, oder was über die natur ist. 2. Daß auch alle die jenige aus- geschlossen werden, wo man einigerley massen die natürliche ursachen fin- det, nam miracula non fingenda sunt citra necessitatem. Uterdessen
wird
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ARTIC. I. SECTIO XVI.
SECTIO XVI. Von feuer- und andern vorgebenden oder ge- ſchehenen wunderzeichen.
WAnn E. Wohl-Ehrw. wegen einiger hin und wieder ſich begebenden wunderzeichen erinnerung thut, ſo weiß ich wol, daß ſehr viele in den gedancken ſtehen, daß dergleichen an den himmels-liechtern, o- der vielmehr in der lufft, oder ſonſten erſcheinende phænomena und andere dergleichen davor haltende prodigia ihre ſonderbare bedeutung haben, und als warnungen GOttes anzuſehen ſeyen. So laſſe ich auch ieglichem Chriſtlichen lehrer in dieſer ſache ſeine muthmaſſungen frey. Jedoch beken- ne ich gern von mir, daß ich noch niemal aus der ſchrifft habe ſehen koͤnnen, daß uns GOtt dahin weiſe, auf dergleichen prodigia zu ſehen, oder ſolche fuͤr andeutungen ſeines willens oder gerichts anzuſehen. Dann was von den letzten zeichen vor dem juͤngſten tage unmittelbar vorgehend geſagt wird, werden dergleichen ſeyn, die uͤber alle natur ſind, und ſich mit der- gleichen geringen nicht vergleichen laſſen. So habe ich auch in der that er- fahren, wie Athei, wo ſie hoͤren, daß wir prediger von ein und andern der- gleichen zeichen, darvon ſie die natuͤrliche urſach verſtehen, viel ſagens ma- chen, und ſolche vor goͤttliche wunder ausgeben, ſonderlich wo die ausle- gungen ſo gar ad ſpecialia gehen, ohne rechten grund, werden bewogen, weil ſie verſichert ſind, daß wir hierinnen fehlen, daß ſie nachmal auch alles uͤ- brige unſer vorgeben aus goͤttlichem wort vor gleiche ungegruͤndete vermu- thungen halten, und den namen des HErrn zu laͤſtern gereitzet werden. Ja manche Chriſtliche hertzen, welche in natuͤrlichen dingen ſo viel verſtands haben, daß ſie die andern nicht bekante natuͤrliche urſachen dergleichen ins- gemein vor unnatuͤrliche gehaltene dinge erkennen, werden ſo ſehr dardurch geaͤrgert, als bey den gemeinen leuten, die aus der opinion ſolche dinge vor wunderzeichen halten, mit vorſtellung derſelben gutes moͤchte gewircket werden. Daher ich nicht nur ſelbs nimmermehr die leute auf dergleichen zu achten weiſe, ſondern auch wuͤnſchte, daß aufs wenigſte nicht anders als mit groͤſter behutſamkeit von andern von dieſer materie gehandlet wuͤr- de. Daß zu 1. keines angezogen wuͤrde, das nicht von vielen glaubwuͤrdi- gen zeugen geſehen worden, und zwar ſolchen zeugen, die guten verſtand der natuͤrlichen dinge haben, und alſo wiſſen, was die natuͤrliche phænomena ſeyn koͤnnen, oder was uͤber die natur iſt. 2. Daß auch alle die jenige aus- geſchloſſen werden, wo man einigerley maſſen die natuͤrliche urſachen fin- det, nam miracula non fingenda ſunt citra neceſſitatem. Uterdeſſen
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ARTIC. I. SECTIO XVI.
SECTIO XVI.
Von feuer- und andern vorgebenden oder ge-
ſchehenen wunderzeichen.
WAnn E. Wohl-Ehrw. wegen einiger hin und wieder ſich begebenden
wunderzeichen erinnerung thut, ſo weiß ich wol, daß ſehr viele in
den gedancken ſtehen, daß dergleichen an den himmels-liechtern, o-
der vielmehr in der lufft, oder ſonſten erſcheinende phænomena und andere
dergleichen davor haltende prodigia ihre ſonderbare bedeutung haben, und
als warnungen GOttes anzuſehen ſeyen. So laſſe ich auch ieglichem
Chriſtlichen lehrer in dieſer ſache ſeine muthmaſſungen frey. Jedoch beken-
ne ich gern von mir, daß ich noch niemal aus der ſchrifft habe ſehen koͤnnen,
daß uns GOtt dahin weiſe, auf dergleichen prodigia zu ſehen, oder ſolche
fuͤr andeutungen ſeines willens oder gerichts anzuſehen. Dann was
von den letzten zeichen vor dem juͤngſten tage unmittelbar vorgehend geſagt
wird, werden dergleichen ſeyn, die uͤber alle natur ſind, und ſich mit der-
gleichen geringen nicht vergleichen laſſen. So habe ich auch in der that er-
fahren, wie Athei, wo ſie hoͤren, daß wir prediger von ein und andern der-
gleichen zeichen, darvon ſie die natuͤrliche urſach verſtehen, viel ſagens ma-
chen, und ſolche vor goͤttliche wunder ausgeben, ſonderlich wo die ausle-
gungen ſo gar ad ſpecialia gehen, ohne rechten grund, werden bewogen, weil
ſie verſichert ſind, daß wir hierinnen fehlen, daß ſie nachmal auch alles uͤ-
brige unſer vorgeben aus goͤttlichem wort vor gleiche ungegruͤndete vermu-
thungen halten, und den namen des HErrn zu laͤſtern gereitzet werden. Ja
manche Chriſtliche hertzen, welche in natuͤrlichen dingen ſo viel verſtands
haben, daß ſie die andern nicht bekante natuͤrliche urſachen dergleichen ins-
gemein vor unnatuͤrliche gehaltene dinge erkennen, werden ſo ſehr dardurch
geaͤrgert, als bey den gemeinen leuten, die aus der opinion ſolche dinge vor
wunderzeichen halten, mit vorſtellung derſelben gutes moͤchte gewircket
werden. Daher ich nicht nur ſelbs nimmermehr die leute auf dergleichen
zu achten weiſe, ſondern auch wuͤnſchte, daß aufs wenigſte nicht anders
als mit groͤſter behutſamkeit von andern von dieſer materie gehandlet wuͤr-
de. Daß zu 1. keines angezogen wuͤrde, das nicht von vielen glaubwuͤrdi-
gen zeugen geſehen worden, und zwar ſolchen zeugen, die guten verſtand der
natuͤrlichen dinge haben, und alſo wiſſen, was die natuͤrliche phænomena
ſeyn koͤnnen, oder was uͤber die natur iſt. 2. Daß auch alle die jenige aus-
geſchloſſen werden, wo man einigerley maſſen die natuͤrliche urſachen fin-
det, nam miracula non fingenda ſunt citra neceſſitatem. Uterdeſſen
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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