"Sie werden freilich nur paternum mensa tenui salinum finden, Urväter Hausrath auf dürftigem Tische," sagte der Pastor, der seinem Gaste zeigen wollte, daß er sein Latein noch nicht vergessen habe; "aber Sie wissen: vivitur parvo bene; auch mit Wenigem lebt sich's gut. Darf ich Ihnen, bis die Mahlzeit angerichtet ist, eine Cigarre offeriren?"
Oswald dankte, da er kein Raucher sei.
"O, eine vortreffliche Eigenschaft das! eine klassische Eigenschaft," sagte der Pastor, seinen eigenen Witz be¬ lächelnd; "die Alten rauchten nicht, und Goethe, den ein frivoler, aber witziger Schriftsteller "den großen Heiden" nennt, war ein abgesagter Feind der Pfeife und Cigarre. Sie erlauben, daß ich meiner Gewohn¬ heit, nach der Predigt ein leichtes Cigarrchen zu rauchen, getreu bleibe?"
"Bitte dringend, Herr Pastor!"
"Finden Sie nicht -- paff, paff! -- daß das Rauchen -- paff, paff! -- so recht eigentlich ein ger¬ manisches, ja, um mich so auszudrücken, ein christlich- germanisches Element ist?" sagte der Pfarrer, der heute auf alle Fälle geistreich sein wollte.
"Sie würden durch diese Bemerkung den Spöttern der Religion eine Waffe in die Hände geben," ant¬ wortete Oswald trocken.
„Sie werden freilich nur paternum mensa tenui salinum finden, Urväter Hausrath auf dürftigem Tiſche,“ ſagte der Paſtor, der ſeinem Gaſte zeigen wollte, daß er ſein Latein noch nicht vergeſſen habe; „aber Sie wiſſen: vivitur parvo bene; auch mit Wenigem lebt ſich's gut. Darf ich Ihnen, bis die Mahlzeit angerichtet iſt, eine Cigarre offeriren?“
Oswald dankte, da er kein Raucher ſei.
„O, eine vortreffliche Eigenſchaft das! eine klaſſiſche Eigenſchaft,“ ſagte der Paſtor, ſeinen eigenen Witz be¬ lächelnd; „die Alten rauchten nicht, und Goethe, den ein frivoler, aber witziger Schriftſteller „den großen Heiden“ nennt, war ein abgeſagter Feind der Pfeife und Cigarre. Sie erlauben, daß ich meiner Gewohn¬ heit, nach der Predigt ein leichtes Cigarrchen zu rauchen, getreu bleibe?“
„Bitte dringend, Herr Paſtor!“
„Finden Sie nicht — paff, paff! — daß das Rauchen — paff, paff! — ſo recht eigentlich ein ger¬ maniſches, ja, um mich ſo auszudrücken, ein chriſtlich- germaniſches Element iſt?“ ſagte der Pfarrer, der heute auf alle Fälle geiſtreich ſein wollte.
„Sie würden durch dieſe Bemerkung den Spöttern der Religion eine Waffe in die Hände geben,“ ant¬ wortete Oswald trocken.
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„Sie werden freilich nur paternum mensa tenui
salinum finden, Urväter Hausrath auf dürftigem
Tiſche,“ ſagte der Paſtor, der ſeinem Gaſte zeigen
wollte, daß er ſein Latein noch nicht vergeſſen habe;
„aber Sie wiſſen: vivitur parvo bene; auch mit
Wenigem lebt ſich's gut. Darf ich Ihnen, bis die
Mahlzeit angerichtet iſt, eine Cigarre offeriren?“
Oswald dankte, da er kein Raucher ſei.
„O, eine vortreffliche Eigenſchaft das! eine klaſſiſche
Eigenſchaft,“ ſagte der Paſtor, ſeinen eigenen Witz be¬
lächelnd; „die Alten rauchten nicht, und Goethe, den
ein frivoler, aber witziger Schriftſteller „den großen
Heiden“ nennt, war ein abgeſagter Feind der Pfeife
und Cigarre. Sie erlauben, daß ich meiner Gewohn¬
heit, nach der Predigt ein leichtes Cigarrchen zu rauchen,
getreu bleibe?“
„Bitte dringend, Herr Paſtor!“
„Finden Sie nicht — paff, paff! — daß das
Rauchen — paff, paff! — ſo recht eigentlich ein ger¬
maniſches, ja, um mich ſo auszudrücken, ein chriſtlich-
germaniſches Element iſt?“ ſagte der Pfarrer, der
heute auf alle Fälle geiſtreich ſein wollte.
„Sie würden durch dieſe Bemerkung den Spöttern
der Religion eine Waffe in die Hände geben,“ ant¬
wortete Oswald trocken.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/113>, abgerufen am 17.06.2024.
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