klängen an Heine beginnen, in der Mitte einige Le¬ nau'sche Accorde anschlagen und mit einer Freiligrath'¬ schen Fanfare schließen. Welch' ein wahres, inniges Gefühl erwärmt diese Verse; und dabei diese kernige Kraft der Sprache: Ein dunkler Ehrenmann! das ist einfach, aber schön; das haben Sie Ihrem Göthe ab¬ gelauscht."
"Sie sind wahrlich zu gütig, lieber Gastfreund!" sagte Primula hocherfreut. "In der That, Sie be¬ schämen mich durch Ihr freigebiges Lob. Aber, seien Sie ehrlich, finden Sie nicht, daß, wenigstens für den modernen Geschmack, das Ganze doch ein wenig zu ideal gehalten ist?"
"Vielleicht für unsere Realisten, die allerdings in ihren Anforderungen etwas weit gehen, und in ihrem Bestreben, Alles recht natürlich zu machen, im Faust nächstens den Pudel auf die Bühne bringen und durch Kneifen in den Schwanz zum Bellen und Heulen ver¬ anlassen werden. Aber ich bin überzeugt, daß, wenn Sie nur wollen, Sie auch diesen Herren gerecht werden können."
"Was halten Sie von diesem Gedichte?" fragte die Dichterin: "An meinen Haushahn." Os¬ wald lehnte sich wieder in seine Ecke.
klängen an Heine beginnen, in der Mitte einige Le¬ nau'ſche Accorde anſchlagen und mit einer Freiligrath'¬ ſchen Fanfare ſchließen. Welch' ein wahres, inniges Gefühl erwärmt dieſe Verſe; und dabei dieſe kernige Kraft der Sprache: Ein dunkler Ehrenmann! das iſt einfach, aber ſchön; das haben Sie Ihrem Göthe ab¬ gelauſcht.“
„Sie ſind wahrlich zu gütig, lieber Gaſtfreund!“ ſagte Primula hocherfreut. „In der That, Sie be¬ ſchämen mich durch Ihr freigebiges Lob. Aber, ſeien Sie ehrlich, finden Sie nicht, daß, wenigſtens für den modernen Geſchmack, das Ganze doch ein wenig zu ideal gehalten iſt?“
„Vielleicht für unſere Realiſten, die allerdings in ihren Anforderungen etwas weit gehen, und in ihrem Beſtreben, Alles recht natürlich zu machen, im Fauſt nächſtens den Pudel auf die Bühne bringen und durch Kneifen in den Schwanz zum Bellen und Heulen ver¬ anlaſſen werden. Aber ich bin überzeugt, daß, wenn Sie nur wollen, Sie auch dieſen Herren gerecht werden können.“
„Was halten Sie von dieſem Gedichte?“ fragte die Dichterin: „An meinen Haushahn.“ Os¬ wald lehnte ſich wieder in ſeine Ecke.
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klängen an Heine beginnen, in der Mitte einige Le¬
nau'ſche Accorde anſchlagen und mit einer Freiligrath'¬
ſchen Fanfare ſchließen. Welch' ein wahres, inniges
Gefühl erwärmt dieſe Verſe; und dabei dieſe kernige
Kraft der Sprache: Ein dunkler Ehrenmann! das iſt
einfach, aber ſchön; das haben Sie Ihrem Göthe ab¬
gelauſcht.“
„Sie ſind wahrlich zu gütig, lieber Gaſtfreund!“
ſagte Primula hocherfreut. „In der That, Sie be¬
ſchämen mich durch Ihr freigebiges Lob. Aber, ſeien
Sie ehrlich, finden Sie nicht, daß, wenigſtens für den
modernen Geſchmack, das Ganze doch ein wenig zu
ideal gehalten iſt?“
„Vielleicht für unſere Realiſten, die allerdings in
ihren Anforderungen etwas weit gehen, und in ihrem
Beſtreben, Alles recht natürlich zu machen, im Fauſt
nächſtens den Pudel auf die Bühne bringen und durch
Kneifen in den Schwanz zum Bellen und Heulen ver¬
anlaſſen werden. Aber ich bin überzeugt, daß, wenn
Sie nur wollen, Sie auch dieſen Herren gerecht werden
können.“
„Was halten Sie von dieſem Gedichte?“ fragte
die Dichterin: „An meinen Haushahn.“ Os¬
wald lehnte ſich wieder in ſeine Ecke.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/135>, abgerufen am 17.06.2024.
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