Wem ist es nicht schon auf der Reise begegnet, daß er in der ersten Morgenfrühe durch die Straßen einer Stadt fuhr. -- Die Sonne vergoldet schon die Kirch¬ thurmspitze, die Luft ist kühl und erquickend, die Vögel singen in den alten Linden vor den Giebelhäusern des Marktes -- die Natur wacht und prangt in Morgen¬ schöne -- und die Menschen liegen noch alle in den Banden des Schlafes, drinnen in den schwülen, dum¬ pfigen Kammern. Der Reisende kann es kaum be¬ greifen, daß sich kein Fensterladen öffnet, kein lächelndes Gesicht herausschaut, sich mit ihm des wonnigen Morgens zu freuen . . . So fühlt der Liebende, der sich eben der Gegenliebe versichert, mit leuchtenden Augen um sich schaut und Blumen und Menschen an sein über¬ strömendes Herz drücken möchte. Aber die Blumen kümmerten sich nicht um ihn, und die Menschen haben
Funfzehntes Kapitel.
Wem iſt es nicht ſchon auf der Reiſe begegnet, daß er in der erſten Morgenfrühe durch die Straßen einer Stadt fuhr. — Die Sonne vergoldet ſchon die Kirch¬ thurmſpitze, die Luft iſt kühl und erquickend, die Vögel ſingen in den alten Linden vor den Giebelhäuſern des Marktes — die Natur wacht und prangt in Morgen¬ ſchöne — und die Menſchen liegen noch alle in den Banden des Schlafes, drinnen in den ſchwülen, dum¬ pfigen Kammern. Der Reiſende kann es kaum be¬ greifen, daß ſich kein Fenſterladen öffnet, kein lächelndes Geſicht herausſchaut, ſich mit ihm des wonnigen Morgens zu freuen . . . So fühlt der Liebende, der ſich eben der Gegenliebe verſichert, mit leuchtenden Augen um ſich ſchaut und Blumen und Menſchen an ſein über¬ ſtrömendes Herz drücken möchte. Aber die Blumen kümmerten ſich nicht um ihn, und die Menſchen haben
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Funfzehntes Kapitel.
Wem iſt es nicht ſchon auf der Reiſe begegnet, daß
er in der erſten Morgenfrühe durch die Straßen einer
Stadt fuhr. — Die Sonne vergoldet ſchon die Kirch¬
thurmſpitze, die Luft iſt kühl und erquickend, die Vögel
ſingen in den alten Linden vor den Giebelhäuſern des
Marktes — die Natur wacht und prangt in Morgen¬
ſchöne — und die Menſchen liegen noch alle in den
Banden des Schlafes, drinnen in den ſchwülen, dum¬
pfigen Kammern. Der Reiſende kann es kaum be¬
greifen, daß ſich kein Fenſterladen öffnet, kein lächelndes
Geſicht herausſchaut, ſich mit ihm des wonnigen Morgens
zu freuen . . . So fühlt der Liebende, der ſich eben
der Gegenliebe verſichert, mit leuchtenden Augen um
ſich ſchaut und Blumen und Menſchen an ſein über¬
ſtrömendes Herz drücken möchte. Aber die Blumen
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. [204]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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