Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.konnte, daß es wirklich nur ein Bild gewesen. So Da hörte er das Knallen einer Peitsche, und das Oswald ging mit hastigen Schritten in seinem Ge¬ "Warum heute, gerade heute das fürchterliche Bild! Der junge Mann war wieder ruhiger geworden, konnte, daß es wirklich nur ein Bild geweſen. So Da hörte er das Knallen einer Peitſche, und das Oswald ging mit haſtigen Schritten in ſeinem Ge¬ „Warum heute, gerade heute das fürchterliche Bild! Der junge Mann war wieder ruhiger geworden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0224" n="214"/> konnte, daß es wirklich nur ein Bild geweſen. So<lb/> deutlich hatte er mit geſchloſſenen Augen jedes Möbel<lb/> im Zimmer, den Sonnenſtrahl, der durch das Fenſter<lb/> fiel, die Staubatome, die in dem Strahle tanzten —<lb/> Alles, Alles geſehen.</p><lb/> <p>Da hörte er das Knallen einer Peitſche, und das<lb/> Knirſchen von Rädern in dem Sande vor dem Portal<lb/> des Schloſſes. Der Baron fuhr eben mit den Knaben<lb/> fort.</p><lb/> <p>Oswald ging mit haſtigen Schritten in ſeinem Ge¬<lb/> mache auf und ab.</p><lb/> <p>„Warum heute, gerade heute das fürchterliche Bild!<lb/> Muß Bruno ſterben, und zuvor mir ſterben, damit ich<lb/> Melitta lieben kann! Iſt es nicht möglich, einen<lb/> Bruder und eine Geliebte zu lieben zu gleicher Zeit<lb/> mit gleicher Gluth der Seele? Iſt das Menſchenherz<lb/> ſo klein, daß eine Empfindung, um darin wohnen zu<lb/> können, die andere verdrängen muß? und iſt die Treu¬<lb/> loſigkeit Naturgeſetz?“</p><lb/> <p>Der junge Mann war wieder ruhiger geworden,<lb/> aber die ambroſiſche Schönheit des Sommermorgens<lb/> war verſchwunden. Die Sonne hatte keinen Glanz<lb/> mehr für ihn, der Geſang der Vögel keine Süßigkeit,<lb/> der übermüthig ſprudelnde Quell der Luſt in ſeinem<lb/> Buſen war verſiegt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [214/0224]
konnte, daß es wirklich nur ein Bild geweſen. So
deutlich hatte er mit geſchloſſenen Augen jedes Möbel
im Zimmer, den Sonnenſtrahl, der durch das Fenſter
fiel, die Staubatome, die in dem Strahle tanzten —
Alles, Alles geſehen.
Da hörte er das Knallen einer Peitſche, und das
Knirſchen von Rädern in dem Sande vor dem Portal
des Schloſſes. Der Baron fuhr eben mit den Knaben
fort.
Oswald ging mit haſtigen Schritten in ſeinem Ge¬
mache auf und ab.
„Warum heute, gerade heute das fürchterliche Bild!
Muß Bruno ſterben, und zuvor mir ſterben, damit ich
Melitta lieben kann! Iſt es nicht möglich, einen
Bruder und eine Geliebte zu lieben zu gleicher Zeit
mit gleicher Gluth der Seele? Iſt das Menſchenherz
ſo klein, daß eine Empfindung, um darin wohnen zu
können, die andere verdrängen muß? und iſt die Treu¬
loſigkeit Naturgeſetz?“
Der junge Mann war wieder ruhiger geworden,
aber die ambroſiſche Schönheit des Sommermorgens
war verſchwunden. Die Sonne hatte keinen Glanz
mehr für ihn, der Geſang der Vögel keine Süßigkeit,
der übermüthig ſprudelnde Quell der Luſt in ſeinem
Buſen war verſiegt.
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